Mülheim. Landschaftsgartenarchitektin Dorothea Schulte und der Verein Mülheimer Naturgarten zeigen, wie man pflegeleichte Vorgärten für Insekten schafft.

Kann man Tiere im eigenen Vorgarten pflanzen? Die erfreuliche wie einfache Antwort lautet: ja. Die umfangreichere: Es kommt drauf an. Auf einer Salix caprea krabbeln gerne bis zu 213 Insektenarten, also Schmetterlinge, Blattwespen, Rüsselkäfer. Auf der bei Menschen beliebten Sambucus nigra gerade einmal 15. Eine Schneise durch das Dickicht aus guten und besseren heimischen Pflanzen für den Vorgarten schlägt die Landschaftsgartenarchitektin Dorothea Schulte. Ihre These für die gut 50 Gäste im Laden der Klimainitiative: „Natur nahe Vorgärten sind pflegeleicht, nachhaltig und vermitteln Lebensfreude.“

Eine steile These angesichts der scheinbar unzähligen Schottervarianten in Baumärkten, die als Traum vom pflegeleichten Hauszuweg auch in Mülheimer Vorgärten immer häufiger zu sehen sind. Zum Glück kann man erst einmal mit dem Gartenlatein aufräumen. Denn die Salix caprea ist schließlich nichts anderes als eine Salweide, und Sambucus nigra wird bei uns Schwarzer Holunder genannt. Für den Rest hat die Landschaftsgartenarchitektin am Samstagnachmittag einen Kalender voll anschaulicher Beispiele mitgebracht, wie Wildbienen, Schmetterlinge und Co. den Weg zurück in unse re Gärten finden.

Kein Unkraut hacken, kein wildes Herunterschneiden - Relaxen im Naturgarten

Und weniger pittoreske: Ein Vorgarten aus grauem Schotter und Steinen hinter Gittern, die mal zu einer Pyramide mit Metallspitze, mal zu Mauern mit chromglänzenden Kugeln aufgetürmt sind, kann Petrologen in Ekstase versetzen. „Es wirkt ‘strukturiert’, man sieht gestalterische Ideen“, versucht Schulte diesen „Gärten des Grauens“ etwas Positives abzuringen.

Freilich steht an jedem Anfang auch das Aufräumen mit den Gewohnheiten eines ‘ordentlichen’ gradlinigen Gartens: Unkraut hacken? Nein, lieber nur ausstechen, schlägt Schulte vor, um andere Pflanzen und in der Erde lebende Tiere nicht zu stören. Besser noch, man pflanzt viele konkurrenzstarke Stauden, die sogar den Giersch verdrängen können. Auch ein teilweiser Austausch des Bodens durch Sand, auch Schotter kann helfen. Denn das Problem liegt oftmals im nährstoffreichen und lehmigen Boden, der Unkraut fördert.

Dorothea Schulte referierte vor rund dreißig Interssierten im Büro der Klimainitiative Mülheim über naturnahe Vorgärten.
Dorothea Schulte referierte vor rund dreißig Interssierten im Büro der Klimainitiative Mülheim über naturnahe Vorgärten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Kornelkirsche sticht Forsythie: ein Plädoyer für heimische Pflanzen.

Eine weitere gern gepflegte Gewohnheit: der winterfeste Garten – hier wird alles herunter geschnitten und gehäckselt, was sich nicht von selbst wegduckt. Schulte hingegen rät zu „schneiden, nur wenn’s unbedingt nötig ist, damit Pflanzen sich ausbreiten können.“ Auch Insekten überwintern gerne in Blumenstängeln. Wer sie unbedingt abschneiden will, sollte die Stängel anschließend in einer geschützten Ecke senkrecht in den Boden stecken. Totholz und auch das Laub sollen liegen bleiben. Denn Blätter bewahren Pflanzen und Boden vor dem Austrocknen. Klingt doch wirklich nach weniger Arbeit.

Grundsätzlich plädiert Schulte übrigens für die heimischen Gewächse, weil sie für Insekten den meisten Ertrag bringen und sogar gut aussehen: Die Kornelkirsche sticht die Forsythie, die für die Wildbienen keinen Nektar bringt. Wer Weißdorn, Schlehe und Waldhasel bei sich ansiedelt, kann damit locker 400 nützliche Krabbeltiere anlocken. Lungenkraut hingegen ist ideal, weil es schon blüht, wenn Hummelköniginnen schlüpfen und ihnen als erste Nahrungsquelle dient.

Viel Applaus und noch mehr Ideen

Apropos: 75 Prozent aller Wildbienen nisten in der Erde. Wer ihnen etwas Gutes tun will, braucht deshalb keine löchrigen Ziegel und oftmals falsch angebohrte Baumstämmchen aus dem Baumarkt zu kaufen. Ein Hügel aus etwa 60 Zentimeter hohem Sand und Schotter mit verschiedenen Korngrößen zwischen null und 22 Millimeter sind ideal. Etwas Lehmpulver darunter gemischt verhindert, dass der Sand verweht und die von den Bienen gebohrten Löcher zuwehen können. Garagen mit Gründach, Teich und Trockenmauer – mit viel Applaus und noch mehr Ideen machen sich die gut 50 Mülheimer auf den Weg, um aus grauen Steingärten blühende Naturlandschaften zu machen.