Mülheim. Eine 87-Jährige traf vor Gericht jene Jungspunde wieder, die sie um mehrere Zehntausend Euro erleichtert hatten, noch dazu um teuren Goldschmuck.

Der Flur im zweiten Obergeschoss des Amtsgerichts Mülheim wimmelte an einem Verhandlungstag dieser Woche zu Beginn einer Strafverhandlung vor Menschen. Vor Gericht erschienen nicht nur die beiden Angeklagten. Sie hatten vielmehr stolze vier Strafverteidiger sowie eine beträchtliche Zahl an Männern, Frauen und Kindern aus ihrer Großfamilie im Schlepptau.

Der Vorwurf des Staatsanwaltes gegen die beiden Männer lautete auf Preiswucher und Diebstahl. Dem Strafverfahren gegen die beiden 23-jährigen Mülheimer lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei einer mittlerweile 87-jährigen Geschädigten hatte sich im November 2022 telefonisch ein Teppichreiniger gemeldet, der der Frau eine gründliche Säuberung ihrer Teppiche in Aussicht stellte. Die alte Frau zeigte sich interessiert. Zur Besichtigung und Mitnahme der Teppiche erschienen dann die beiden 23-Jährigen. Nachdem sie die Teppiche der Speldorferin mitgenommen hatten, teilten sie der Frau mit, dass die Reinigung ihrer Teppiche besonders schwierig sei, da diese extrem von Milben befallen seien.

Stolze 30.000 Euro für eine Teppichreinigung: Mülheimerin zahlte

Nach einiger Zeit kamen die Männer mit den angeblich oder tatsächlich gereinigten Teppichen wieder zurück. Die Rechnung für die Bemühungen der beiden Angeklagten: stolze 30.000 Euro. Die offensichtlich mit diesem Vorgang überforderte Frau bezahlte den beiden Männern schließlich den verlangten Wucherpreis. Einige Zeit nach diesem handwerklichen „Sonderangebot“ tauchten die beiden Angeklagten dann noch einmal bei der alten Frau auf. Bei diesem Besuch ließen sie aus den Räumen der Frau, die offenbar abgelenkt war, Goldschmuck im Wert von 20.000 Euro mitgehen.

Die Ermittlungen der Polizei führten schließlich auf die Spur der beiden Männer, die zugaben, dass es den behaupteten extremen Milbenbefall überhaupt nicht gegeben hatte. Den Schmuck hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits irgendwo für 2800 Euro verhökert.

Anwälte der Angeklagten: „Wir könnten jetzt hier ein Fass aufmachen“

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In der Hauptverhandlung unter Vorsitz von Richterin Strohschein wurde nun hart um das Strafmaß gegen die Wucherer und Diebe gerungen. Die äußerst selbstsicher auftretende Armada von Strafverteidigern machte der Richterin und dem Staatsanwalt klar, dass man schon eine halbwegs milde Strafe erwarte, da man gegen die Ermittlungsergebnisse auch zahlreiche Einwände vorbringen könne. Einer der Anwälte: „Wir könnten jetzt hier ein Fass aufmachen und Probleme bereiten.“ Gönnerhaft wurde hinzugefügt, dass man der alten Frau allerdings keinen unnötigen Stress machen wolle. Auch einer seiner Anwaltskollegen pflichtete bei, dass man mit juristischen Mitteln Probleme bereiten und den Prozess in die Länge ziehen könne. Letztlich solle es daher im Interesse aller sein, dass man einen geeigneten Kompromiss finde.

Richterin und Staatsanwalt machten deutlich, dass man bei dieser beträchtlichen Schadenshöhe allerdings kaum ernsthaft eine Geldstrafe für die beiden Angeklagten in Betracht ziehen könne. Schließlich plädierten die vier Anwälte dann auf eine möglichst milde Strafe für ihre Mandanten. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte gegen die beiden Männer, von denen einer knapp fünf Monate Untersuchungshaft abgesessen hatte, Freiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung wegen Wucher und Diebstahl.

Die zwei jungen Angeklagten kommen mit Bewährungsstrafen davon

Das Urteil lautete schließlich auf zwölf Monate Gefängnis auf Bewährung für den Angeklagten, der bereits die Untersuchungshaft hinter sich hatte, sowie 14 Monate Freiheitsstrafe für seinen Verwandten und Komplizen, ebenfalls auf Bewährung. Zudem verfügte der Staatsanwalt, dass bei den Angeklagten 40.000 Euro einzuziehen seien, um den Schaden, den die Frau erlitten hatte, halbwegs wieder gutzumachen. Mit dem Vorschlag eines Verteidigers, man könne eine Zahlungsverpflichtung der Angeklagten im Gerichtssaal schriftlich festlegen, war der Staatsanwalt nicht einverstanden: „Das Geld wird von der Staatsanwaltschaft geholt. Es kann nicht sein, dass die alte Frau hinterher auch noch alleine ihrem Geld nachrennen muss.“

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Eine im Gerichtssaal mehr oder weniger auswendig heruntergeleierte Entschuldigung, zu der einer der Angeklagten von seinen Verteidigern angehalten wurde, ließ die 87-jährige Geschädigte nicht ohne Weiteres gelten. Auf das „Ich war jung und dumm!“ erwiderte sie, dass er bei der Art und Weise, wie er die Tat eingefädelt habe, eigentlich gar nicht so dumm gewesen sein könne.

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