Mülheim. Das Viertel um die Mülheimer Wolfsburg ist begehrt. Mehr Wohnungen drohen den Siedlungscharakter zu verändern. Wie die Stadt das verhindern will.
Wer im Viertel rund um die Wolfsburg wohnt, lebt in der Regel flächenmäßig so großzügig und grün, wie man es in Mülheim nicht überall antrifft. Der allgemeine Wohnungsdruck in der Ruhrstadt weckt allerdings auch im noblen Speldorfer Villenquartier Begehrlichkeiten, dichter als bisher zu bauen. Doch Grenzen für eine Verdichtung gibt es bislang kaum.
Denn es fehlt ein entsprechender Bebauungsplan, der den Fluchtlinienplan „Falkenweg Nr. 105“ von 1951 ersetzen würde. Lediglich der Abstand zur Straße und die Bebauungstiefe sind vor rund 70 Jahren für das Quartier Bussardweg, Hochfelder Straße und Sperberweg festgelegt worden. Diese Freiheiten haben schon dazu geführt, dass die traditionellen Ein- und Zweifamilienhäuser mit großen Gärten in renditeträchtige Behausungen für mehrere Familien umgebaut oder sogar neu errichtet wurden.
Ungeregelte Wohnverdichtung würde Charakter der Villensiedlung verändern
Ohne Bebauungsplan allerdings wäre für die Stadt kaum begründbar, warum nicht noch mehr Grünfläche fürs teure Wohnen abgeknapst werden kann. Der Charakter der umwaldeten Villensiedlung würde sich so - Stück für Stück - allmählich verändern.
Die Stadt hat folglich einen solchen Plan für den Planungsausschuss am Dienstag aufgestellt, der die üppigen Grünflächen und auch die typische "villenartige" Bebauung erhalten will. Zugleich aber auch mehr Wohnungen - auch durch Neubauten zulässt.
Grüne schlagen Pultdächer als Lösung vor
Noch liegt ein solcher Plan nicht konkret vor, doch klar ist, dass es mehr Wohnungen geben soll und auch ästhetisch eine Gratwanderung wird. Die Grünen haben in der Bezirksvertretung 3 bereits eingewendet, die bestehende klassische Giebeldach-Optik zugunsten von Pultdächern opfern zu wollen.
Aus Sicht von Carsten Voß, grüner Fraktionssprecher in der BV3, hätten diese gegenüber den Giebeldächern zwei Vorteile: Sie böten mehr Raum bei gleicher Bauhöhe, weil die Dachschrägen wegfielen. Und alles, was man nach oben hin gewinnt, wird nicht in der Fläche verbraucht, sprich: Es kann mehr Grünfläche drumherum erhalten bleiben und dabei doch mehr Wohnraum geschaffen werden.
Will die Stadt den Schottergärten auf den Leib rücken?
Nicht weniger wichtig ist Voß der zweite Aspekt: Pultdächer mit Schrägen zwischen fünf und 15 Grad lassen eine sogenannte extensive Begrünung zu, also eine Bepflanzung mit flachwurzelnden Sukkulenten, Gräsern, Wildblumen und manchen Kräutern. Die Vorlage der Verwaltung für den Planungsausschuss stellt bereits in Aussicht, das der angestrebte Bebauungsplan Vorgaben zur Dachgestaltung enthalten soll.
Zudem will die Stadt festlegen, wie die Begrünung der Vorgärten gestaltet werden soll. Der weitere Trend zu Schottervorgärten, die nicht nur optisch, sondern auch wegen ihrer Aufheizung und insektenfeindlichen Auswirkungen in die Kritik geraten sind, könnte damit gebremst werden.
"Grün und gehoben wohnen, muss sich nicht ausschließen", ist Voß überzeugt. Zum Planungsausschuss am Dienstag wollen die Grünen ihre Vorschläge, wie das zusammengehen kann, einbringen.
Info: CDU drängt auf Online-Bürgerbeteiligung
Nach dem Einleitungsbeschluss zum Bebauungsplan wird üblicherweise die Öffentlichkeit frühzeitig beteiligt. Doch wie geht das in Pandemie-Zeiten? Bedenken gegenüber den dafür obligatorischen Bürgerinformationsveranstaltungen meldete die Stadtverwaltung in der Bezirksvertretung an:
Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind ließ die Verwaltung jedoch so einfach nicht von der Angel: "Dann müssen sie die Bürgerbeteiligung eben über digitale Konferenzen organisieren", schlug sie vor. Darüber will man im Rathaus nun nachdenken.