Essen/Mülheim..

Sauberes Wasser ist ein Wert an sich. Garant für die Trinkwasserqualität ist der Ruhrverband mit Sitz in Essen. In diesem Jahr feiert der Verband sein 100-jähriges Jubiläum, erfreut sich einer soliden Finanzierung und eines gesunden Selbstvertrauens. „Wir bewirtschaften ein Feld, auf dem es in der Gesellschaft keinen Grundzweifel gibt, ob dieses Feld bewirtschaftet werden muss“, sagt Harro Bode, der Vorstandschef.

Die Gründung des Verbands liegt in jenen Zeiten, als diese Sicht noch nicht so ausgeprägt war. Mit verheerenden Folgen: Im Jahrhundertsommer 1911 litt das Ruhrgebiet wochenlang unter Hitze und Trockenheit, was die Ruhr in ihrem Unterlauf zu einer schwarzbraunen Brühe eintrocknen ließ. Abwässer waren ungeklärt. Die Industrie suchte damals die Nähe zum Fluss, nutzte die Ruhr als kostenloses Wasserreservoir, pumpte sie leer, erinnert die Mülheimer Historikerin Dr. Barbara Kaufhold. „Das war nur noch eine stinkende Schlammbrühe“.

1500 Mülheimer litten an Typhus

Das schmutzige Wasser machte die Menschen krank: Rund 1500 Mülheimer infizierten sich mit Typhus. „Im ganzen Ruhrgebiet“, so Kaufhold, „wuchs die Seuchengefahr.“ Die Industrieproduktion an der unteren Ruhr kam wegen des Wassermangels fast völlig zum Erliegen.

Es schlug die Geburtsstunde des Ruhrverbandes. Auf zwei Wegen geschah Abhilfe: Durch den Bau von Talsperren im Sauerland und Ruhrgebiet wurde das Wasser gespeichert, um so den Ruhr-Pegel stets in etwa gleich hoch halten zu können. Durch Kläranlagen stoppte der Ruhrverband die Verschmutzung des Flusses. Die Kläranlage im Mülheimer Forstbachtal war von den 1930er Jahren bis Ende 1995 in Betrieb. Heute werden die Abwässer aus Mülheim zur Kläranlage Duisburg-Kaßlerfeld weitergeleitet und dort gereinigt.

Die mit den Talsperren einhergehende Veränderung der Landschaft wurde damals hingenommen. Über Jahrzehnte war die Aufgabe unstrittig: Es galt, mit vertretbarem Aufwand Schmutz und gefährliche Stoffe aus dem Fluss zu entfernen.

Der Ruhrverband will nicht politisch agieren, sondern macht letztlich, was Politiker als Gesetzgeber fordern – und in Form von höheren Kosten für die Bürger als zumutbar definieren. Verbandschef Harro Bode wägt in einem Interview im Jubiläumsbuch (siehe unten) die Sachlage ab. Wenn Gewässer noch sauberer werden, sei das nie verkehrt, die Kosten seien aber erheblich. Zudem könne der Energieeinsatz für hochkomplexe Reinigungsverfahren so groß sein, dass dies mit anderen Umweltzielen kollidiere. Bode: „Wenn uns die Bevölkerung mit Hilfe des Gesetzgebers auffordert, dass wir mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe gestiegene Standards einhalten sollen, dann werden wir das zu erfüllen trachten.“

Mitglieder: Alle Nutzer der Ruhr

Der Ruhrverband ist verantwortlich für das gesamte natürliche Einzugsgebiet der Ruhr. Diese flussgebietsbezogene Verantwortung jenseits von kommunalen Zuständigkeiten gilt als sinnvoll – verhindert sie doch das egoistische Gegeneinander von Ober- und Unterliegern, wie es in anderen Ländern beim Hochwasserschutz immer wieder zu beobachten ist.

Beim Ruhrverband können Aufgaben ganzheitlich betrachtet und Kosten in einem fairen Verhältnis auf alle Mitglieder verteilt werden. Mitglieder sind deshalb, vor 100 Jahren wie heute, alle Nutzer der Ruhr: die ganz oder teilweise im Verbandsgebiet liegenden 60 Städte und Kreise sowie 405 Industrie- und Gewerbebetriebe, die in großen Mengen Abwasser ableiten, sowie 67 Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung.

Der Jahresumsatz beträgt 290 Mio. €, das Verbandsgebiet ist 4485 Quadratkilometer groß. Der technische Anlagenpark umfast 68 Kläranlagen und 556 Regenwasserbehandlungsanlagen. Dem Ruhrverband gehören fünf Stauseen, die sich heute neben ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung auch großer Beliebtheit als Naherholungsgebiete erfreuen. Der mit Abstand größte ist der Essener Baldeneysee.

Zukunft und Rückblick

Mikroverunreinigungen aus dem Wasser zu holen, ist derzeit Gegenstand eines vom NRW-Umweltministerium geförderten Forschungsvorhabens auf der Kläranlage in Schwerte bei Dortmund.

Zum Jubiläum hat der Ruhrverband eine aufwändige Chronik herausgegeben, die den Leser mitnimmt auf eine Reise durch 100 Jahre Wasserwirtschaft an der Ruhr. In den Texten berichtet der Ruhrverband über Geschichte und Gegenwart des Verbands und lässt Fachleute in die Zukunft blicken: „Zeit am Fluss – 100 Jahre Ruhrverband“, 272 S., 25 Euro.

„Leben am Fluss“ heißt das Buch von Dr. Barbara Kaufhold, das sich mit der Kulturgeschichte einer Stadt am Fluss beschäftigt. Klartext-Verlag, 272 S., 19,95 €.