Mülheim.

Abgeschirmt hinter Mauern der Villen im Uhlenhorst bleiben Öffentlichkeit und Armut draußen. Das Geheimnis um den unsichtbaren Reichtum einer Gesellschaft will das Berliner Künstlerkollektiv „Copy & Waste“ lüften und nimmt sein Publikum mit auf eine Theaterreise in den Uhlenhorst. Türöffner sind die wohlhabenden Kinder aus Enid Blytons Detektivgeschichten und ein kleiner niedlicher Hund, der wirklich lebt.

Rund um das vorproduzierte Hörspiel schraubt sich der Bühnen-Trip durch die soziale Spirale mit vielen Video-Aufnahmen aus Mülheim und Schauspieler Steffen Klewar, der auch Regie führt: Vornehm in Smoking und Fliege gewandet und mit Chihuahua auf dem Arm, spielt und spricht Klewar rund 15 Rollen.

Jörg Albrecht schrieb nach der Copy & Waste-Methode

In bewährter Weise hat Jörg Albrecht den Text nach der Copy & Waste-Methode geschrieben: Der Autor kopiert Auszüge aus Klassikern aus Film und Literatur und lässt in einem anderen Kontext Neues daraus entstehen.

Dabei ist das Kollektiv der gesellschaftlichen Entwicklung, der immer größer klaffenden Schere zwischen Arm und Reich künstlerisch auf der Spur. „Die Reichen bleiben für uns unsichtbar“, sagt Jörg Albrecht, „außer bei medialen Inszenierungen wie Spendengalas“. Ein Phänomen, das nicht nur heute und in Mülheim greift, sondern sich auch in der Vergangenheit überall abzeichnete.

Die Künstler gingen in die Tiefe des Themas

Dabei sind die Künstler in die Tiefe des Themas gegangen, haben sich Studien und Forschungsergebnisse vorgenommen wie u.a. den Armutsbericht NRW. Dramaturgin Wilma Renfordt recherchierte vor Ort, begab sich in den Uhlenhorst, um in der Villengegend mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, „was mir leider nicht gelungen ist“.

Im Mülheimer Stadtarchiv wühlte sie sich durch die Geschichte und fand heraus, dass auf Initiative einiger Großindustriellen aus Duisburg, Mülheim und Gelsenkirchen 1906 eine Broich-Speldorfer Gartenstadt AG gegründet wurde, mit dem Ziel, den Unternehmern die Möglichkeit zu geben, abgeschottet in idyllischer Gegend repräsentativ zu residieren. „Das hat nicht ganz geklappt“, sagt Jörg Albrecht. Nur dreieinhalb Häuser seien nach diesen Plänen gebaut worden, das bekannteste ist das Haus Küchen eines Stinnes-Enkels, heute Residenz Uhlenhorst.

Kein Stück mit erhobenem Zeigefinger

Nun soll die neue Koproduktion mit dem Ringlokschuppen kein Stück mit erhobenem Zeigefinger sein. Für seine erfrischende Sicht- und Spielweise ist Copy & Waste bekannt. Das Publikum „soll mit uns lustvoll in die Beobachtung einsteigen“, sagt Steffen Klewar: „Wir wollen die Zuschauer auf einen Diskurs mitnehmen.“ Und wenn dann ein Nachdenken einsetzt, dann sei schon viel erreicht.

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