Mülheim. Die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule, Birgit Weustermann, über den Vorteil von gemischten Teams. Technische Studiengänge müssen so konzipiert sein, dass sie Frauen ansprechen.

Eine größtmögliche Vielfalt in einem Team ist für Birgit Weustermann, Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Ruhr West, stets eine Chance, die zu einem besseren Ergebnis führen kann. Wenn Menschen unterschiedlicher Generationen, Herkunft, mit ganz verschiedenen Bildungshintergründen und unterschiedlichem Geschlecht über einem Problem brüten, ist das meist produktiver als bei einer homogenen Gruppe, denn es kommen dann durch unterschiedlicher Lebenserfahrungen und Perspektiven viel kreativere Ideen zur Sprache. An der Hochschule Ruhr-West (HRW) hat sie 2009 als Mitarbeiterin Nummer 5 begonnen, war zunächst für Organisation Qualitätsmanagement, später dann für Gleichstellung und das Vielfaltsmanagement im Personal zuständig, was mit dem Schlagwort Diversity Management etikettiert wird.

Der unbekannte Weg

Professorin an einer Fachhochschule zu werden, ist ein Weg, der wie Weustermann bedauert, leider immer noch nicht so bekannt sei. Im Gegensatz zum Lehrpersonal an den Universitäten, muss man an den Fachhochschulen keine zeitaufwendige Habilitation verfassen, um Professorin zu werden, sondern muss neben einer Promotion Berufserfahrung nachweisen. „Das ist für Frauen eine optimale Karriereoption“, findet die 53-Jährige. „Schade, dass das nicht mehr Frauen machen.“ Die Betriebswirtin, die zuvor an den Hochschulen in Witten-Herdecke und Dortmund tätig war, möchte Abiturientinnen, die vielleicht Biologie als Leistungskurs hatten, ermutigen, ein Studium an der HRW zu erwägen, ehe sie sich zu „irgendetwas Sozialem“ entscheiden, wo sie in oft befristeten und prekären Arbeitsverhältnissen landen.

Aufgabe ist es, Studiengänge so zu konstruieren, dass sich dabei beiderlei Geschlecht ansprechen und willkommen fühlen. „Erfahrungsgemäß ist es so, dass Männer gerne tüfteln und herausfinden wollen, wie etwas funktioniert, und Frauen fragen, was stelle ich eigentlich mit dem Wissen an, was für eine gesellschaftliche Relevanz hat das eigentlich.“ Frauen haben zudem einen anderen Blick, beachten noch andere Ebenen. Es geht neben dem Nüchtern-Sachlichen ums Atmosphärische, eine gemütliche Sitzecken, ein paar Blumen auf dem Tisch und einiges mehr. Wie das funktionieren kann, sehe man beispielsweise an dem Studiengang Mensch-Technik-Interaktion, bei dem fast ein Drittel der Studierenden weiblich sei, bei der Elektrotechnik liege die Frauenquote dagegen bei unter zehn Prozent. Bei den Informatikern werde sogar ein Forschungsprojekt gemeinsam mit einer Psychologin gestartet.

Mit dem Programm „zdi-Campus - Mädchen testen MINT“ gibt es auch ein halbjähriges Schnupperangebot. Es besteht aus einem Mix aus Vorlesungen und Betriebspraktikum, das Klarheit schaffen kann. Einen Tag verbringen die jungen Frauen in der Hochschule, die restlichen Tage im Betrieb und arbeiten an einem Projekt. Die Reaktionen der Unternehmen seien sehr positiv, etwa von der Dekra und Siemens, wie Weustermann erzählt, wo ein Mädchen so überzeugte, das es direkt einen der begehrten dualen Ausbildungsplätze erhielt. Die nächste Runde startet im September zum Wintersemester. Anmeldungen sind noch möglich.

