Mülheim..
Das Material ist manchmal etwas störrisch. Die langen und dicken Reynoutria-Zweige (bekannt auch als japanischer Staudenknöterich) lassen sich mit der Gartenschere nur schwer in kurze Stöcke zerteilen. Antje Kocks hat genug Kraft oder einfach die richtige Technik drauf. Die 72-Jährige ist schließlich gelernte Gärtnerin und Floristin, sie besitzt ein Blumengeschäft am Hauptfriedhof. Was ihr seit Jahrzehnten viel Freude macht, das möchte sie auch anderen Menschen vermitteln. Deshalb hat sie an der Zeppelinstraße eine kleine Schule namens „Blumenstil“ gegründet und gibt dort Kurse für Laien, die das Blumenbinden oder -stecken erlernen möchten.
Balkonkästen bepflanzen
Sechs wissbegierige Frauen versammeln sich immer dienstags am großen quadratischen Arbeitstisch, um zu einem bestimmten Thema kreativ zu werden: Sträuße binden, Pflanzschalen gestalten, Balkonkästen bepflanzen, Kränze binden oder auch Tischdekorationen anfertigen - viel haben die Hobby-Floristinnen schon gezeigt bekommen und dann selber ausprobiert. „Hierher zu kommen macht süchtig“, sagt Angelika von Staa, eine der Kursteilnehmerinnen.
Eine große Blumen-Skulptur will Antje Kocks heute mit ihren Damen „basteln“. Grundmaterial sind die Reynoutria-Zweige, die eine Teilnehmerin übrigens aus dem eigenen Garten mitgebracht hat. „Die sind bei Gartenbesitzern unbeliebt, weil sie sich ziemlich stark vermehren“, erklärt die Floristin. Fürs Dekorieren sind sie vielfältig nutzbar - naturbelassen oder auch bunt angemalt.
Eigene Ideen entwickeln
Diesmal werden die entlaubten, aber unbehandelten Äste in unterschiedlich lange Stücke geschnitten und diese dann senkrecht in eine Vase gesteckt. Weil sie innen hohl sind, kann man Blumen hineinstecken. Sogenannte „Kniphofia“ (Fackellilien) hat die Pflanzenfachfrau mitgebracht. Die langen Stängel krönt eine auffällige, flammenförmige und orangefarbene Blüte. Ein paar Ranken getrockneter Clematis werden dazu gesteckt. Ein interessanter Kontrast. Mit einer Grünlilien-Ranke (Chlorophytum) stellt Antje Kocks dann die Verbindung zu ein paar Reynoutriumstäben her, die locker neben der Vase platziert wurden. Die Teilnehmerinnen sind begeistert: „Zuerst sah es nach nichts aus, jetzt plötzlich hat es was“, finden sie. Wer möchte, kann schließlich noch eine sonnengelbe Rudbeckia-Blüte ins Gebinde integrieren. Dann ist das florale Kunstwerk fertig.
Mit dem Fotoapparat hält Teilnehmerin Heidi Froese das Geschaffene fest. „Damit ich es immer wieder nachmachen kann“, sagt sie und verrät lachend: „Eigene Ideen zu entwickeln ist schwer, ich kann aber gut nachmachen.“ - „Bis man alle Techniken beherrscht, das dauert ein wenig. Das ist einfach Übungssache“, meint Antje Kocks. Je mehr man anfertige, desto kreativer werde man. Das habe sie nicht nur in ihrer Schule, sondern auch in den VHS-Kursen „Kreatives Blumenstecken“ festgestellt, die sie seit geraumer Zeit in Ratingen erteilt.
Im Hinterzimmer ihrer kleinen Schule lagern unzählige Materialien und Accessoires, die man fürs Blumenbinden und Pflanzenstecken nutzen kann. Auf einer Seite sind grüne Stoffe, Bänder, Drähte, Holzstücke, etc. ausgestellt, auf der anderen rote. Wer will, kann sich hier umsehen und inspirieren lassen. Anregungen liefern aber auch die Arbeiten, die die Wände der Floristikwerkstatt selber zieren. Besonders hübsch: ein Bild, das aus einer Ranke mit roten Lampionblüten gestaltet wurde.
Nebenbei gibt Antje Kocks ihren Schülerinnen auch immer wieder Insider-Tipps: Sie lernen beispielsweise, dass man Hortensien gut in der Mikrowelle trocknen kann. Oder dass eine aufgeschnittene und dann getrocknete Artischocke bizarr aussieht. Vieles haben sich die sechs Frauen vorher nicht vorstellen können. Etwa, dass man aus Tulpenzwiebeln einen richtig dekorativen Frühlingskranz binden kann.
Bunte Pilze aus Filz sollen beim nächsten Workshop-Abend mit verarbeitet werden. Wie, das weiß Antje Kocks noch nicht genau. Ihre Kursteilnehmerinnen haben aber schon einen Auftrag: Sie sollen Kastanien, Eicheln und Bucheckern sammeln. Ihr Blick ist schon geschult. „Ich gehe jetzt ganz anders durch die Natur als früher und sehe überall viele schöne Sachen“, sagt Angelika von Staa.