Mülheim. Wir blicken zurück auf ein Verbrechen, das Mülheim im April 1963 erschütterte. Ein kleines Mädchen wurde in einer Notunterkunft ermordet.

Eines der skrupellosesten Verbrechen, die Mülheim nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat, dürfte der Mord an der sechsjährigen Manuela Fiedler im April 1963 gewesen sein.

Gleichermaßen erschütternd waren damals der Tod des kleinen Mädchens wie auch der Hintergrund seiner beiden Mörder.

Kleines Mädchen starb in Mülheimer Notunterkunft

„Sechsjährige Manuela lag in Notunterkunft erdrosselt im Bettchen“, titelte die Mülheimer Zeitung am Tag nach dem Fund des toten Kindes. Die Notunterkunft, um die es hier ging, war die ehemalige Infanteriekaserne an der Kaiserstraße, die zunächst dem Militär, in der Nazi-Zeit der kasernierten Polizei und erst nach dem Krieg der Unterbringung Wohnungsloser gedient hatte.

Später, in den 1970er Jahren, wurde die großflächige Liegenschaft schließlich abgerissen. Heute befinden sich an dieser Stelle verschiedene Sportstätten, etwa das Mülheimer Südbad.

Mit kleiner Tochter aus der sowjetischen Besatzungszone geflüchtet

In Block 7 der Kaserne lag die Notwohnung der Eheleute Fiedler und des Kindes von Gisela Fiedler. Das Paar hatte erst ein Jahr zuvor geheiratet. Manuela stammte aus der ersten Ehe von Gisela Fiedler, die in der Sowjetzone gelebt hatte.

Ohne ihren ersten Mann, nur mit Manuela, flüchtete sie schließlich in den Westen, kurz bevor die Zonengrenze zwischen Ost- und Westdeutschland vom DDR-Regime undurchdringlich gemacht wurde. Die Flucht führte die junge Frau und ihr Kind zunächst in ein Übergangslager in Wesel, wo sie ihren neuen Mann, Paul Schuboth, kennenlernte.

Mutter und Stiefvater gingen abends in eine Kneipe

Am 16. April hatte sich Folgendes zugetragen. Manuelas Mutter und ihr Mann verließen gegen 20 Uhr die Wohnung, um in einer Gastwirtschaft zu zechen. Sie löschten das Licht und ließen die schlafende Sechsjährige in ihrem Bett zurück.

Kurz nach Mitternacht kehrte das Paar nach Hause zurück und wunderte sich, dass nun Licht in der kleinen Wohnung brannte. Frau Fiedler schaute sogleich ins Bett ihres Kindes, das hinter einer Holzwand etwas verdeckt stand. Was sie hinter der Wand sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Puppen lagen neben dem toten Mädchen im Bett

Die kleine Manuela lag tot, mit einem Strick um den Hals, auf der Matratze. Neben ihr lagen ihre beiden Puppen. Manuela hielt mit der linken Hand das Ende der Kordel, die um ihren Hals geknotet war. Hatte sich das Kind unglücklich stranguliert, oder war sie Opfer eines Mordes geworden?

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Zeugen für die Tat gab es zunächst nicht, weil die Nachbarn, deren Wohnung nur durch eine dünne, noch nicht einmal bis zur Decke reichende Holzwand von der Fiedler-Wohnung getrennt war, auf Reisen waren.

Obduktion der Leiche brachte eindeutiges Ergebnis

Paul Schuboth verständigte sofort die Polizei, die die Ermittlungen aufnahm, um zu klären, ob das Kind durch einen unglücklichen Unfall oder ein Gewaltverbrechen gestorben war. Klarheit sollte die Obduktion der Leiche bringen. Das Ergebnis stand schnell fest: Es lag eine Gewalttat durch fremde Hand vor.

Die Klärung der Tat sollte nicht allzu lange dauern. Nur drei Tage nach dem Leichenfund konnte der 20 Jahre alte Eckhardt Kuhlow als Täter ermittelt werden. Nachdem er in Verdacht geraten war, war sein Widerstand nach einer mehrstündigen Vernehmung durch die Kripo schließlich gebrochen. Genau schilderte er den Beamten das Verbrechen.

