Mülheim. Seit langem haben Eltern die Gefahren auf dem Schulweg zu einer Mülheimer Grundschule angemahnt. Jetzt melden sich auch die Schulkinder zu Wort.

Und plötzlich ist der befürchtete Moment kurz vor Schulbeginn fast greifbar: Mit reichlich Tempo prescht ein Auto an der Polizeisperre vorbei in die Marktstraße an der Brüder Grimm Schule. Dort demonstrieren gerade Kinder gegen Elterntaxis. Geistesgegenwärtig halten Eltern und Polizeibeamte den Fahrer auf. Der geht in die Eisen und muss augenscheinlich widerwillig ein „verkehrsdidaktisches Gespräch“ über sich ergehen lassen. Bei der Verwarnung bleibt es. Doch bei manchen Eltern ist der Puls hoch: „Der hatte deutlich mehr als 30 Km/h drauf, als der hier eingebogen ist. Muss denn erst ein Kind unterm Auto liegen, bevor die Stadt handelt?“, fragt eine Mutter.

Diesmal ging es gut. Doch ob die Verwarnung mit pädagogischer Begleitung bei dem Fahrer, der „nur mal eben“ sein Kind vor den Schuleingang bringen will, gefruchtet hat? Die Ausflüchte von Eltern, die trotz enger Straßen und unübersichtlicher Lage ihre Kinder per Auto ‚zustellen‘, können schließlich viele hier auswendig herunterbeten.

Mutter: „Ich hätte nicht gedacht, was sich hier abspielt“

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Nadine Koepke, die ihr Kind vor vier Wochen an der Brüder Grimm Grundschule eingeschult hat, ist daher skeptisch: „Ich hätte nicht gedacht, was sich hier jeden Tag abspielt. Man kann Bammel bekommen, sein Kind hierhin laufen zu lassen.“ Ein Grund aber, ihr Kind ebenfalls mit dem Auto abzuliefern, sei das für sie nicht.

Diesmal ging es gut: Polizei sperrte am Freitagmorgen die Markstraße in Mülheim-Styrum wegen der Schülerdemonstration ab. Ein Auto versuchte aber daran vorbeizupreschen.
Diesmal ging es gut: Polizei sperrte am Freitagmorgen die Markstraße in Mülheim-Styrum wegen der Schülerdemonstration ab. Ein Auto versuchte aber daran vorbeizupreschen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

„Es muss sich was ändern“, ist so ein Satz, den man zur Demonstration am Freitagmorgen aus vielen Mündern hört: von Eltern, sogar Lehrern und vor allem von Kindern. Die halten Schilder in die Höhe, die sie im Sachkundeunterricht zu den Themen Verkehrs- und Demokratieerziehung gebastelt haben: „Wir haben ein Recht auf einen sicheren Schulweg“ oder „Sicher zur Schule“ steht in bunter Schrift als Mahnung darauf.

Styrumer Kinder demonstrieren in vielen Sprachen

Damit Kinder sicher über die Straße kommen, malen Schüler einen Zebrastreifen auf die Straße vor ihrer Schule.
Damit Kinder sicher über die Straße kommen, malen Schüler einen Zebrastreifen auf die Straße vor ihrer Schule. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Ähnliche Botschaften gibt‘s sogar in Englisch und Polnisch: „Kids don‘t have to go to school with a car“ und „Dzieci chcom tu chodzic nie parkowac“, haben die Kinder formuliert. Damit‘s auch jeder verstehen kann.

Manche von ihnen malen gerade auf Höhe des Schuleingangs mit Kreide einen Zebrastreifen auf die Straße, „dann können die Kinder von dort sicher hier rübergehen“, erklärt ein Junge und zeigt auf die Kreuzung zur Albertstraße und zurück. Das sei notwendig, „weil hier immer die Autos auf dem Gehweg parken“, ergänzt ein Mädchen und hofft, dass ihr Kreidestummel noch reicht, um die weißen Rechtecke auszumalen.

