Mülheim. In Mülheim war ein Mann wegen Vergewaltigung angeklagt, sollte in Abschiebehaft. Doch er verließ den Saal als freier Mann. Wie das möglich ist.

Gleich zwei überraschende Kehrtwenden innerhalb weniger Stunden hat ein Vergewaltigungsprozess diese Woche vor dem Mülheimer Schöffengericht genommen.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Duisburg soll ein damals 30-jähriger Mann aus Ghana in Mülheim 2018 ein junges Mädchen vergewaltigt haben. Der Mann sollte ein Verhältnis mit einer 16-jährigen Deutschen, die er selbst gegenüber der Polizei auch als seine „Lebensgefährtin“ bezeichnet hatte, eingegangen sein. Ende November 2018 habe man sich dann in einer Wohnung in der Engelbertusstraße am Rande der Innenstadt schlafen gelegt. Als die junge Frau eingeschlafen sei, sei der Mann mit seinem Geschlechtsteil in die Schlafende eingedrungen. Als sie davon wach wurde, habe sie sich dagegen widersetzt. Er habe aber dennoch mit Gewalt den Beischlaf vollziehen können.

DNA-Analyse des Mülheimers dauerte ein Jahr

Dass der Mann sich dem Strafverfahren so lange entziehen konnte, habe zum einen daran gelegen, dass es etwa ein Jahr gedauert habe, bis vom Landeskriminalamt das Ergebnis einer DNA-Analyse kam, aus der sich ergeben habe, dass er mit der Geschädigten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Zum anderen sei er der Mann aus Mülheim verschwunden und längere Zeit untergetaucht. Erst Anfang dieses Jahres habe man ihn aufgrund eines Untersuchungshaftbefehls, der gegen ihn erlassen worden war, endlich finden und festnehmen können.

Ein vorheriger Versuch, den Prozess gegen den Ghanaer zu führen, sei vor einigen Monaten gescheitert, weil das Tatopfer trotz Ladung nicht vor Gericht erschienen sei. Also wurde der jetzige Termin festgesetzt. Der Angeklagte war dafür eigens mit einem Gefängnistransporter aus Köln nach Mülheim zum Amtsgericht gebracht worden. Wer wieder nicht vor Gericht erschien, war die junge Frau, deren Aussage nach Einschätzung der Richterin Claudia Lubenau unentbehrlich war. „Bei einem so schwerwiegenden Vorwurf, der dem Angeklagten gemacht wird, können wir uns nicht mit der Verlesung eines sechs Jahre alten Vernehmungsprotokolls begnügen.“

Mülheimer war vor Jahren abgetaucht

Eine Fortführung des Prozesses war nun – so die Richterin – durch die lange Untersuchungshaft des verdächtigten Ghanaers in Gefahr. Da Untersuchungshaft auf sechs Monate begrenzt ist und nur im äußersten Notfall unter Voraussetzungen, die hier nicht vorlagen, länger vollstreckt werden darf, diese sechs Monate aber so gut wie vorbei waren, wäre der Angeklagte freizulassen gewesen. Richterin Lubenau entschied daher im Einvernehmen mit ihren beiden Schöffen, dass in diesem Fall auch noch eine ausländerrechtliche Karte zu ziehen sei, da der Asylantrag des Mannes bereits 2018 abgelehnt worden und er damals zur Ausreise verpflichtet worden sei.

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Um die Ausreiseverfügung habe er sich aber nicht geschert und durch sein langes Untertauchen sei er für die Behörden nicht mehr greifbar gewesen – bis er nun 2024 festgenommen wurde. Die Mülheimer Richterin konnte über das Ausländeramt Rostock, das für den Mann zuständig war, telefonisch erwirken, dass in Rostock ein Abschiebehaftbefehl erwirkt wird, was in Mecklenburg-Vorpommern auch tatsächlich noch während der Verhandlung in die Tat umgesetzt wurde.

Ausländeramt Mülheim ließ Mann im Saal festnehmen

Das Gericht informierte daraufhin das Ausländeramt Mülheim, das zwei Beamten entsandte, um den Mann noch im Gerichtssaal mit dem Abschiebehaftbefehl festzunehmen. Tatsächlich fand die Festnahme an der Georgstraße auch statt, sodass der Strafprozess ausgesetzt und das Abschiebeverfahren in Gang gesetzt wurde. Der Mann, bei dem zuvor noch im Gerichtssaal ein großes Verwirrspiel um seine zahlreichen unterschiedlichen Personalien, die er überall bei den Behörden angegeben hatte, gegeben hatte, wurde schließlich von den Beamten der Stadtverwaltung abgeführt, um ihn in Abschiebehaft zu nehmen.

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Soweit schien also nun alles um den mutmaßlichen Vergewaltiger geregelt zu sein. Er hätte zwar in Deutschland mangels Verurteilung keine Strafe bekommen, wäre aber nach dem Plan der Behörden in ein Flugzeug gesetzt und nach Ghana abgeschoben worden. Laut dem Bundesinnenministerium ist Ghana einer von zwei afrikanischen Staaten, die als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, in denen rückgeführte Staatsbürger demnach nichts zu befürchten haben.

Aus der Abschiebehaft wurde dann allerdings nichts mehr, wie noch am selben Nachmittag von der Leiterin des Amtsgerichts, Richterin Galonska-Bracun, zu erfahren war: Der Mann, dem der Vorwurf eines schweren Verbrechens gemacht worden war, musste schließlich ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung in die Freiheit entlassen werden, da es in keiner Abschiebehaftanstalt einen freien Platz für ihn gab. Die Ressourcen des Rechtsstaats hatten in diesem Fall nicht gereicht. Noch am späten Mittag kam er auf freien Fuß.

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