Mülheim.. Projekt zur Früherkennung von Brustkrebs, das ein Mülheimer Arzt ins Leben rief, weitet sich aus. Mittlerweile gibt es fast 30 Tastuntersucherinnen.
Die Idee hatte Dr. Frank Hoffmann schon vor Jahren: Er überlegte, ob man in der Brustkrebsvorsorge nicht blinde und sehbehinderte Frauen einsetzen könne. „Blinde haben ja eine besondere Begabung, ihr Tastsinn ist viel besser ausgeprägt als bei sehenden Menschen“, erklärt der Gynäkologe. Deshalb startete er das Projekt „discovering hands“ und entwickelte eine neunmonatige Qualifizierungsmaßnahme zur „Medizinischen Tastuntersucherin“ (MTU).
Bessere und frühere Erkennung von Brustkrebs durch Tastuntersuchung
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Mittlerweile gibt es fast 30 MTUs – vorwiegend übrigens in NRW. Ihre Aufgabe: Sie tasten die Brust der Frau nach einem standarisierten und qualitätsgeprüften Verfahren sorgfältigst ab und nehmen sich dafür etwa 40 Minuten Zeit – also viel mehr als der Frauenarzt bei der üblichen Kontrolluntersuchung zur Verfügung hat. „Die MTUs finden deutlich mehr Gewebeveränderungen, können einen Tumor schon erfühlen, wenn er erst einen Durchmesser von 6 bis 8 Millimeter hat“, so Hoffmann. Durch die minutiöse Tastuntersuchung könnten rund 28 % mehr Brustkrebserkrankungen frühzeitig erkannt werden.
Die Früherkennungsmethode stößt auf viel Interesse in der Ärzteschaft, an 28 Orten gibt es bereits MTUs, in Berlin eröffnete „discovering hands“ sogar ein Zentrum mit sieben Tastuntersucherinnen, ein weiteres will man in Leverkusen schaffen, wo Hoffmanns Firma den Bayer-Sozialpreis erhielt.
„Das Problem in der Vergangenheit war, dass Praxen sich schwer taten, MTUs in Vollzeit einzustellen. Das wiederum führte dazu, dass die blinden Frauen unsere Ausbildung beim Berufsbildungswerk oft nicht bezahlt bekamen“, berichtet Frank Hoffmann. Deshalb wandelte er „discovering hands“ 2014 in ein gemeinnütziges Sozialunternehmen um. „Wir stellen die MTUs jetzt selber als Vollzeitkräfte ein und leihen sie sozusagen an interessierte Praxen aus“, erläutert der Mülheimer. Das habe zur Folge, dass die Reha-Träger – wie Agentur für Arbeit oder Rentenkasse – nun viel bereitwilliger die Qualifizierung finanzierten. „Wir wollen und können also in nächster Zeit deutlich stärker wachsen.“
Ausbildung über Stipendien ermöglichen
Größer geworden ist das Kleinunternehmen ohnehin. Die Zentrale im Mülheimer Haus der Wirtschaft zählt nun fünf Mitarbeiter. Außerdem hat man inzwischen drei blinde Frauen zu Trainerinnen ausgebildet, die in den Qualifizierungskursen mit unterrichten. „Wir planen sogar, irgendwann eine eigene Akademie auf den Weg zu bringen.“
Das Team hat außerdem ein dickes Franchise-Handbuch entwickelt, das es erlaubt, „unser Modell auch Interessenten in anderen Ländern anzubieten.“ In Österreich hat man nach einem Pilot-Projekt schon einen Franchise-Partner gefunden. In Kolumbien steht ein erstes Projekt vor dem Abschluss. „Die sechs Frauen, die dort qualifiziert wurden, haben schon einen festen Arbeitsvertrag“, berichtet Hoffmann. Weil man mit der südamerikanischen Landesentwicklungsbank kooperiert, soll bald auch ein Projekt in Mexiko starten. Zudem will man in Indien aktiv werden.
„Discovering hands“ ermutigt blinde und sehbehinderte Frauen, sich zu melden. Das Unternehmen will denen, die keine Förderung erhalten, die Ausbildung auch über Stipendien ermöglichen. Dr. Frank Hoffmann, der in seiner Praxis in Duisburg seit 2009 MTUs beschäftigt, ist von der Win-Win-Situation begeistert. Patientinnen erhalten durch die MTUs eine verbesserte Diagnostik und bessere Heilungschancen, blinden Frauen bietet sich ein neues und konkurrenzloses Arbeitsfeld, in dem sie ihre spezielle Begabung ausleben können.
Vorsorge und Behandlungskosten:
Die Tastuntersuchung durch eine MTU kostet 46,50 Euro, zwölf Krankenkassen übernehmen die Kosten bereits. Einige Patientinnen nehmen den Check auch als IGeL-Leistung wahr.
Für Frauen über 50 Jahre gibt es die Mammographie als Vorsorgeuntersuchung, für Frauen zwischen 30 und 50 nur die übliche, relativ kurze Brustuntersuchung beim Gynäkologen. Dabei erkranken und sterben auch Frauen in dieser Lebensphase an Brustkrebs und dessen Folgen.