Mülheim..

Simon hat die Jacke gerade aus und den Rucksack mit den Schulbüchern unter die Garderobe gepfeffert, da nimmt er schon Kurs auf den gedeckten Esstisch. „Hallo! Was gibt’s zu Essen?“ Gulasch mit Reis und Gurkensalat. „Mhhh“, findet er und schmeißt sich auf einen Stuhl. Klingt wie ein normaler Mittag. Ist es auch – im CVJM-Haus. Seit vier Jahren wird dort an fünf Tagen in der Woche ein warmes Mittagessen aufgetischt. Und dann ist es ein bisschen wie bei Muttern.

Essenszeit ist um 13.30 Uhr, doch schon um 13 Uhr ist einiges los. Die ersten sitzen an der Theke und naschen – Apfel- oder Mandarinenstücke. Im im Haus an der Teinerstraße geht’s gesund zu. Schokoriegel, seit neuestem Fair Trade, müssen gekauft werden; das (gespendete) Obst gibt’s für lau. Mit Erzieher Alex Fendel, der für den Mittagstisch verantwortlich ist, plaudern die Jungen und Mädchen, über dies und das. Kai ist etwa da.

Wenn die Jugendlichen kommen, haben sie Hunger

Der 13-Jährige kommt regelmäßig zum Mittagessen. Ebenso wie der 11-jährige Melih. „Meistens schmeckt’s“, finden beide. Was es diesmal gibt, wissen sie schon. „Das ist immer die erste Frage“, wirft CVJM-Sekretär Christian Smuda ein. „Oft noch vor dem Hallo.“ Wenn die Jugendlichen kommen, haben sie Hunger. Die evangelische Jugendeinrichtung passte ihr Angebot nur an die Nachfrage an. Bei den Kindern zu Hause bleibt die Küche nämlich kalt.

In der CVJM-Küche hingegen wirbelt Helga Lindermann. Mit geübten Handgriffen bereitet sie den Nachtisch vor – auch der ist vitaminreich: Es gibt Obstsalat. „Die Kinder kippen sich meistens Vanillejoghurt darüber“, weiß die Ehrenamtliche, die immer donnerstags in der Küche aushilft. „Sauwohl“ fühlt sie sich im Team. „Ich wollte, was Sinnvolles tun.“ Und so schnibbelt sie nun Bananen, Orangen und Äpfel in eine riesige Glasschüssel, so lange „bis das Ding voll ist“, während im Ofen das Mittagessen erwärmt wird. Geliefert wird das, morgens frisch schockgeforstet, von der Kantine der Senioreneinrichtung Gracht.

Das Essen wird in Porzellanschalen umgefüllt

In Metallschüsseln und Aluschalen wird es erhitzt – aber nicht serviert. Helga Lindermann und Erzieher Christian Smuda füllen das Essen in Porzellanschüsseln um. Auch das gehört zur Atmosphäre – und zur Tischkultur. Denn die, sagt Smuda, wolle man den Kindern beibringen. Dazu gehört: „Wir fangen zusammen mit dem Essen an. Und Nachtisch gibt es erst, wenn der Tisch sauber ist.“ Wie zum Beweis ruft Alex Fendel nebenan zum Essen: „Hände waschen!“

Um drei Tische platzieren sich Jugendliche und Erzieher, dann wird gebetet und schließlich gegessen. „Schmeckt gut“, finden alle. Nur Jeremy sieht nicht ganz zufrieden aus. Er ist gegen Zwiebeln allergisch und bekommt statt Gulasch vegetarische Bällchen.

Wie es zu gutem Essen gehört, wird viel erzählt: über Wrestling und Computerspiele, über Schule und Hausaufgaben und dass Chantal sich mehr in der Schule meldet. Aus Dümpten kommen die Jugendlichen, aus Styrum, Heißen, der Stadtmitte. Die Realschule besuchen sie, die Gesamtschule, das Gymnasium. „Dass zu Hause nicht mehr gekocht wird, hat nichts mit Geld oder Bildung zu tun“, hat Helga Lindermann erfahren. Die Erzieher bestätigen das.

32 Portionen stehen jeden Tag zur Verfügung

Zwölf Kinder waren um 13.30 Uhr da, doch die Erfahrung zeigt Alex Fendel, dass bis 15.30 Uhr noch hungrige Kinder nachkommen. „Wir haben 32 Portionen. Es gibt Tage, an denen müssen wir das für 40 und mehr strecken“, sagt Christian Smuda. Meist sind es die Dienstage und die Freitage, die richtig voll werden. 2,50 Euro kostet das Essen pro Portion, fünf spendiert das Haus Gracht seit den Anfängen im Jahr 2008.

Die (ratzeputz geleerten) Teller räumen die Jugendlichen tatsächlich selbst auf einen Servierwagen, stellen das Besteck in einen Eimer mit Wasser. Dann erst holen sie sich Joghurt und Obstsalat. Und während Helga Lindermann die erste Fuhre Geschirr in die Maschine füllt, trudeln die ersten hungrigen Nachzügler ein und wollen wissen: „Was gibt’s zu essen?“

Das Angebot des CVJM, das rund 65 Kinder wöchentlich erreicht, finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Mit etwa 800 € beziffert das CVJM-Team die Kosten pro Monat. In diesem Jahr sammelt die WAZ-Aktion „Jo­lanthe“ für den Mittagstisch. Seit dem Startschuss beim Neujährchen auf der Schleuseninsel kamen bisher rund 1600 € zusammen, aber jeder weitere Spende ist willkommen. Konto-Nummer: 175034277 bei der Sparkasse Mülheim, BLZ: 36250000, Stichwort: Jolanthe.