Mülheim. Gemeinsam mit Bürgern und Politik will Mülheims Planungsdezernent einen Kompass für die Stadtentwicklung schaffen. Was ihm da vorschwebt.
Wie soll sich Mülheim in den nächsten vielleicht 20, 30 Jahren entwickeln? Wie wollen wir leben, arbeiten? Um hierfür einen Kompass zu bekommen, will Bau- und Planungsdezernent Felix Blasch ein spannendes Projekt starten, an dem ausdrücklich auch Bürgerinnen und Bürger mitwirken sollen.
Es geht um nicht weniger als ein grundlegendes Strategiekonzept zur Stadtentwicklung, das Blasch gemeinsam mit der Stadtgesellschaft erarbeiten will und das letztlich durch politischen Beschluss zur Richtschnur künftiger Entscheidungen werden soll. Dass es ein solches Konzept bisher nicht gibt, sieht Blasch als Makel an. Immer wieder seien bei entwicklungspolitischen Fragen langwierige Grundsatzdiskussionen zu führen. Wenn sich die Stadtgesellschaft indes „für einen überschaubaren Zeitraum“ auf gemeinsame Ziele verständige, sei viel gewonnen, auch als Orientierung für die Stadtverwaltung bei deren Vorarbeiten.
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Vorbild Düsseldorf, aber wohl doch eine Nummer kleiner in Mülheim
Wuppertal, auch Düsseldorf haben für sich solche Prozesse gestartet. Blasch sieht darin Vorbilder, wobei - insbesondere mit Blick auf das, was Düsseldorf angestellt habe - immer auch zu berücksichtigen sei, dass personelle wie finanzielle Ressourcen im überschuldeten Mülheim anders als etwa in der Landeshauptstadt zur Verfügung stünden. Sprich: Mülheim wird es wohl eine Nummer kleiner angehen müssen als etwa Düsseldorf.
In Düsseldorf steht das Konzept, das für die nächsten zwei, drei Jahrzehnte Leitideen zusammenfasst für die städtebauliche Entwicklung. Im „Raumwerk D“, wie es betitelt ist, ist festgeschrieben, wie sich die Stadt und bestimmte Stadträume etwa in den Bereichen Wohnen, Arbeiten, Freizeit oder Bildung entwickeln sollen. Die Landeshauptstadt sieht sich nun mit einem „umfassenden Werkzeugkasten“ ausgestattet, der ihr Handlungsprinzipien und -empfehlungen zur Stadtgestaltung bereitstellt.
Neues Wohnen, mehr Aufenthaltsqualität, neue Begegnungstreffs
In sechs Elementen gliedert sich Düsseldorfs Strategiekonzept, voran stehen sieben Grundwerte, die maßgeblich sein sollen für die Gestaltung der Stadt. „Düsseldorf kultiviert seine grünen Qualitäten und schützt mit aller Kraft Umwelt und Klima“, heißt es da etwa. Oder: „Düsseldorf ist eine inklusive und gerechte Stadt“. Oder: „Düsseldorf gibt Produktion, Innovation und kultureller Kreativität auf neue Weise Raum.“
Was sich zunächst sehr theoriebeladen anhört, wird präziser, wenn das Konzept etwa für einzelne Quartiere oder Stadtteile festlegt, was sich dort tun könnte. Etwa für Gerresheim nur eine behutsame Ergänzung des Siedlungsbestandes vorsieht und für das Umfeld des S-Bahnhofes Unterrath nicht nur dies, sondern gleichsam auch, den öffentlichen Raum dort so zu gestalten, dass eine hohe Aufenthaltsqualität entsteht. Wittlaer soll ein „Community Center“ als Bildungsort, sozialen Treffpunkt und Ort für Co-working bekommen. Für Ludenberg, Knittkuhl und Hubbelrath werden bessere ÖPNV-Anbindungen angestrebt, ebenso eine bessere Nahversorgung.
Blasch: Mülheimer Stadtentwicklungskonzept kann positives Signal für Investoren sein
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Die Liste ließe sich lange fortführen. Das Düsseldorfer Konzept zeigt allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt auf, wie sich die Stadt zum Besseren entwickeln will, sei es nun beim Wohnen, in Sachen Freizeit, Verkehr, Klima und Natur, wirtschaftlich, sozial.
Ein solch abgestimmtes Bild will Blasch auch für Mülheims Stadtentwicklung gezeichnet sehen. Die zahlreichen Entwicklungsthemen der Großstadt mal zusammenzubinden, zu koordinieren und zu priorisieren, was die Schwerpunkte der Stadtentwicklung sein sollen: Das ist sein Wunsch. Ein solches Konzept könne auch positives Signal für Investoren sein, weil sie schon ablesen könnten, welche Vorhaben in Mülheim auf Unterstützung stoßen.
