Mülheim. Klebrige Böden, zerschnittene Sitze, Gestank, mangelhafte Technik: Mülheimer Ruhrbahn-Kunden sind sauer über orange Busse. Was steckt dahinter?
Im Frühjahr noch schien halb Mülheim nach den orangefarbenen Gelenkbussen im Nahverkehr Ausschau zu halten. Weil sich nämlich herumgesprochen hatte, dass diese weder einen Fahrkartenverkauf noch einen Ticketentwerter haben. Einige verstanden das regelrecht als Einladung zum Schwarzfahren. Jetzt aber meiden manche Fahrgäste die markanten Fahrzeuge sogar. Denn deren Zustand - hygienisch und technisch - sei „unhaltbar“, sagen sie. Kurios nur: Nicht nur die Ruhrbahn stimmt ihnen zu, sondern auch in Teilen der verantwortliche Subunternehmer. Klarer Fall, also?
Möglicherweise nur vordergründig, wie das betroffene Unternehmen - die Verkehrsbetriebe Rainer - noch darstellen wird. Dazu später mehr. Dem Mülheimer Mario Alexius jedenfalls reichen die Erfahrungen mit den orangefarbenen Nahverkehrskutschen völlig. Seine Liste an Mängeln ist lang: Ein schmutziger, verwahrloster Innenraum, klebrige Fensterbänke und Fußböden, verschmutzte Sitze und Essensreste, ein Gestank, „wie eine Umkleidekabine nach einem Fußballtraining. Es scheint, als hätte seit Monaten keine Reinigung mehr stattgefunden“, zählt er auf.
Mülheimer Fahrgast: „Es sind Menschen, keine Palettenware“
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Wenn es aber nur das Erscheinungsbild wäre. Denn auch die Technik gehöre nicht einmal mehr ins Museum, so die Beobachtungen des ÖPNV-Kunden. Über Halteknöpfe, die notdürftig mit Panzertape befestigt wurden, Türen, die nicht mehr richtig öffnen oder schließen, beklagt sich Alexius: „Die Frage, ob diese Busse den TÜV bestehen, stellt sich hier berechtigterweise. Es ist absolut unverständlich, wie solche technisch mangelhaften Fahrzeuge überhaupt noch im Einsatz sein können.“
Und zu schlechter Letzt seien auch die Fahrer für den Mülheimer eine Zumutung: Sie sollen zum Teil die Strecke nicht kennen, nicht nah genug an Haltestellen heranfahren oder sogar so nah, dass sie den Bordstein rammen. „Auf einer Fahrt vergaß der Fahrer gleich dreimal, die hintere Türe des Gelenkbusses zu schließen, und musste erst von den Fahrgästen darauf aufmerksam gemacht werden. Nicht auszudenken, wenn jemand hier aus dem Bus geflogen wäre und sich schwer verletzt hätte.“
Hinzu komme eine „aggressive, rücksichtslose Fahrweise. Man sollte dringend das Fahrpersonal einer ausgiebigen Fahrerschulung unterziehen und Ihnen die Grundsätze der Personenbeförderung klarmachen und dass sie Menschen transportieren und keine Palettenware.“
Ruhrbahn kündigt an, Subunternehmen ab Herbst nicht mehr zu beauftragen
Konfrontiert mit der langen Mängelliste stimmt die Ruhrbahn überraschend zu: „Die beschriebenen Zustände können wir bestätigen“, sagt eine Sprecherin des Mülheim-Essener Verkehrsunternehmens. Doch die Busse gehören nicht zur Ruhrbahn, sondern zu dem Verkehrsbetrieb Rainer GmbH aus Gelsenkirchen. Das Unternehmen handle als Auftragnehmer der Ruhrbahn.
Und offenbar nicht mehr lange: „Da diese Zustände auch für die Ruhrbahn untragbar sind, sind wir bestrebt, die Beauftragung der Fa. Rainer bis zum Ende der Herbstferien zu beenden“, begründet die Sprecherin offenbar ein Ende mit Schrecken.
Unklar aber ist, warum die Ruhrbahn trotz Kenntnis der Mängel so lange an dem Unternehmen festgehalten hat. Wir fragen nach beim Verkehrsbetrieb aus Gelsenkirchen. Dort zeichnet der Geschäftsführer Alexander Rainer ein anderes Bild der Lage und spielt den Ball an die Ruhrbahn zurück.
