Mülheim/Rostock. Der Ghanaer, der wegen Vergewaltigung angeklagt ist, war ausreisepflichtig und ist nun abgetaucht. Beteiligte Behörden widersprechen sich.

Im Fall des ausreisepflichtigen 34-jährigen Asylbewerbers, der im Verdacht steht, 2018 eine damals 16-Jährige vergewaltigt zu haben, und der trotz eines Abschiebehaftbefehls einige Stunden nach seiner Strafverhandlung vom Mülheimer Ausländeramt wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass zumindest ein Teil der beteiligten Behörden nicht mit offenen Karten spielt.

Der Ghanaer war, nachdem er mehrere Jahre untergetaucht und seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen war, im Frühjahr 2024 endlich gefasst worden. Da der Mann zum Zeitpunkt der Strafverhandlung vor dem Mülheimer Schöffengericht fast sechs Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte und es gesetzliche Haftzeitbegrenzungen gibt, hätte er kurz nach der Verhandlung freigelassen werden müssen. Dies hatte die vorsitzende Richterin noch verhindern können, indem sie noch während der Verhandlung beim für den Ghanaer zuständigen Ausländeramt Rostock anrief und dort einen Abschiebehaftbefehl erwirkte. Das Ausländeramt Mülheim nahm den Mann dann auch tatsächlich im Wege der Amtshilfe noch im Gerichtssaal fest. Doch dann die Überraschung: Am Abend des selben Tages wurde er schon wieder in die Freiheit entlassen.

Aussagen der Behörden in Mülheim und Rostock sind widersprüchlich

Mülheims Stadtverwaltung hatte sich danach auf eine Anfrage dieser Redaktion sehr bedeckt gehalten. „Zuständig ist die Ausländerbehörde in Rostock“, hieß es von dort. Kein Wort darüber, dass hier durchaus auch eine Amtshilfezuständigkeit der Mülheimer Behörde bestand und das Ausländeramt zweifellos wissen musste, warum man den Mann in die Freiheit entlassen hatte. Wie hätte man den Mann sonst freilassen können, wenn man nicht über Entlassungsgründe informiert war? Gegenüber dem Amtsgericht hatte die Stadtverwaltung zuvor immerhin noch durchblicken lassen, dass für den Mann kein Haftplatz frei sei.

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Das Ausländeramt des Landkreises Rostock erklärte auf Nachfrage, dass zumindest in Mecklenburg-Vorpommern, dem für den Ghanaer zuständigen Bundesland, in der fraglichen Zeit durchaus Haftplätze frei gewesen wären. Dies passt also nicht mit der Auskunft der Mülheimer Behörde zusammen.

Freilassung trotz Ausreisepflicht: Auch das Land NRW trägt nicht zur Aufklärung bei

Wie der mecklenburgische „Nordkurier“ zu dem Fall berichtete, war 2018 „ein Rückführungsversuch am renitenten Verhalten des Mannes“ gescheitert. Danach sei er plötzlich für Jahre von der Bildfläche verschwunden. In Sachen Freilassung verwirrend ist nun die Feststellung des „Nordkuriers“, dass sich nicht das Amtsgericht Mülheim in Rostock um einen Abschiebehaftbefehl bemüht haben soll, sondern das Ausländeramt Rostock beim Mülheimer Amtsgericht. Und der sei „durch Beschluss des Amtsgerichts Mülheim abgelehnt“ worden, weil bundesweit kein Haftplatz frei gewesen sei.

Um Licht in den Sachverhalt zu bringen, richteten mehrere Landtagsabgeordnete der SPD eine Kleine Anfrage an die Landesregierung.  Aber auch dort scheint – liest man deren Antwort – wenig Interesse an einer Klärung des Falles zu geben. So wird in der von Migrationsministerin Josefine Paul unterschriebenen Antwort ebenfalls darauf verwiesen, dass die Ausländerbehörde Rostock für den Fall zuständig sei und nicht Nordrhein-Westfalen.

NRW-Ministerin Paul bleibt schwammig - Angeklagter Ghanaer bleibt abgetaucht

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Immerhin ist zu erfahren, dass in der nordrhein-westfälischen Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren an dem Tag, an dem angeblich kein Haftplatz frei gewesen sei, „keine dort eingegangene Haftplatzanfrage abgelehnt“ worden sei. Im weiteren Fortlauf der Antwort verweist Ministerin Paul dann noch darauf, dass die Landesregierung bereits am 10. September, also vor der Freilassung des mutmaßlichen Vergewaltigers, „ein umfassendes Paket zur Sicherheit, Migration und Prävention“ beschlossen habe.

„Das Maßnahmenpaket der Landesregierung verfolgt unter anderem das Ziel, durch konsequentes Handeln die Erfolgsquoten bei Abschiebungen zu steigern.“ Wie die Freilassung eines mutmaßlichen Verbrechers mit Ausreisepflicht zu diesem „konsequenten Handeln“ passen soll, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. Wer nun wo einen Abschiebehaftbefehl beantragt hat und warum die eine Behörde behauptet, es seien keine Plätze frei gewesen, die andere angibt, es habe durchaus Haftplätze gegeben, und eine dritte schließlich vorbringt, es habe überhaupt niemand nach einem Haftplatz gefragt, bleibt schleierhaft.

Und wo ist nun der freigelassene und auch sechs Jahre nach der Tat nicht abgeurteilte Angeklagte? Dazu teilt der Landkreis Rostock auf Nachfrage der Redaktion mit, dass „der derzeitige Aufenthalt des Mannes unbekannt ist“.

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