Mülheimer Daten und Konzepte sollen in eine Gesamtschau münden
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Ein neues Gewerbegebiet im Grünen etwa, das hat der Kommunalwahlkampf 2020 zum Ergebnis gehabt, soll es - zumindest dann, wenn die politischen Mehrheiten dafür Bestand haben - in Mülheim nicht geben. Das ist so eine Festlegung, die Blasch durch ein Stadtentwicklungskonzept abgesichert sehen würde. Vieles könne ein solches Konzept zusammenbinden, was es schon gebe, was gerade erarbeitet werde, was in einer offenen Diskussion mit der Bürgerschaft noch dazukommen könnte.
Blasch verweist in dieser Hinsicht darauf, dass gerade ein Strategiekonzept zur Wirtschaftsförderung in Arbeit ist, ebenso das Handlungskonzept Wohnen, ein Konzept zur kommunalen Wärmeplanung, ein Hitzeaktionsplan oder ein neuer Masterplan für Einzelhandel in den Ortszentren. Es gebe den Masterplan „Spielen und Bewegen“, ein Konzept zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA 2027), integrierte Stadtentwicklungskonzepte für die Innenstadt und für Styrum, ein Klimaschutz- und ein Klimaanpassungskonzept, den neuen Nahverkehrsplan, einen Denkmalpflegeplan.
All das könne einfließen in einen Prozess für ein umfassendes Strategiekonzept zur Weiterentwicklung der Stadt. Es gelte, die Sinnhaftigkeit vorhandener Konzepte zu hinterfragen, verschiedene Ansätze inhaltlich gegeneinander abzuwägen.
Wohnen, Wirtschaft, Klimawende: Welche Flächen gibt es dafür in Mülheim?
„Es gibt viele Analysen und sektorale Untersuchungen, es sind schon viele Daten zusammengetragen“, ist Blasch der Überzeugung, dass alles einmal in eine Gesamtschau zu bringen wäre, um klar aufzuzeigen, wohin die Reise für Mülheim gehen könnte. Blasch wählt die Wärmeplanung als ein Beispiel. Wolle man eine dezentrale Energieversorgung via Geothermie oder Flusswärmepumpen Wirklichkeit werden lassen, werde dies Flächen beanspruchen.
Flächenansprüche der erneuerbaren Energien träten zusätzlich in Konkurrenz zu Ansprüchen der Wirtschaft und fürs Wohnen. Hier klar aufzuzeigen, wo welche Entwicklungen in der Stadt verortet sein sollen, sei wesentliches Ziel des Strategiekonzeptes. Dieses sei auch als Kommunikationsmittel gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu sehen. Ihnen werde so in aller Transparenz aufgezeigt, was aus ihrer Stadt werden solle.
„Welchen Charakter soll Mülheim haben, behalten, entwickeln?“
„Ich gehe davon aus, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion einbringen werden und sie und auch die Politik Spaß haben werden daran.“
Wie kann Mülheim mehr soziale Durchmischung in ihre Wohnviertel bekommen? Welche Funktion soll die Innenstadt haben, wenn Handel allein doch schon lange nicht mehr allein trägt? Wie soll der hohe Grünanteil Mülheims geschützt werden vor heranrückender Wohnbebauung? Welche Verkehrsinfrastruktur soll es in Zukunft geben? Welche Funktionen sollen Wirtschaftsstandorte künftig erfüllen? Fragen über Fragen, die ein Stadtentwicklungskonzept grundsätzlich beantworten könnte, hofft Blasch. „Es muss schon visionär sein“, sagt er. „Welchen Charakter soll Mülheim haben, behalten, entwickeln?“
„Ich gehe davon aus, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion einbringen werden und sie und auch die Politik Spaß haben werden daran“, sagt der Dezernent. Wann soll es losgehen? Realistisch sei ein Start in den Prozess im Jahr 2026, so Blasch mit Blick darauf, dass sein Dezernat bis dahin noch allerlei Großprojekte zu einem guten Ende zu bringen habe, man denke nur an die Parkstadt, Mülheim-West, das Vallourec-Areal und die geplante gewerbliche Entwicklung am Flughafen. Für den Prozess, ein Stadtentwicklungskonzept zu entwickeln, das von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen werde, müsse man sich Zeit nehmen, „das macht man nicht mal eben mit einer halben Stelle nebenher“, schwebt Blasch auch vor, ein externes Planungsbüro einzuschalten. Dafür wiederum wäre Geld im Haushalt zu verankern. Die Politik muss es wollen.
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