Subunternehmen wehrt sich: Busse seien im „guten, verkehrssicheren Zustand“
Die Ruhrbahn habe sein Unternehmen im September 2023 per Notvergabe beauftragt, verschiedene Linien mit vier Bussen zu bedienen. Die Beauftragung sei damals zunächst nur für wenige Wochen geplant gewesen. Allerdings habe die Ruhrbahn diese „Notvergabe“ immer wieder kurzfristig verlängert. Weil eine Verlängerung des Auftrags aber immer wieder unklar gewesen sei, seien die Busse nicht - zum Beispiel mit Entwertern - aufgerüstet worden.
Geschäftsführer Alexander Rainer wehrt sich jedoch dagegen, dass seine Busse nicht in einem „guten, verkehrssicheren Zustand“ seien: „Alle Busse werden standardmäßig alle drei Monate auf Sicherheit, sowie einmal im Jahr im Rahmen einer HU amtlich vom TÜV geprüft. Zudem wird jeder Bus im Rahmen einer Abfahrtskontrolle morgens von dem Planfahrer, als auch unserer Spätausfahrt kontrolliert, die ebenso aus Werkstattmitarbeitern besteht.“
Unternehmer nimmt Fahrpersonal in Schutz: „ordnungsgemäß ausgebildet“
Morgens bei Ausfahrt seien sie „besenrein und durchgewischt“. Zudem sollen, laut Rainer, alle Busse zweimal in der Woche von außen gewaschen und einmal in der Woche kerngereinigt werden. Den Eindruck, dass die Ruhrbahn seine Beauftragung wegen der Mängel nicht mehr verlängere, weist der Geschäftsführer daher zurück. Vielmehr dürfe sein Verkehrsbetrieb den Auftrag nicht unter der Notvergabe weiterfahren, sondern dieser müsste nun EU-weit ausgeschrieben werden.
Auch seine Fahrer nimmt Rainer in Schutz: „Unser Fahrpersonal ist ordnungsgemäß ausgebildet und hat Erfahrung, sodass eine sicherer und angenehme Fahrweise ermöglicht werden kann.“ Kritik am Fahrstil oder Verhalten sei nicht bekannt. Wohl habe man sich über „das Essen“ während des Dienstes beschwert, daraufhin habe man das Personal „sensibilisiert und nachträglich überprüft“.
Subunternehmer: „Wir hatten bislang keinen anderen Auftrag, bei dem der Vandalismus so erheblich ist“
Überraschend ist jedoch, dass Rainer einige der von Fahrgast Mario Alexius beschriebenen Mängel nicht bestreitet: „Bereits nach einer Frühtour sieht der Bus an bestimmten Tagen so verschmutzt von innen aus, als wäre er eine Woche lang nicht gereinigt worden. Das liegt nicht an uns, sondern an den Fahrgästen.“ Zwar sei das Personal sogar angewiesen, in jeder Pause und sofern möglich, den Bus durchzufegen. Doch etwa auf der Linie 125 sei der Fahrplan eng getaktet, deutet Rainer an, dass es nicht nur regelmäßig zu Verspätungen komme, sondern auch eine Reinigung wohl nicht so einfach möglich sei.
Bereits seit Anfang des Auftrags seien von den Fahrern insbesondere auf der Linie 125 erhebliche Sachbeschädigungen und Verunreinigungen gemeldet worden. Darunter zerkratzte Scheiben, aufgeschlitzte Sitzpolster, Müll, bemalte Seitenwände, herausgerissene Haltewunschköpfe. „Wir hatten bislang keinen anderen Auftrag, bei dem der Vandalismus so erheblich ist, wie bei diesem.“ Rainer spricht von Schäden, die mehr als 10.000 Euro gekostet haben sollen. Der Auftraggeber hafte nicht dafür, macht Rainer deutlich, und auch nicht die Haftpflichtversicherung.
So spielt das Unternehmen den Ball an die Ruhrbahn zurück: „Die Umstände des Auftrags bitten wir von unserer Seite aus zu entschuldigen.“
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