Mülheim. Wir blicken zurück auf einen spektakulären Polizeieinsatz im Jahr 1957. Er gab es wilden Rock‘n‘Roll auf Mülheims Rummel, dann einen Großeinsatz.

Es ist der 9. Juli 1957, als auf dem Saarner Kirmesplatz das Unglaubliche geschieht: Ein Fahrgeschäft bricht ein und begräbt Dutzende Menschen unter sich. 90 Menschen werden verletzt, viele von ihnen schwer.

Sie alle waren an jenem Dienstag auf die Kirmes gekommen, um Spaß zu haben. Der Rummel war bestens besucht, an diesem Abend lockte sogar eine besondere Attraktion: ein Rock-and-Roll-Preistanzen auf dem Teufelsrad.

Der Schausteller will den Mülheimern etwas Besonderes bieten

Diese traditionelle Jahrmarkt-Attraktion ist eine Art riesiges Festzelt aus Balken und Planen, in dessen Mitte sich eine Plattform dreht. Ziel ist es, sich auf der rotierenden Platte zu halten, während der Gleichgewichtssinn aller Beteiligten ordentlich herausgefordert wird und die Fliehkräfte an ihnen ziehen. Rund um die Plattform reihen sich kreisförmige Tribünen auf.

Der Schausteller, der das Teufelsrad betreibt, will den Besuchern in Saarn mit dem Preistanzen eine ganz besondere Attraktion bieten. Es findet auf der Fläche statt, auf der sich sonst die Plattform dreht. Die Idee kommt bestens an. Immer mehr junge Menschen drängen auf die Fläche. Jeder will dabei sein. Am späten Abend sind das Teufelsrad selbst und die dazugehörigen Tribünen mit 700 bis 800 Menschen besetzt. Immer mehr und mehr Menschen drängen ins Zelt.

Plötzlich setzt Panik ein

Gegen 22 Uhr ist die Belastung der Holz- und Stahlkonstruktion schließlich so groß, dass die Tribüne auf einer Seite zusammenbricht und zahlreiche Menschen unter sich begräbt. Zahlreiche weitere geraten in Panik, drängen auf die andere Seite des Fahrgeschäftes bis sich dort viel zu viele Menschen aneinander schieben.

Unter dem massiven Gewicht bricht schließlich auch diese Seite des Teufelsrads ein. Noch mehr Menschen stürzen ab, klemmen unter schweren Hölzern ein oder werden von Brettern und Planen verschüttet.

Mülheimer Rettungskräfte kommen nur schwer durch

Bei Polizei und Feuerwehr stehen die Telefone nicht mehr still. Doch für die entsandten Krankenwagen und Funkstreifen gibt es aufgrund der vielen Kirmesbesucher kaum ein Durchkommen. Sechs Krankenwagen, vier Streifenwagen und ein Mannschaftswagen der Polizei sind nun pausenlos im Einsatz, um Verletzte zu den beiden Mülheimer Krankenhäusern zu fahren.

Überall werden Tragbahren mit Unfallopfern über den Platz getragen. Die Zahl der Schwer- und Leichtverletzten steigt ständig. Zum Schluss werden mehr als 90 Verletzte gezählt. Bei rund 60 von ihnen sind die Verwundungen so schwer, dass sie in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen.

Ärzte aus der Nachbarschaft helfen, wo sie können

Noch vor dem Eintreffen der ersten Rettungswagen eilen bereits zwei Saarner Ärzte, die in der Nähe des Kirmesplatzes wohnen, zum Unglücksort und leisten Erste Hilfe, wo es nur geht. Ärzte, Schwestern und Pfleger in den Krankenhäusern wissen bei den zahlreichen Einlieferungen kaum, wen sie zuerst behandeln sollen. Wie durch ein Wunder hat keiner der jungen Tänzerinnen und Tänzern unter den Trümmern den Tod gefunden.

Am 11. Juli 1957, also zwei Tage nach dem Unglück, kam bereits die Sabotage-Frage auf. Hier zu sehen: die Berichterstattung der Mülheimer Zeitung an dem Tag.
Am 11. Juli 1957, also zwei Tage nach dem Unglück, kam bereits die Sabotage-Frage auf. Hier zu sehen: die Berichterstattung der Mülheimer Zeitung an dem Tag. © Michael Dahlke | FUNKE Foto Services

Verzweifelte Eltern eilen zum Unfallort, um ihre Kinder zu suchen, Männer suchen ihre vermissten Frauen. Um einen weiteren Zustrom Neugieriger zum Unfallort zu vermeiden, starten die Veranstalter der Kirmes ein großes Feuerwerk, um die Aufmerksamkeit der Menschen von dem Unglück abzulenken.

Innenminister ist zufällig in Mülheim

Der Zufall will, dass sich auch der amtierende Bundesinnenminister Dr. Gerhard Schröder – nicht zu verwechseln mit dem späteren Bundeskanzler – vor Ort ein Bild von dem schweren Unglück machen kann. Er hatte zuvor in Mülheim vor der CDU-Mittelstandsvereinigung gesprochen.

Während die Schwerverletzten in den Kliniken versorgt werden, nimmt die Polizei die Ermittlungen auf und schreibt eine Strafanzeige. Schließlich steht fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil zahlreicher Menschen im Raum. Das Verfahren richtet sich gegen den Besitzer des Fahrgeschäfts.

Schausteller sprechen von „Sabotage“ durch „junge Burschen“

Im Rahmen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen äußern die Angestellten des Teufelrads den Verdacht, dass Sabotage zum Zusammenbruch der riesigen Konstruktion geführt haben dürfte. Dem Unglück war „eine in Tätlichkeit ausartende Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe junger Burschen und dem Personal“ vorausgegangen.

Die Bolzen der Konstruktion dürften von den Randalierern gelöst worden sein, so die Vermutung der Schausteller. Die Teile des Teufelsrads wird schließlich von der Kripo beschlagnahmt, um die Unglücksursache genau untersuchen zu können.

Zwei Jahre nach dem Mülheimer Unglück beginnt der Prozess

Mehr als zwei Jahre soll es dauern, bis der Prozess vor dem erweiterten Schöffengericht in Mülheim beginnt. Angeklagt sind der Betreiber des Teufelsrads sowie ein Ingenieur, der den ordnungsgemäßen Zustand überprüfen sollte. 22 Zeugen sind vorgeladen.

Letztlich wird festgestellt: Das Fahrgeschäft war nicht in Ordnung. Hölzer waren zum Teil verrrottet und an vielen Stellen fehlten Verbindungsteile an dem bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gebauten Riesenkarussell. Mangelnde Sorgfalt hatte viele Menschen in Lebensgefahr gebracht.

Mehr über Polizeieinsätze in Mülheim:

Bleiben Sie in Mülheim auf dem Laufenden!

>> Alle Nachrichten aus Mülheim lesen Sie hier. +++ Abonnieren Sie kostenlos unseren Newsletter per Mail oder Whatsapp! +++ Hier kommen Sie zu unseren Schwerpunktseiten Wohnen, Gastronomie, Handel/Einkaufen und Blaulicht. +++ Zu unserem Freizeitkalender geht es hier. Legen Sie sich doch einen Favoriten-Link an, um kein Event zu verpassen! +++ Lokale Nachrichten direkt auf dem Smartphone: Laden Sie sich unsere News-App herunter (Android-VersionApple-Version).