Mülheim.

Überfüllte Praxen, längere Wartezeiten, kaum Vertretungsreserven für Urlaubszeiten, dramatische Engpässe bei Grippewellen – der Vorsitzende der Ärztekammer Mülheim, Uwe Brock, prognostiziert schwierige Zeiten in der hausärztlichen Versorgung.

Sie wird weiter geschwächt, wie Brock betont. Zum ersten Mal hat jetzt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in Mülheim einen hausärztlichen Kassensitz komplett gestrichen. Es handelte sich um einen Sitz in der Innenstadt, die betroffenen Patienten mussten sich einen neuen Hausarzt suchen. Dies, so Brock, werde immer schwieriger, weniger im Mülheimer Süden als im Zentrum und im Norden der Stadt. 94,5 Hausärzte hat Mülheim jetzt noch. Die Ärztekammer fürchtet, dass dies erst der Anfang war und weitere Sitze verschwinden werden, „bis die Schallgrenze 88“ erreicht ist – so viele Hausarztsitze sieht die Kassenärztliche Vereinigung für Mülheim vor.

Ein Hausarzt auf 1752 Einwohner

Der Appell an die KV Nordrhein, den Sitz in der Innenstadt wieder auszuschreiben, brachte keinen Erfolg: „Der Zulassungsausschuss kann den Antrag auf Ausschreibung ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist“, so Andreas Bäcker von der KV Nordrhein, die schlicht den Bedarf nicht sieht.

Für die Ärztekammer ein falscher Blick angesichts des Krankenstandes der Mülheimer Bevölkerung. Mit einem Hausarzt auf 1752 Bewohner habe die Stadt ohnehin eine der schlechtesten Besetzungen im gesamten Kreis Nordrhein. „Eine Versorgungslücke besteht schon heute“, warnt Brock und sieht insbesondere sozial Schwache durch die Entwicklung benachteiligt. In Styrum kämen auf einen Hausarzt 4000 Bewohner.

Mittelfristig soll es drei Versorgungsbezirke geben

Hält die Entwicklung an, sieht die Ärztekammer eine weitere Verlagerung der Versorgung in die Ambulanzen der Krankenhäuser. „Die Hausärzte werden außerdem wegen der zunehmenden Patientenzahl auch für Hausbesuche immer weniger Zeit finden“, sagt Brock, der auch die Gesundheitsministerin Barbara Steffens aus Mülheim eingeschaltet hat.

Keine Dramatik, wohl aber im Norden Engpässe, sieht AOK-Direktor, Roland Angenvoort, und verweist auf das Urteil der Bürger im Leitbild-Prozess. Dabei gab es für die ärztliche Versorgung in Styrum ein Mangelhaft. „Hier sollten wir mit vereinten Kräften in Mülheim an einer Verbesserung für Patienten und das Praxispersonal arbeiten.“ Mittelfristig, ab 2018, schwebt ihm vor, Mülheim in drei Versorgungsbezirke – Nord, Süd, Mitte – einzuteilen, um eine gerechtere Hausarztversorgung in der Stadt hinzubekommen.