Kaufen Sie Ihre Kartoffeln im Supermarkt oder beim Discounter? Schön billig!? Dann kann es sein, dass Sie trotzdem in den letzten Jahren draufgezahlt haben. Denn das Kartellamt ermittelt gegen 80 bis 90 Prozent der größten Firmen, die mit Kartoffeln handeln, wegen Preisabsprachen zu Lasten ihrer Kunden aus dem Einzelhandel und damit indirekt auch zu Lasten der Endverbraucher. Von bis zu einer Milliarde Euro, die das Kartoffelkartell durch unlautere Absprachen im Laufe eines Jahrzehnts eingenommen haben könnte, ist die Rede. Millionenschwere Bußgelder drohen. Die NRZ berichtete in ihrem Hauptteil.
Andreas Bolten und Hermann ter Jung, die in Dümpten und in Raadt Kartoffeln anbauen, überrascht das nicht wirklich. Denn sie wissen, dass der europäische Kartoffelmarkt von fünf großen Handelsfirmen dominiert wird und dass sie beim Einkauf ihrer Pflanzkartoffeln in Deutschland nur zwischen zwei großen Saatgutanbietern auswählen können.
„Da braucht man keine Preisabsprachen machen. Wenn eine Firma A sagt, sagt die andere automatisch etwas ähnliches. Die Grenzen zwischen reellem Handel und Preisabsprachen sind manchmal fließend“, beschreibt Bolten die Mechanismen der Marktkonzentration und zieht einen Vergleich zu den Benzinpreisen an den Tankstellen, die vor Ferien- oder Wochenendbeginn plötzlich wie von Geisterhand gleichzeitig steigen oder auch wieder sinken. Das gleiche gelte auch für die örtlichen Autohändler, die letztlich immer nur die Listenpreise ihrer Hersteller nachvollziehen könnten. Sein Kollege ter Jung glaubt: „Wenn da nicht jemand etwas aufgeschrieben hat, wird es ganz schwierig eine Preisabsprache nachzuweisen.“
Bolten hat keine Ahnung, ob und wieviel er vielleicht in den letzten Jahren beim Einkauf seiner Pflanzkartoffeln zu viel gezahlt haben könnte. Beide weisen darauf hin. dass das Geschäft mit den klassischen Verzehrkartoffeln seit Jahren zurückgeht, weil sich die Ernährungsgewohnheiten verändert haben und das große Geld heute eher mit Kartoffelprodukten, wie etwa Pommes frites und Chips verdient würden. Sollte es tatsächlich Preisabsprachen eines Kartoffelkartells gegeben haben, geht ter Jung davon aus, dass es sich bei jedem Einzelprodukt nur um minimale Cent-Beträge gehandelt haben haben dürfte, die sich aber über die Masse auf Millionenbeträge summiert haben könnten.
Zu großes Risiko
„Das Risiko ist mir einfach zu groß, dass ich zu Regresszahlungen verpflichtet werden könnte, wenn ich die vereinbarte Kartoffelmenge vielleicht nicht liefern kann, weil die Witterung nicht mitgespielt, weil ich eine Krankheit in die Erde reinbekommen habe oder Kartoffeln verwachsen sind,“ erklärt Bolten warum er schon vor 18 Jahren aus der Handelskette des großen Kartoffelgeschäftes ausgestiegen und, ebenso wie sein Kollege ter Jung, zum Direktvermarkter geworden ist. Bolten und seine Frau Christiane In der Beeck betreiben auf ihrem Dümptener Bauernhof an der Bonnemannstraße einen kleinen Laden und beliefern örtliche Supermärkte. Ter Jung verkauft seine Kartoffeln unter anderem auf dem Saarner Wochenmarkt und als fahrender Händler.
Obwohl Bolten, der in seinem Hofladen nicht nur Kartoffeln anbietet, den Eindruck hat, „dass der Trend zum bewussteren Einkaufen geht“ und viele Kunden zu ihm kommen, weil sie wissen wollen, wo ihre Kartoffeln und andere Lebensmittel herkommen und welche Qualität sie zu erwarten haben, macht er sich ebenso, wie sein Kollege ter Jung keine Illusionen darüber, dass die Masse der Verbraucher ihre Kartoffeln, zusammen mit anderen Produkten weiter in Supermärkten und Discountern kaufen werden.