Mülheim. Wie ist es um Substanz Mülheimer Brücken bestellt? Diese Frage stellt sich nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden. Eine Übersicht.

96 Brückenbauwerke hat alleine die Stadt in Mülheim zu unterhalten. Hinzu kommen private Brücken sowie Brücken der Bahn oder auf Bundes- und Landesstraßen. Das Bild zeigt den Neubau der Thyssenbrücke in Styrum im Jahr 2018.
96 Brückenbauwerke hat alleine die Stadt in Mülheim zu unterhalten. Hinzu kommen private Brücken sowie Brücken der Bahn oder auf Bundes- und Landesstraßen. Das Bild zeigt den Neubau der Thyssenbrücke in Styrum im Jahr 2018. © FUNKE Foto Services | Herbert Höltgen

Der Einsturz der Dresdner Carolabrücke hat erneut die Debatte über den Sanierungsstau und Mängel in Deutschlands Verkehrsinfrastruktur angeheizt. Weit mehr als 100 Brücken gibt es auch in Mülheim. Wie ist deren Zustand?

Insbesondere die Styrumer werden leidgeplagt an die langen Jahre nach Juli 2013 zurückdenken, als die marode alte Thyssenbrücke mit Verkehrsbeschränkungen belegt wurde, weil deren Standsicherheit nicht mehr gegeben war. Zu lange hatte die klamme Stadt Mülheim die Notwendigkeit eines Neubaus vor sich hergeschoben, sodass die Brücke für etliche Jahre wechselweise nur von einer Seite aus befahren werden durfte, von Lkw ab 7,5 Tonnen gar nicht mehr.

Stadt Mülheim sieht aktuell nirgends akute Nöte mit dem Zustand der Brücken

Derartige Mängel und Missbewirtschaftung von Verkehrsinfrastruktur sind in den vergangenen Jahren deutschlandweit keine außergewöhnliche Nachricht mehr. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat die Debatte neu angefacht. Allein die Stadtverwaltung hat in Mülheim die Unterhaltungspflicht für 96 Brückenbauwerke. Wie ist ihr Zustand? Wo ist Sanierungsbedarf absehbar?

Erst vor wenigen Jahren neu gebaut, deswegen kein Sorgenkind der Stadt Mülheim: die Thyssenbrücke in Styrum.
Erst vor wenigen Jahren neu gebaut, deswegen kein Sorgenkind der Stadt Mülheim: die Thyssenbrücke in Styrum. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Im Amt für Verkehrswesen und Tiefbau sehen die Fachleute aktuell keinen akuten Grund zur Sorge. „Der größte Teil der Mülheimer Brücken zeigt einen befriedigenden bis ausreichenden Zustand“, heißt es dort mit Verweis auf die Klassifizierung, nach der Brücken mit einer Benotung zwischen 2,0 und 2,4 einen befriedigenden und mit 2,5 bis 2,9 einen ausreichenden Zustand aufweisen. Keine der Mülheimer Brücken befinde sich in einem schlechteren Zustand, die in den vergangenen Jahren neu gebauten Brücken seien besser als 2,0 bewertet, folglich in einem guten bis sehr guten Zustand.

Prüfberichte für Brücken sind einheitlich reglementiert - öffentlich einsehbar sind sie nicht

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Regelmäßig sind Brückenbauwerke auf Schäden zu prüfen, neben kleineren Prüfungen zwischendurch steht alle sechs Jahre eine Hauptprüfung an. Nach Unwetter, Hochwasser oder einem Unfall können auch Sonderprüfungen nötig werden.

Die Bauwerksprüfungen werden laut Tiefbauamt gemäß einer DIN-Norm vorgenommen. Selbst ist dabei reglementiert, wie Schäden zu erfassen und Mängel zu dokumentieren sind. „Dabei wird jeder Schaden am Ingenieurbauwerk in Bezug auf das Bauteilversagen (Standsicherheit), die planmäßige Nutzung (Verkehrssicherheit) und die fortschreitende Schädigung (Dauerhaftigkeit) mit einer Gesamtzustandsnote von ,sehr gut‘ bis ,ungenügend‘ bewertet“, heißt es. Überraschend: Die Prüfberichte sind nicht öffentlich zugänglich.

