Mülheim. Der Belegungsstopp durch die Heimaufsicht für das Bonifatius-Heim in Mülheim gilt zunächst befristet für drei bis vier Wochen. Die aktuelle Prüfung erfolgte aufgrund einer Beschwerde, in der Pflegemängel beklagt wurden. Gravierende Missstände bestehen wohl bereits seit Jahren.
Ein Bericht dieser Zeitungsgruppe über Missstände im Senioren- und Pflegezentrum Bonifatius hat Reaktionen hervorgerufen, die die Schilderungen ausnahmslos bestätigen. Verantwortliche Mitarbeiter des Hauses an der Hingbergstraße hatten von teils „katastrophalen“ Zuständen in der Pflege und Dokumentation berichtet. Nach einer dreitägigen „Anlassprüfung“ durch den MDK am 10. bis 12. Juni verhängte die städtische Heimaufsicht einen Belegungsstopp für die Einrichtung, der nun auch offiziell bestätigt wurde.
Das Bonifatius-Heim darf derzeit keine neuen Bewohner aufnehmen, andernfalls drohe ein Bußgeld in fünfstelliger Höhe, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. Diese „drastische Maßnahme“ sei zunächst auf drei bis vier Wochen befristet. „Die Heimaufsicht ist hier aber schon wiederholt tätig geworden.“
Notwendige Amputation eines Zehs
Wie Dr. Barbara Marnach, Sprecherin des MDK Nordrhein, bestätigte, erfolgte die aktuelle Prüfung aufgrund einer Beschwerde. „In der Tat wurden Pflegemängel gefunden. Sie bezogen sich unter anderem auf mangelnde Mundhygiene, Dekubitus- und Wundversorgung.“ Die Gutachter des MDK hätten Sofortmaßnahmen ausgesprochen, die auch umgesetzt worden seien. Nun werde ein Prüfbericht erstellt, so Dr. Marnach, der voraussichtlich Ende dieser Woche vorliegen werde. „Er geht an die Heimaufsicht, die Einrichtung und die Pflegekassen, wird jedoch nicht veröffentlicht.“
Dass Missstände offenbar schon seit Jahren bestehen, bezeugen Angehörige von ehemaligen Bewohnern. Besonders scharfe Vorwürfe formuliert die Mülheimerin Silke Schacht gegenüber dem Bonifatius-Heim: Sie beklagt bei ihrem Schwiegervater, der im März 2011 als Pflegefall aufgenommen und im April 2013 in einem Krankenhaus verstorben sei, eine „völlig unzureichende Versorgung ohne jegliche Dokumentation“. Die Behandlung einer Entzündung im Fuß sei bis zur notwenden Amputation eines Zehs verschleppt worden. Eine Mängelanzeige, die der WAZ vorliegt, hatte sie Mitte Februar 2013 an die Pflegedienstleitung des Hauses geschrieben und auch der Heimaufsicht übermittelt, „und diese ist dem Fall nachgegangen“.
Einrichtungsleitung und BR-Vorsitzende wollen sich nicht äußern
Aufgrund privater Belastungen und der Aussage von behördlicher Seite, „dass sich weitere rechtliche Schritte nicht lohnen, haben wir die Angelegenheit auf sich beruhen lassen“, so Silke Schacht.
Die Geschäftsführung der für das Haus verantwortlichen Maternus GmbH reiste am Freitag aus Berlin an, um sich vor Ort in Mülheim zu informieren. Sie sah sich zwar kurzfristig nicht zu einer umfassenden Stellungnahme in der Lage, will diese aber in Kürze abgeben. Sowohl die Einrichtungsleitung als auch die Betriebsratsvorsitzende wollten sich auf Anfrage dieser Zeitung nicht äußern.