Ein Freund sollte das Kind umbringen

Kuhlow stammte genauso wie die Mutter und der Stiefvater des Opfers aus der Sowjetzone, war von dort geflohen und hatte sich schon Jahre zuvor mit Paul Schuboth angefreundet. Schon Monate vor der Tat hatte Schuboth, in dessen Ehe es Probleme gab, ihn gebeten, das Kind umzubringen, da es ihm lästig war. Er hatte von Schuboth einen Schlüssel für die Wohnung bekommen, und man verabredete, dass die Tat an besagtem Abend um 21 Uhr begangen werden sollte

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Der Täter wusste, dass zu dieser Zeit weder das Ehepaar noch die Nachbarn zu Hause sein würden. Er schlich sich in die Wohnung und sprach das Kind an, das aber tief und fest schlief. Dann legte er der Kleinen eine Kordel um den Hals und zog zu, bis sie tot war. Danach verließ er den Raum und schaute sich nicht mehr um, da ihm selber davor grauste, das tote Kind noch einmal zu sehen. Er hatte der leblosen Manuela zuvor noch das Ende der Kordel in die Hand gedrückt, damit es nach einem Spielunfall aussah.

Alibi: Mörder besorgte sich eine Kinokarte

Um nicht als Täter überführt zu werden, verschaffte er sich ein scheinbar perfektes Alibi. Er besorgte sich eine Kino-Karte für die Abendvorstellung des Films „Die drei Musketiere der Meere“ und entwertete diese selbst. Zuvor hatte er sich den Film bereits in der Nachmittagsvorstellung angeschaut, um den Inhalt für den Fall der Fälle wiedergeben zu können.

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Und so kam es dann auch. Als er bei der Polizei in Verdacht geriet, konnte er das Filmgeschehen hervorragend wiedergeben. Nach der Abendvorstellung war er gleich ins Kolping-Haus, wo er wohnte, zurückgegangen, um dort gesehen zu werden. Die Vernehmung durch die Mülheimer Kriminalpolizei war jedoch aufgrund von Ungereimtheiten so intensiv, dass sein Widerstand brach und er den Mord schließlich zugab. Bei seiner Aussage vergoss er keine Träne.

Kind sollte eigentlich an Stromschlag sterben - Experiment mit Hamster

Kuhlow und Schuboth wurden umgehend verhaftet. Bei weiteren Vernehmungen stellte sich heraus, dass das Kind nach dem ursprünglichen Plan mit Strom getötet werden sollte. Damit es nach einem Unfall aussah, hatten die beiden Männer sich in der Stadtbibliothek getroffen, in Elektrofachbüchern gelesen und herausgefunden, dass man einen Stromschlag von 100 bis 1000 Volt brauchte, um einen Menschen zu töten.

Die Polizei hatte bei Schuboth auch ein Notizbuch mit entsprechenden Aufzeichnungen gefunden. Der Mörder und sein Anstifter hatten sogar in einem Waschbecken mit einem Hamster und einem Elektrokabel experimentiert, um die Wirkung des Stroms zu testen. Beim Tier habe der Stromschlag aber keine Wirkung gezeigt, sodass man diese Tötungsart verworfen habe.

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Nach längerem Leugnen legte auch Schuboth eine Woche später ein Geständnis ab. Der Tatlohn sollten 160 D-Mark gewesen sein, die Kuhlow Schuboth geschuldet habe. Die Schulden sollten nach dem Mord gestrichen werden.

Vor Gericht widerrief Schuboth sein Geständnis wieder und schob die Tat einzig und alleine seinem jüngeren Freund in die Schuhe. Das Gericht schenkte ihm aber keinen Glauben. Kuhlow wurde für zehn Jahre Jugendstrafe hinter Gitter geschickt. Für den mörderischen Stiefvater gab es vor dem Duisburger Schwurgericht lebenslanges Zuchthaus und den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit.

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