Bilder im Kopf

Bei der Konstruktion neuer Studiengänge geht es um inhaltliche, aber auch um sprachliche Aspekte. Deshalb ist es ihr Ziel möglichst früh eingebunden zu werden. Eine geschlechtssensible Sprache ist ihr wichtig, denn die maskuline Form, zu der Journalisten aus Platzgründen und der Einfachheit halber allzu oft greifen, macht sie wütend. Denn durch die Sprache entstehen Bilder im Kopf. „Spricht man von Ingenieuren, denkt man nicht am Frauen, sondern an Männer mit Brillen in Karohemden. Studentinnen kann man so nicht gewinnen.“ Sollen sich Frauen angesprochen fühlen, müsse man sie auch explizit benennen. Man müsse noch nicht mal immer die weibliche und männliche Form schreiben, oft würden sich neutrale Begriffe anbieten wie Lehrkraft, Lehrende, Dozierende, Institutsleitung und ähnliches.

Bis vor ein paar Monaten war die Rollenverteilung an der Hochschule trotz fortschrittlicher und wohlmeinender Männer noch strikt traditionell. Die HRW ist eben eine technisch ausgerichtete Hochschule. Auf Arbeitsebene waren Frauen gut vertreten, auf der Entscheidungsebene vom Präsidium über die Dekane bis zu den Dezernenten waren die Männer unter sich. Seitdem Gudrun Stockmanns Präsidentin der Hochschule ist, der sie direkt zugeordnet ist, kommt Bewegung in das Thema. Das Präsidium ist paritätisch besetzt, der Hochschulrat ebenfalls und der Senat zu 40 Prozent mit Frauen. Bei der Berufung der Professuren war die Qualifizierung, nicht das Geschlecht ausschlaggebend. Es haben sich vielfach aber einfach zu wenige Frauen beworben. Als Gleichstellungsbeauftragte hätte sie sogar die Möglichkeit, ein Veto einzulegen, was früher bis zu einer Entscheidung des Ministeriums hätte führen können, inzwischen aber beim Präsidium vor Ort endet. „Aber das kann nur das letzte Mittel sein“, betont Birgit Weustermann. Besser ist es im Gespräch, Vorschläge zu machen, Argumente auszutauschen und abzuwägen. „Ich bin nicht das Schreckgespenst. Wir haben ein gutes Arbeitsklima“, betont sie und lacht.

Ein Viertel der Professuren sind weiblich, bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern ist es ein Drittel, im Service sogar knapp zwei Drittel. In BWL lag der Frauenanteil sogar zwischenzeitlich bei über 50 Prozent und es wurden sogar auch zwei Mal schwangere Professorinnen berufen. „Mit der Frauenquote bin ich eigentlich zufrieden“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte.

„Es geht auch gar nicht darum Köpfe zu zählen, sondern um einen kulturellen und strukturellen Wandel“, betont sie und den erreiche man bei einem Frauenanteil von etwa 30 Prozent. Dann ändern sich auch die Umgangsformen. Und an der HRW gebe es Menschen, die für eine solche Veränderung offen sind.

Großes Engagement

Die Vielfalt ist ihr auch bei den Studierenden wichtig. Man kann das, was sie mitbringen defizitorientiert sehen, die durch Vorkurse und eine intensive Betreuung im Kompetenzzentrum ausgeglichen werden müssen. Weustermann sieht aber auch bei den Studierenden die Stärken, an die man anknüpfen kann. Bei Studierenden mit Migrationshintergrund etwa die ausländische Sprachkompetenz oder Kenntnisse aus der alten Heimat, an die man anknüpfen kann. „Auf unsere Professorenschaft bin ich stolz. Es besteht eine große Bereitschaft, sich um Einzelschicksale zum kümmern.“ Sie ist davon überzeugt, dass dieses Engagement auch bestehen bleibt, wenn die Hochschule in den nächsten Jahren noch größer geworden ist. Hilfreich ist dabei, dass das Lehrpersonal ganz unterschiedliche, nicht immer gerade Karrierewege hinter sich hat. Es gebe einige, die zunächst auch nur die Hauptschule besucht hätten und daraus durchaus keinen Hehl machten. Das wirkt authentisch und hat für die Studierenden Vorbildcharakter.