Die Grünen beantragen im Rat im Zusammenhang mit den Zinswetten eine offizielle Rüge der Stadtspitze. Wurden der Politik bewusst Informationen vorenthalten? Fragen die Grünen. Das ist ein starkes Stück.
Polizisten wissen es. Nicht jeder, der „Haltet den Dieb!“ ruft, hat deswegen automatisch mit den beklagten Missetaten nichts zu tun. Ein solches Schauspiel in dienender Schuldzuweisung bahnt sich mit zunehmender Dynamik im Rathaus aus. Es geht um die verlustreichen Zinsgeschäfte, die vor zehn Jahren beschlossen wurden. Von wem? Von Politikern, ganz genau.
Das hält aber manche damals wie heute handelnden Personen nicht davon ab, diesen Umstand hinter ganzen Nebelwände verschwinden zu lassen. Die Politik hätte öfter hinzugezogen werden müssen, sagt der finanzpolitische Sprecher der CDU, Eckart Capitain. Rückfrage: Noch öfter?
Capitain war beim öffentlichen Beschluss dabei, 2003, bei den nicht öffentlichen Besprechungen mit Bankern und Beamten vorab. Über erste Erfolge mit Zinsgeschäften ist die Politik informiert worden, über die ersten Pleiten auch und allein in öffentlichen Sitzungen am 31. Januar, 25. April und 26. September 2005 über Umstrukturierungen; über weitere Fehlentwicklungen nochmal am 28. November 2005 und zwei Wochen später über Gegenmaßnahmen. Von der Unzahl an Sitzungen und Informationen, die es seitdem zur Abwicklung des Debakels bis heute gegeben hat, ganz zu schweigen.
Öfter informiert? Das intoniert wohl: Wir haben es ja gar nicht richtig gewusst. Das ist, mit allem Respekt vor ehrenamtlichem Engagement, ein starkes Stück. Ebenso wie die Aussage, die Angelegenheit habe ja immer größere Dimensionen angenommen.
Tatsache ist: Es war die Politik, die in jener denkwürdigen und beschämend kurzen Finanzausschuss-Sitzung im Jahre 2003 den Deckel gelupft hat, den Kämmerer Bultmann eigentlich auf die Derivatgeschäfte setzen wollte. Dass schließlich Deals mit einem Volumen von 170 Millionen Euro auf dem Tisch lagen, war Anliegen und Entscheidung der Politik. Das haben Politiker zu verantworten. Kein Banker und kein Beamter.
Mit der Verantwortung aber ist es nicht ganz so weit her. Lieber wird die Stadt erneut in einen Schadenersatzprozess mit ungewissem Ausgang getrieben - Haltet den Dieb! - und ausgerechnet die Grünen sind so freundlich und stellen einen Schwarze-Peter-Antrag. Die folgenlose Rüge, die da beantragt wird, ist nichts anderes als das. Die Politik erteilt unartigen Beamten einen Tadel. Wer tadelt, das sagt die Geste, ist selbst tadellos. Geht’s noch?
Von Selbstkritik, von Zweifel ist sechs Monate vor der nächsten Wahl keine Spur. Das ist alles in allem eine bitter ärmliche Lehre aus einem folgenschweren Abenteuer. Denn selbst wenn es so wäre, dass Beamte sich als Hasardeure geriert und Banker bös beraten hätten: An der politischen Verantwortung ändert das überhaupt nichts. Entweder die Politiker wussten 2003, was sie da entscheiden. Dann haben sie jetzt den Rücken durchzudrücken. Oder sie wussten nicht, was sie mit den Zinsgeschäften losgetreten haben. Dann hätten sie sie nie und nimmer beschließen dürfen. In dem Fall käme wieder der Rücken zum Einsatz.
Aber in Demut gebeugt.