Mülheim. Um ihren blinden Hund zu retten, springt eine Mülheimerin (75) in die Ruhr. Sie erlebt Hilfe von allen Seiten, doch ein Taxiunternehmen lehnt ab.
Ihre Erkältung ist nicht schlimmer geworden - ein Glück. Ihre kleine Hündin hat den Sturz in den kalten Fluss überlebt - ein Segen. Doch der Schrecken und der Stress stecken Ursula Hartmann immer noch tief in den Knochen. Wortreich und aufgeregt erzählt die 75-Jährige, was am vergangenen Freitag an der Ruhr in Mülheim passiert ist.
Dann stockt ihre Stimme. Sie weint fast. „Unglaublich, wie die Menschen mir geholfen haben. Mein Hund wäre fast ertrunken.“
Fast blinde Hündin fällt am Mülheimer Wasserbahnhof in die Ruhr
Die Lhasa-Apso-Hündin heißt Tara, ist 15 Jahre alt und schwerbehindert, seit ihr vor einigen Monaten ein Auge entfernt werden musste. „Sie ist blind und hört auch nicht mehr richtig“, sagt Ursula Hartmann. „Ich muss wirklich schreien.“ An der Leine läuft Tara orientierungslos im Zick-Zack, daher fährt Frauchen sie häufig im Buggy spazieren.
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So auch Freitagmittag an der Ruhr, am Mülheimer Wasserbahnhof, wo die Weiße Flotte anlegt. Es war gegen 14 Uhr. Tara sei unruhig geworden, berichtet die Mülheimerin, wurde auf den Boden gesetzt, sei jedoch losgelaufen, ehe sie das Ende der Leine zu fassen bekam. „Ich habe hinter ihr her gerufen: ,Tara! Tara!‘ Aber sie ist ja fast taub.“ Tara plumpste über die Spundwand ins Wasser.
75-Jährige springt hinterher - ruft um Hilfe
„Ich hab‘ gar nicht überlegt“, sagt Ursula Hartmann, „bin direkt reingesprungen und habe versucht, mit einer Hand den Kopf des Hundes über Wasser zu halten.“ Sie sprang in kompletter Kleidung - Jeans, T-Shirt, Strickjacke, Schuhe. Das Wetter war schön - „Gottseidank“. Viele Menschen waren draußen auf der Schleuseninsel.
Ursula Hartmann sagt, sie könne eigentlich recht gut schwimmen. Doch jetzt habe sie nur noch hektisch herumgepaddelt. Neben ihr die Hündin, völlig verwirrt. Vor ihr die Wand. Dass das Wasser nur 14 Grad hatte, habe sie gar nicht gemerkt. Heraus habe sie es nicht aus eigener Kraft geschafft. Ihre Hand rutschte immer wieder ab. Ihre Hilferufe habe zuerst eine Frau gehört, die sich über die Spundwand beugte. Ihr sprangen zwei Männer zur Seite. Sie hoben erst Tara aus der Ruhr, die nur 6,5 Kilo wiegt, dann zogen sie Ursula Hartmann heraus. An beiden Armen. Tropfnass. Unverletzt.
„Alle haben sich um mich gekümmert“
Die 75-Jährige ist auch Tage später noch überwältigt. „Alle haben sich sofort um mich gekümmert.“ Eine Frau reichte ihr einen trockenen Pullover. Jemand lief zum Haus Ruhrnatur, kam mit Handtüchern zurück.
Nun musste sie nur noch nach Hause kommen, nach Broich, auf die andere Seite der Ruhr. Sie bat eine Dame, ein Taxi zu rufen, bei einem Mülheimer Unternehmen. Die Dame bekam jedoch eine Absage: Durchnässte Personen könne man leider nicht transportieren. Letztlich wählte jemand die 112.
Rettungswagen-Team fuhr die Mülheimerin nach Hause
Die Rettungswagen-Besatzung, ein Mann und eine Frau, seien, „sehr, sehr nett“ gewesen, berichtet Ursula Hartmann. Die 75-Jährige wurde in Augenschein genommen. „Sie sagten, gesundheitlich besteht keine Gefahr. Aber sie würden mich nach Hause fahren. Das sei Dienst am Bürger.“ Die Mülheimer Feuerwehr bestätigt auf Anfrage, dass es am frühen Freitagnachmittag an der Ruhr einen Rettungswageneinsatz gab und eine Transportfahrt, die nicht in Rechnung gestellt worden sei.
Ursula Hartmann konnte endlich die nassen Sachen ausziehen, warm duschen, sich um Tara kümmern. Sie könnte jetzt, einige Tage nach der Rettungsaktion, einfach nur glücklich sein. Doch etwas belastet sie: „Ich habe vergessen, in die Runde zu rufen: ,Herzlichen Dank an alle!‘ Die Hilfsbereitschaft war sagenhaft.“
Hilfsbereitschaft „sagenhaft“ - außer in der Taxizentrale
Außer beim Taxiunternehmen, das unter anderem Krankentransportfahrten explizit anbietet und im großen Stil durchführt. Warum wird eine Frau mit kleinem Hund, die gerade aus der kalten Ruhr gerettet wurden, nicht heimgebracht? „Bei Regenwetter müssen sie doch auch Leute transportieren“, meint Ursula Hartmann.
Auf Anfrage dieser Redaktion nimmt der Chef des Taxiunternehmens offen zu dem Vorfall Stellung. Er sagt: „Wir können und dürfen Fahrten ablehnen, die nicht mit einem Taxi befördert werden können. Hier war die Besonderheit, dass die Dame aufgrund des Vorfalls nass war und der Hund ebenfalls.“ Da sie oft alte, teils schwerkranke Menschen transportierten, müssten hygienische Standards eingehalten werden.
Mülheimer Taxiunternehmen will Plastikplanen für Notfälle anschaffen
„Im Personenbeförderungsgesetz und in unseren Beförderungsbedingungen sind bestimmte Dinge festgeschrieben. Daran müssen wir uns halten, auch wenn es für Menschen nicht immer nachvollziehbar ist.“ In Notfällen, so der Taxiunternehmer weiter, sollte unbedingt ein Krankentransportwagen gerufen werden, „um schnelle und angemessene Hilfe zu erhalten“.
Auf eine Ausnahmesituation wie jetzt an der Ruhr sei seine Firma nicht vorbereitet gewesen. „Wir nehmen es aber gerne als Anregung auf, künftig Plastikplanen für Notfälle anzuschaffen und bereit zu halten.“
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