Auf dem Foto hat der Künstler den Blick über das Wasser auf den Felsen gerichtet, die Pfeife im Mundwinkel und den Pinsel in der Hand, fängt er das Zauberhafte dieser Gegend ein. In pastelligen Tönen schmiegen sich die Kompositionen aus hellgrünen Wiesen, karamellfarbenen Bergen und gedämpften Farbflächen aneinander, verschmelzen zu einer Landschaft vor hellblauem Himmel: die Insel Ischia, Wahlheimat des Mülheimer Künstlers Werner Gilles (1894 bis 1961). So romantisch wie dieses Künstlerklischee klingen mag, so hart war die Wirklichkeit für den Maler und Grafiker. Musste er doch von Italien aus nicht nur erleben, wie 17 seiner Werke als „entartet“ von den Nazis beschlagnahmt wurden, „sondern wurde in den besten Jahren seiner künstlerischen Entwicklung unterbrochen und ist in die Emigration gegangen“, erläutert Museumsleiterin Dr. Beate Reese. Der Bauhaus-Schüler ließ sich nie in eine Richtung hineinzwängen, sondern behauptete sich durch seinen eigenen Stil. Es sind lyrische Abstraktionen, mit denen er Zeichen in der erstarkenden Nachkriegsmoderne setzte. Werner Gilles war einer der ersten modernen Künstler, die nach 1945 bei Ausstellungen gefragt und viel beachtet wurden. Zweimal war er in den 1950er Jahren zur „documenta“ in Kassel eingeladen, erhielt 1954 den Großen Preis für Malerei des Landes NRW.
25 Jahre lang hat es gedauert, bis das Schaffen dieses bedeutenden deutschen Künstlers wieder in seiner Heimatstadt zu sehen ist. Zum 50. Todesjahr widmet ihm das Kunstmuseum eine Werkschau mit rund 150 Gemälden und Aquarellen. Mülheim kann sich glücklich schätzen, über einen großen Bestand an Gemälden und Grafiken zu verfügen. Gefreut hat sich Reese darüber, „dass renommierte Museen uns die sehr empfindlichen Werke geliehen haben“. Sie kommen u.a. aus dem Staatlichen Museum in Berlin, der Hamburger Kunsthalle, aus Häusern der Region und privater Hand. Wie von Klaus Kleinheisterkamp. Er ist der Neffe von Gilles, betreut den Nachlass, ist über diese Ausstellung „absolut froh“, lobt die Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum: „vorbildlich“.
Als rastloser Künstler war Gilles bekannt, blieb Mülheim doch immer verbunden. Früh mit 61 Jahren verstorben, wurde er auf dem Hauptfriedhof begraben. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat. „Der Hauptfriedhof war damals Exerzierplatz, wo er seine Grundausbildung erhalten hat“, erzählt Kleinheisterkamp (86). Da wollte er begraben werden, „aber bitte mit Blick auf das Forstbachtal“. Und weil Gilles und Mülheim eine Einheit geblieben sind, ist es Reese ein wichtiges Anliegen, „die nachfolgenden Generationen mit dem Erbe dieser Stadt vertraut zu machen“.