Mülheim.
Ein klares weiteres Vorgehen erwartet das Land von der Stadt in der Debatte um nicht vorhandene barrierefreie Toiletten in der Gastronomie. Dies betont der Sprecher des Landesbauministeriums, Bernhard Meier: „Nun ist die Stadt am Zug. Ausnahmetatbestände müssen stichhaltig und gut begründet sein.“ Die Bauordnung mit diesem Inhalt bestehe bereits seit den Achtzigerjahren, so Meier, lange bevor die Baugenehmigungen für die Cafés Solo, Mocca Nova und Perfetto erteilt wurden, die nun als rechtswidrig deklariert sind.
Viel diskutiert wurde das Thema der fehlenden Barrierefreiheit in den drei gut frequentierten Innenstadt-Cafés im Internetportal Waz.de. Die Mutter einer behinderten Tochter hatte den Zustand beim Landesbauministerium beklagt. Dieses wies die Stadt umgehend an, die vor einigen Jahren erteilten Baugenehmigungen für rechtswidrig zu erklären.
Vernünftige und tragfähige Lösung
Die Stadt werde zukünftig genauer hinsehen, in der künftigen Genehmigungspraxis die Maßstäbe höher ansetzen, so Baudezernent Peter Vermeulen. Für die Lösung der aktuellen Situation habe bereits ein positives klärendes Gespräch mit den Gastronomen gegeben, zudem seien Ortstermine in zwei der drei Cafés vereinbart. Vermeulen ist sicher, dass es Lösungen geben wird, die den Bestand der Cafés garantieren, und macht ein großes Verständnis dafür aus, dass etwas für Menschen mit Behinderungen zu tun sei. Es sei gut, dass es zunehmend einen veränderten Umgang mit Behinderten gebe. Sobald ein Lokal Toiletten bereithalte, müssten diese für alle erreichbar sein. „Mir ist die Botschaft wichtig: Menschen mit Behinderungen sind in Mülheim willkommen.“
Der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein (Dehoga), Thomas Kolaric, hält die jetzt entstandene Situation für schwierig. Es sei wichtig, eine für alle Beteiligten vernünftige und tragfähige Lösung zu schaffen, so Kolaric. „Vor allem halte ich es für sehr positiv und löblich, dass die Stadt sofort auf die Gastronomen zugegangen ist. Es muss am Ende des Tages eine gesetzeskonforme Lösung her.“
Das Thema wurde lange Zeit vernachlässigt
Auch, so der Verbandsfunktionär, sei der Behinderte ja nicht nur als einzelner Gast zu betrachten, er besuche ja in einer Gruppe ein Lokal, die bei nicht optimaler Ausstattung fern bleibe. Deshalb, und auch unter dem Gesichtspunkt der immer älter werdenden Bevölkerung, habe das Thema Barrierefreiheit einen großen Stellenwert bei der Dehoga. Dem stimmt Jörg Thon, Wirt des Ratskellers und Vorsitzender der Dehoga-Kreisgruppe Mülheim, zu.
„Wir fordern seit langem die Umsetzung der Barrierefreiheit“, betont Alfred Beyer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in der Behindertenarbeit tätigen Vereinigung (AGB) und Streiter für die Durchsetzung der Rechte behinderter Menschen. Er ist erfreut über die für ihn und die Behinderten der Stadt wichtige und nun aktuelle Debatte, die von Bürgern und Politik (siehe auch Seite 1) nun geführt wird bzw. werden könnte.
Behinderten-WCs im Forum oder im Medienhaus
Der streitbare Mann setzt sich seit über 20 Jahren für Behindertenrechte ein, mahnt präzise Umsetzungen der selbst verabschiedeten Richtlinien an, wie die der Checkliste zur Barrierefreiheit. Aktuell liegt ihm am Herzen, dass der Ringlokschuppen ein vorbildliches WC erhält. Seines Wissens gebe es nur zwei bis drei Lokale in der Stadt, die ein adäquates Behinderten-WC vorhalten, so der AGB-Vorsitzende. So bleibe vielen eingeschränkten Menschen nur der Besuch der öffentlichen städtischen Toilette an der Leineweberstraße, des Behinderten-WCs im Forum oder im Medienhaus.
Richard Reichenbach von Franky’s im Wasserbahnhof hat das Glück, dass sein Lokal bereits ein Behinderten-WC besaß, als er es vor über 14 Jahren übernahm. „Das Thema wurde meiner Meinung nach lange vernachlässigt“, so der Gastronom. Rollstuhlfahrer haben zum Gastbereich im Erdgeschoss Zugang, ansonsten mache er das Angebot, dass vier Köche die Person hochtragen. „Ich kann mir vorstellen, dass die Frau, die sich beschwert hat, einen großen Leidensdruck hatte, wenn sie sich die Mühe macht, in diesem Bereich etwas zu bewegen“, so Reichenbach.
Engagierter Rolli Rocker
Lothar Flesch, im achten Jahr Pächter der Schatulle in der Altstadt, sieht für sein Lokal keine Änderungsmöglichkeit. „Die Toilette in unserem denkmalgeschützten Fachwerkhaus liegt im Keller und ist für Behinderte schlecht zu erreichen. Da kann man nichts umbauen. Wir haben ja auch schon genug Probleme mit dem Rauchverbot.“
Seitens der Behinderten äußert sich Rollstuhlfahrer Bernd Nierhaus, vielen Mülheimern als engagierter Rolli Rocker bekannt. Er findet deutliche Worte: „Es ist allmählich zum Hobby geworden, alle und jeden zu verklagen. Das finde ich Quatsch. Das fängt bei Zigeunersoße an und hört beim rauchenden Nachbarn auf. Ich meine schon, dass Gesetze eingehalten werden sollten, aber jetzt nachträglich zu fordern, Gaststätten umzubauen, finde ich nicht richtig. Wenn ich in der Stadt zur Toilette muss, gehe ich gerne ins Medienhaus. Ansonsten versuche ich, die Situation zu vermeiden.“