Die innere Erschütterung ist ihm auch einen Tag danach noch anzumerken. Mit Gegenwind und Niederlagen, sagt Heino Passmann (41), muss man in der Politik rechnen, „aber so?“ So, damit meint er die Kandidatenkür für den Rat in seinem Broicher Ortsverein am Montag (die NRZ berichtete). Dass Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld erscheinen, dass sie „massivst“, wie er findet, in die Entscheidung des Ortsvereins eingreifen würde, nein, „damit habe ich nicht gerechnet“. Nicht nur er.
Aus dem Kreis seiner Unterstützer kam gestern drastische Kritik. Niemand war ja so naiv zu glauben, Passmanns Konkurrent, der 71-jährige Dieter Wiechering, würde kampflos den Platz räumen, nachdem der Karnevalist seine Ansprüche angemeldet hatte. Also hatten sie akribisch gezählt im Passmann-Lager und waren zu einem sicheren Ergebnis gekommen. „Das klappt“, glaubte Bezirksvertreter Hans-Jürgen Walter noch am Vorabend, und auch, dass damit das letzte Wort nicht gesprochen wäre. Wiechering würde die zweite Chance ergreifen und beim eigentlich entscheidenden Unterbezirks-Parteitag im Februar einen neuen Anlauf nehmen.
Dann aber, sagt Passmann heute, mehrten sich „komische Signale“. Broicher Genossen, die ihm früh Unterstützung zugesagt hatten, auch aus dem Vorstand, rückten davon ab, auch jene, deren Begründung auf das schiere Lebensalter der beiden Bewerber abzielte. Am Abend selbst fehlten aus den Reihen der durchgezählten Befürworter sieben, sagt Passmann, drei waren krank, vier kamen einfach so nicht, dafür „viele Leute, die ich in den sieben Jahren meines Engagements für die Partei nie gesehen habe.“ Ergebnis: 33 für Wiechering, 26 für Passmann. Der schmiss noch am Abend den Ortsvereinsvorsitz hin, drei Monate vor der Zeit. „Ich bin jetzt verbrannt“, sagt er, „ich mach’ noch mein Ratsmandat bis Mai und das war’s dann für mich.“
Die Familie, die richtige, freut sich schon. Die Kinder haben zur Niederlage ehrlich gratuliert. Passmann erzählt das gequält. Er fühlt sich als persona non grata, als unerwünschte Person, und das ist selbst dann nicht angenehm, wenn man geht. Immerhin war seine Entscheidung, nach einem eigentlich schon angekündigten Rücktritt doch nochmal anzugreifen, ganz oben anzugreifen, wohl überlegt. Jetzt dämmert ihm, dass er nicht nur eine Person angegangen ist, sondern ein Machtpuzzle und es klingt, als wünschte er sich, jemand hätte ihn darauf angesprochen, ihm was gesagt.
Tatsächlich, sagt er bitter, „hat mich der Parteivorsitzende Lothar Fink seit meiner Kandidatur im Oktober nicht mal angerufen.“ So kam es zum Konflikt auf offener Bühne, der das Bild einer orientierungslosen Partei bestätigt und viele Verlierer kennt. Passmann, aber auch Wiechering, nun ein Fraktionschef von Dritter Gnaden; Mühlenfeld, die ihre Neutralität opfern musste, um eine Personalie durchzusetzen und letztlich Fink, der das alles nicht verhindert hat und obendrein so ungeschickt war, sich am Montag erst anzumelden, dann kurzfristig abzumelden, um schließlich doch zu kommen -nach der Abstimmung. Dabei ahnt Passmann, was es bedeutet hätte, wenn statt Mühlenfeld Fink für Wiechering eingetreten wäre: „Dann hätte ich gewonnen.“
Das aber durfte ja nicht sein, um keinen Preis, selbst um das Signal, das nun von der Versammlung am Montag weiterwirken wird, wie Passmann glaubt: „Das Signal der SPD an Neueinsteiger lautet doch: Lasst die Finger davon.“ Für ihn, der es bis zum Vize der Ratsfraktion geschafft hatte, gilt die Devise nun endgültig. Die Ideen für eine andere SPD wird er im Schrank lassen, und möglicherweise war es der entscheidende Fehler, sie weder bei der knappen Wiederwahl des Parteivorsitzenden Fink im Sommer, noch vor der Abstimmung gegen Wiechering öffentlich gemacht zu haben. Jetzt ist zu spät. Fast jedenfalls. „In 30 Jahren“, sagt Passmann, „kann ich es ja nochmal versuchen. Alter ist ja in der SPD ein Wert an sich.“
Aber das ist schon ein Ausflug ins Karnevalistische.