Schülerparlament, Eltern und Lehrer haben Lösungsvorschläge entwickelt

Stop! Kinder haben Rechte: Mit eigenen Plakaten machen Schüler der Brüder Grimm Schule am Freitagmorgen auf die Gefahren durch Elterntaxis aufmerksam.
Stop! Kinder haben Rechte: Mit eigenen Plakaten machen Schüler der Brüder Grimm Schule am Freitagmorgen auf die Gefahren durch Elterntaxis aufmerksam. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Wie dringlich, wie gefährlich für Kinder die Lage an der Brüder Grimm Schule ist, haben Eltern seit Wochen mit Aktionen untermauert: Jeden Morgen haben sie mit Absperrband entlang des Bürgersteigs vor der Grundschule gestanden, damit Schülerinnen und Schüler hinter ihnen sicher zum Schuleingang kommen können. Und das soll auch so weiter gehen, bis eine Lösung gefunden ist. Denn ansonsten würde hier alles zustehen mit Elterntaxis. Sogar bis direkt vor die Schultür fahren manche, schildern sie den Zustand, der noch vor nicht allzu langer Zeit herrschte.

Was hier notwendig wäre, darüber haben Kinder im Schülerparlament und Eltern viele und klare Vorstellungen entwickelt: einen Zebrastreifen, Absperrpoller, eine Schulstraße oder „parkt an der Elterntaxi-Haltestelle, lasst eure Kinder den Rest selbst gehen und selbstbewusst groß werden“, rät Nadine Koepke.

„Ich brauche kein Auto“: Dennoch werden etliche Kinder auch in Styrum zur Schule gefahren, teilweise sogar bis direkt vor den Eingang.
„Ich brauche kein Auto“: Dennoch werden etliche Kinder auch in Styrum zur Schule gefahren, teilweise sogar bis direkt vor den Eingang. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Dienstanweisung aus Düsseldorf: Lehrer können nicht mitdemonstrieren

„Die überwiegende Mehrheit der Eltern will eine Lösung der Verkehrssituation“, sagt Thorsten Siegmund. Der Styrumer Vater ist Mitglied der Elternschulpflegschaft und hatte die Demo vor der Schule mitinitiiert und angemeldet. Einige Lösungen hatte er bereits in der Bezirksvertretung angeregt. Die Stadt reagierte und richtete eine temporäre Ampel am Überweg der Kaiser-Wilhelm-Straße zum Park ein. Das aber reiche noch nicht aus: Entscheidend sind aus Siegmunds Sicht die letzten 100 Meter des Schulwegs, „die müssen wir sicher hinbekommen“.

Große Unterstützung erfahren Eltern und Schüler auch seitens der Schule. Viele Lehrerinnen und Lehrer hätten am Freitagmorgen gerne mitdemonstriert, sagen sie, doch in letzter Minute ereilte das Kollegium eine Dienstanweisung und Ermahnung aus Düsseldorf. Es heißt, sie würden angeblich ihre Dienstpflicht verletzen, wenn sie nach Unterrichtbeginn demonstrieren würden. Manche der Eltern sind enttäuscht, sehen das als Maulkorb aus dem Ministerium.

OB-Kandidatin Khalaf (SPD) zur Schulstraße: „Warum bekommt Mülheim es nicht hin?“

Der SPD-Landtagsabgeordnete Rodium Bakum und SPD-Oberbürgermeister-Kandidatin Nadia Khalaf sind am Freitagmorgen ebenfalls vor Ort, um sich einen Eindruck zu verschaffen: „Wir wollen hinhören, was die Kinder und Eltern sich wünschen.“ Das Land habe eigentlich dafür gesorgt, dass die Stadt auf die Situation der Elterntaxis reagieren kann, indem die Möglichkeit erleichtert wurde, eine Schulstraße einzurichten. Damit wäre aus ihrer Sicht zumindest der unmittelbare Bereich vor der Schule kurz vor Schulbeginn autofrei.

Bakum und Khalaf sehen die Stadt und den OB in der Pflicht. Khalaf: „Wir wollen den Druck auf die Verwaltung erhöhen. Eine Lösung ist vielleicht nicht einfach, aber andere Städte schaffen es doch auch. Warum bekommt Mülheim es nicht hin?“

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