Mülheim. Georg Roos-Simon ist seit 30 Jahren Notarzt in Mülheim, fährt im Rettungswagen zu Unfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen.

Nicht zu wissen, was kommt, wenn man zur Arbeit geht. Kein Tag ist wie der andere. Ständig muss man sich auf eine Situation einstellen, in der jede Minute zählen kann, weil es um Leben oder Tod geht. Kein Job für jemanden, der’s gern etwas planbarer hat. Georg Roos-Simon liebt gerade das an seinem Beruf. Er ist Notarzt in Mülheim, seit 30 Jahren.

Roos-Simon ist dem Marien Hospital eng verbunden. Von Anfang an, und das nicht nur beruflich. Vor 64 Jahren kam er im St. Marien-Hospital auf die Welt, 1984 trat er dort seinen Dienst als Arzt an. Ausgebildet als Internist und Notfallmediziner schätzte Roos-Simon, der bis heute in Mülheim lebt, vor allem die Arbeit auf der Intensivstation.

Roos-Simon kennt jede Straße in der Stadt

Parallel dazu fuhr er Rettungseinsätze mit der Feuerwehr. Und als er in eine Lebensphase kam, in der die meisten Kollegen sich längst niedergelassen haben oder in eine andere Abteilung versetzen ließen, wechselte er vor zehn Jahren ganz in die Blaulicht-Abteilung. Im Notfall in wenigen Minuten beim Kranken/Verunglückten zu sein, vor Ort schnell handeln zu müssen: Roos-Simon kann sich gut vorstellen, das noch länger zu tun als bis zum 65. Lebensjahr. Seine Arbeit macht er im Team mit den Kollegen von der Feuerwehr, die den Notarztwagen steuern und zeitgleich mit dem Rettungswagen zur Einsatzstelle eilen.

Drei Jahrzehnte im Notarztwagen, da war man schon überall – „ich kenne in Mülheim jede Straße“ – hat schon alles gesehen. Natürlich gibt es Einsätze, die auch einem Medizinprofi in Erinnerung bleiben. Fälle, wo die ärztliche Kunst nichts ausrichten kann, weil die Katastrophe zu groß ist, wie beim Cessna-Absturz in den 1980ern. Oder wenn ein Mensch trotz aller Anstrengung stirbt, weil seine Verletzungen zu schwer waren. „Man nimmt dann schon etwas mit nach Hause.“

Die meisten Einsätze sind internistischer Natur

Aber es gibt auch die guten Momente, die Reanimationen, die glücklich ausgingen, weil der Notarzt früh genug gerufen wurde: „Das ist gar nicht so selten. Ich habe viele solcher Erinnerungen.“ Manchmal erinnert sich auch einer der Geretteten an ihn, forscht nach, wer da zur rechten Zeit das Richtige gemacht hat. Wie jener Mann, dessen streikendes Herz Roos-Simon wieder zum Schlagen brachte: Ein halbes Jahr und drei Bypässe später stand der Ex-Notfall samt Frau und Blumenstrauß in der Tür, um sich zu bedanken: „Das fand’ ich schön“, sagt Georg Roos-Simon schlicht.

Die meisten Einsätze, 80 %, sind internistischer Natur – Herzinfarkt, Schlaganfall, Atemnot. 10 bis 15 % sind chirurgische Fälle wie Brüche. Auch zu psychiatrischen Notfällen wird Roos-Simon gerufen; Kinder-Notfälle liegen bei unter 3 %. „Man muss“, sagt er. „für alles gewappnet sein und innerhalb kürzester Zeit die richtige Entscheidung treffen.“ Dazu gehört, einzuschätzen, wann er selbst Unterstützung braucht: Bei einem Unfall mit mehreren Verletzten zum Beispiel muss er sich zunächst einen Überblick verschaffen, sehen, wer zuerst Hilfe braucht und weitere Krankenwagen anfordern. Georg Roos-Simon war vor 20 Jahren der erste leitende Notarzt der Stadt, heute sind sie zu sechst.

Man muss keinen Unfall haben, um Georg Roos-Simon in seinem Beruf anzutreffen: Er leistet Dienste in der Notfallpraxis am St. Marien-Hospital, wenn die Arztpraxen geschlossen sind. Außerdem ist er ärztlicher Leiter an einer Lehrrettungsschule in Essen. Privat liebt es der Mann, dessen Arbeitstag von flackerndem Blaulicht begleitet wird, eher etwas ruhiger: Fotografieren und Schach nennt er seine Hobbys. Und Motorradfahrten mit seiner klassischen Zweizylinder-BWM.