Kassenberg bis Spiralweg: Wo die Stadt Mülheim Brücken saniert

Die Richtlinie der DIN-Norm geht so weit vorzuschreiben, welche Maßnahmen zur Instandhaltung der Brücken je nach Zustandsnote kurz- bis mittelfristig zu ergreifen sind. So wird Mülheims Tiefbauamt Jahr für Jahr auch tätig. Für dieses Jahr eingeplant war etwa eine Kolkverfüllung an der Kassenbergbrücke. An der Brücke über das Folkenborntal war der Überbau zu erneuern, an der Bergstraße der Beton instand zu setzen, am Spiralweg der Belag der dortigen Brücke zu erneuern.

Für 2025 sind ebenso schon zahlreiche Brückenbaustellen geplant. An der Schloßbrücke ist etwa der Korrosionsschutz am Fahrbahnübergang und am Lager zu erneuern, für die große Konrad-Adenauer-Brücke steht eine Betoninstandsetzung an.

2025 wird es unter anderem einen Brücken-Neubau in Mülheim-Styrum geben

Manchmal helfen auch nur noch Abriss und Neubau: Das steht im kommenden Jahr ab April und unter Vollsperrung an der Hauskampstraße in Styrum an, wo zwischen Thyssenbrücke und Moritzstraße die alte Einfeld–Stahltrogfachwerkbrücke zu ersetzen ist, was samt Straßensanierung mehr als vier Millionen Euro kosten wird. Die Brücke dort hat ihre rechnerische Lebensdauer von 70 Jahren laut Stadtverwaltung bereits seit sieben Jahren überschritten.

Brückenarbeiten sind in 2025 ferner an der Scheffelstraße (Eppinghofen), am Mühlenbach (Dümpten), am Winkhauser Talweg (Eppinghofen), am Blötter Weg und an der Saarner Straße (Speldorf) in Planung. Bis 2026 muss zudem eine Entscheidung fallen, ob die Stadt eine Brücke an der Eppinghofer Straße noch sanieren will oder abreißt und neu bauen lässt.

Nicht nur die Stadt hat Brückenbauwerke in Mülheim in ihrer Verantwortung. Neben privaten Unternehmen oder der Deutschen Bahn sind auch der Landesstraßenbaubetrieb Straßen.NRW und die Autobahn-Gesellschaft des Bundes unterhaltungspflichtige Eigentümer. Während bei der Autobahn GmbH ja schon seit Jahren etwa ein Neubau der mächtigen Ruhrtalbrücke der A52 geplant wird, ist die Gesellschaft aktuell eine Antwort schuldig geblieben auf die Frage, wie es um den Zustand weiterer Autobahnbrücken steht.

An der A40 sind mittelfristig auf jeden Fall große Brückenbaustellen zu erwarten, wenn die Autobahn dort auf drei Spuren je Fahrtrichtung ausgebaut wird. Im Ausbauabschnitt sind 14 Brückenbauwerke verortet, gleich mehrere große sollen abgerissen und neu gebaut werden: die 201 Meter lange Brücke über den Ruhrschifffahrtskanal, die sogar 477 Meter messende Ruhrbrücke (Raffelbergbrücke) und die Brücke über die Mellinghofer Straße in Dümpten (36 Meter).

Brücken an Mülheims Raffelberg: Straßen.NRW bewertet Zustand aktuell neu

Ruhr, Schleuse, Kanal, Untergraben vom Kraftwerk: Am Mülheimer Raffelberg reiht sich Brückenbauwerk an Brückenbauwerk. Es könnten bald größere Baumaßnahmen nötig werden.
Ruhr, Schleuse, Kanal, Untergraben vom Kraftwerk: Am Mülheimer Raffelberg reiht sich Brückenbauwerk an Brückenbauwerk. Es könnten bald größere Baumaßnahmen nötig werden. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

„Straßen.NRW“ unterhält in Mülheim sechs Brücken, zwei an der B1 und vier an der L140 (Raffelbergbrücke). Während der Betrieb aktuell keine Notwendigkeit für Sanierungen an der B1 sieht, stehen die Bauwerke am Raffelberg im Fokus, weil ihr Zustand mitunter nah dran ist an der Note „mangelhaft“. Sämtliche Brücken dort befänden sich zurzeit in einer Neubewertung, heißt es. Sei dies abgeschlossen, werde man schauen müssen, welche Erhaltungsmaßnahmen nötig seien.

Im Februar 2023 hat das Landesbauministerium zuletzt die Bewertung aller 6422 Brücken in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht, für deren Zustand das Land verantwortlich ist. Damals hieß es, dass mehr als jede 50. Brücke an Bundesstraßen in nicht mehr akzeptablem Zustand sei und gar jede 22. Brücke auf Landstraßen. Das Land hat eine Sanierungsoffensive aufgerufen, binnen zehn Jahren sollen 400 Brücken neu gebaut werden.

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