Münster/Mülheim. Paukenschlag-Urteil des OVG: Der Bereitschaftsdienst auch von Feuerwehr-Führungskräften ist voll anzurechnen. Auf Mülheim kommen hohe Kosten zu.
Es ist ein Urteil mit einem Paukenschlag, das das Oberverwaltungsgericht Münster nun gefällt hat: Auch die rund 40 Führungskräfte der Mülheimer Feuerwehr haben Anspruch auf eine Entschädigung für ihren Bereitschaftsdienst. Das Urteil ist einige Millionen Euro schwer.
Sämtliche bei der Stadt Mülheim beschäftigten Feuerwehrleute müssen Entschädigung für geleistete Alarmbereitschaftszeiten erhalten, soweit diese über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinausgingen, gab das Oberverwaltungsgericht (OVG) am Freitag bekannt. Dies hat das Gericht nach eigenen Angaben bereits am 30. September als Urteil in zwei Musterprozessen entschieden und an diesem Freitag den Prozessbeteiligten bekannt gegeben.
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Bereitschaftsdienst in Mülheim: Feuerwehrleute müssen im Umkreis der Schloßbrücke bleiben
In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Entschädigungsklagen der Feuerwehrleute aus dem „Direktions- und Hintergrunddienst“, sozusagen dem Führungsstab bei Einsätzen, noch abgewiesen. Doch der OVG-Senat wertete die Sache nun anders: Die geleisteten Alarmbereitschaftszeiten seien in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der europarechtlichen Vorgaben einzustufen. Die Alarmbereitschaftszeiten seien 24-Stunden-Dienste. Den Feuerwehrleuten werde dabei zwar kein bestimmter Aufenthaltsort vorgegeben, sie dürften sich aber nur in einem Radius von zwölf Kilometern um die Mülheimer Schloßbrücke bewegen und müssten im Alarmierungsfall „sofort“ mit dem Dienstfahrzeug ausrücken.
Dabei, so das Gericht, sei unter „sofort“ eine Zeitspanne von maximal 90 Sekunden zu verstehen. Die Einstufung als Arbeitszeit begründe sich im Wesentlichen aus den gravierenden Einschränkungen für die Zeitgestaltung der Kläger während der Dienste, die aus dieser kurzen Reaktionszeit resultierten. Durch die Einstufung der Alarmbereitschaftszeiten als Arbeitszeit überstieg die Arbeitszeit der Kläger in langen Zeiträumen (September 2013 bis Oktober 2023 bzw. Februar 2019 bis Ende 2023) regelmäßig die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden.
Stadt Mülheim kann keinen Freizeitausgleich gewähren - und muss nun zahlen
Im Umfang dieser Überschreitung steht den Klägern nun eine Entschädigung zu, urteilte das OVG. Der zunächst auf die Gewährung von Freizeitausgleich gerichtete Anspruch habe sich gar in einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung umgewandelt, da die Stadt Mülheim sich außer Lage sehe, rückwirkend einen Freizeitausgleich zu gewähren. Die Entschädigung berechne sich nach den Stundensätzen der Mehrarbeitsvergütungsverordnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Stadt Mülheim allerdings noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen.
Mülheims Feuerwehrkräfte sind gebeutelt: Stadt verweigert ihnen schon lange mehr Geld
Mülheims Retter sind seit etlichen Jahren gebeutelt, was ihre Bezahlung gemäß der europäischen Arbeitszeitrichtlinien angeht. Diese schreiben eigentlich schon seit 2001 vor, dass der von Feuerwehrleuten in Schichtarbeit geleistete Bereitschaftsdienst als vollwertige Arbeitszeit anzusehen ist. Vor gut zehn Jahren zahlte die Stadt 201 Beschäftigten schon einmal einen Millionenbetrag nach, um möglichen Klagen aus dem Weg zu gehen.
Offensichtlich hat sie daraus nicht die richtigen Schlüsse gezogen und wird nun noch einmal kräftig zur Kasse gebeten, weil sie auch Beamten aus dem Führungsstab Bereitschaftsdienste voll anzurechnen hat. Der Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung, Dirk Neubner, sagte am Freitag, dass bis zu 40 Feuerwehr-Beschäftigte mit jenen Direktions- und Hintergrunddiensten betraut seien, für die das OVG nun klargestellt hat, dass es keine Mehrarbeit zum Nulltarif geben darf.
Mülheims Personalratschef: Feuerwehr-Organisation ist anzupassen
Neubner begrüßte das Urteil ausdrücklich. Der Personalrat selbst habe die Klagen von Anfang an unterstützt, weil die betreffenden Kolleginnen und Kolleginnen durch die nicht angerechnete Bereitschaft über das Maß belastet gewesen seien. Der Personalratschef fordert als Folge des Urteils nun, dass die Berufsfeuerwehr „organisatorisch und konzeptionell so aufgestellt wird, dass solche Arbeitszeiten gar nicht erst entstehen, um die Kolleginnen und Kollegen vor der Belastung zu schützen“. Im Großen und Ganzen, wenn auch nicht immer, gelinge dies bei den anderen Feuerwehrkräften durch einen Freizeitausgleich.
Die Mülheimer Dezernentin Anja Franke, gleichsam für Personal, Feuerwehr und Rechtsangelegenheiten in der Verwaltung zuständig, bestätigte, dass das Münsteraner Urteil Auswirkungen für circa 40 Beschäftigte bei der Feuerwehr habe. Die Stadt habe in Kenntnis der Klagen bereits Rückstellungen in den Jahresabschlüssen gebildet. „Insgesamt ist der Streitwert aktuell mit rund vier Millionen Euro zu beziffern“, so Franke mit Blick auf die Zeit ab 2013, die Gegenstand der Klagen war.
Stadt Mülheim will noch prüfen, ob sie weiteren Rechtsweg beschreitet
Franke wies darauf hin, dass die geleistete Alarmbereitschaftszeit von der Stadt bislang nur zu einem Viertel vergütet worden sei. Da das OVG nun der Ansicht ist, dass diese Zeiten voll als Arbeitszeit berücksichtigt werden müssen, könnte das laut Franke in der Konsequenz bedeuten, dass sich nachträglich große Arbeitszeitguthaben für die betroffenen Feuerwehrbeschäftigten ergeben. „Die Entscheidung, ob wir den weiteren Rechtsweg beschreiten, hängt von der Urteilsbegründung ab, die wir zeitnah auswerten werden“, so die Rechtsdezernentin.
(Aktenzeichen OVG: 6 A 856/23 - erste Instanz: VG Düsseldorf 26 K 757/21) sowie (Aktenzeichen OVG: 6 A 857/23 - erste Instanz: VG Düsseldorf 26 K 787/21)
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