Mülheim.. Erstes WAZ-Lesercafé nach der Sommerpause: Im altehrwürdigen Krug zur Heimaterde diskutierten viele Besucher über die Themen ihrer Gartenstadt-Siedlung.
Sie sei zwar eine Siedlung, würde aber von vielen Verkehrsteilnehmer an zahlreichen Einmündungen als Durchgangsstrecke etwa zum Rhein-Ruhr-Zentrum genutzt. Das ist vielen Anwohnern der Heimaterde ein Dorn im Auge, wie sich beim WAZ-Lesercafé im Steakhouse Sierra Nevada im Krug zur Heimaterde deutlich zeigte.
Die Felackerstraße sei so eine Durchgangsstraße, beklagen die Anwohner – durch das abschüssige Gelände würde dort erst recht gerast. „Bis zum Kreisverkehr donnern die da runter“, sagt Edeltraud Nörenberg und fügt hinzu: „Dabei laufen da viele Kinder her.“ Weil das viele Eltern für zu gefährlich hielten, brächten sie ihren Nachwuchs lieber mit dem Auto zu Kita oder zur Schule – und verursachten dort dann Parkchaos. Um der Felackerstraße den Reiz als Abkürzung zu nehmen, regt Edeltraud Nörenberg an, sie zur Einbahnstraße mit Tempo 30 zu machen.
Dieser Idee kann Roland Jansen, Teamleiter der Verkehrsplanung bei der Stadt, auf WAZ-Anfrage nicht viel Zukunft versprechen: „Wir brauchen auch Durchgangsstraßen, sonst würde sich der Verkehr auf den restlichen Straßen – an denen übrigens auch Menschen wohnen – mindestens verdoppeln.“ Am Beispiel Felackerstraße sei das dann die Kleiststraße, auf die die Autofahrer auswichen, so Jansen, richte man dort dann zusätzlich auch Tempo 30 ein, verlagerte sich der Verkehr auf die Kruppstraße und so weiter – für den Verkehrsplaner keine Lösung.
Unter zu viel Verkehr leiden auch Anwohner der Velauer Straße wie Jutta Dreifert. Seit Jahren kämpft die Heißenerin, die an der Heinrich-Bertrand-Höhe wohnt und deren Garten an die Velauer Straße grenzt, dafür, dass der Verkehr dort gezähmt wird. Immerhin stünden dort nun Tempo-50-Schilder, aber, sagt Jutta Dreifert: „Das reicht nicht.“ Massen von Autos und Lkw donnerten vorbei, deren Fahrer Alternativen zur verstopften A 40 suchten, so die Anwohnerin, die den Verkehrslärm beklagt. Dazu habe es von Seiten der Stadt bereits Messungen gegeben, geändert aber habe sich nichts.
Verkehrsaufkommen nicht geringer
Michael Stallmann, beim Umweltamt zuständig für das Thema Lärmschutz, gibt zu Bedenken: „Um drei Dezibel weniger zu erzielen, müsste sich die Anzahl der Fahrzeuge halbieren.“ Die vergangenen Verkehrszählungen aber hätten gezeigt, dass sich am Verkehrsaufkommen nichts ändert. Wohl aber, räumt Stallmann ein: „Die Temporeduzierung von 50 auf 30 km/h bringt 2,5 Dezibel weniger.“ Für das menschliche Ohr bemerkbar machten sich Änderungen ab 1 Dezibel, so der Fachmann. Im Hauptverkehrsnetz sei man aber zurückhaltend, wenn’s um die Einführung von Tempo 30 ginge, denn: „Da steht die Abwägung an, ob es nicht wichtiger ist, dass der Verkehr flüssiger läuft.“ Andere Städte seien dazu übergegangen, zumindest in der Nacht nur 30 km/h zu dulden. Aber, so Stallmann: Nur ein entsprechendes Schild aufzustellen, reiche nicht. Es müsse dann auch überwacht werden, ob die Tempobegrenzung eingehalten werde.
Zu schnell gefahren und zudem unübersichtlich geparkt werde auch an der Kolumbusstraße, bemängelt Marco Miterski. „Am Stück, das zum Krug führt, ist die Strecke als Spielstraße ausgezeichnet, aber 6 km/h fährt da keiner“, sagt der Vater einer kleinen Tochter. „Ich bin hier selbst aufgewachsen, daher weiß ich, dass es früher längst nicht so viel Verkehr gab.“
Was zu schnelles Fahren und Parkdruck angehe, sei die Heimaterde nicht auffälliger als andere Stadtbereiche, sagt Erich Oesterwind, Leiter des Zentralen Außendienstes im Ordnungsamt. Regelmäßig fänden Geschwindigkeitskontrollen, etwa an der Max-Halbach-Straße, statt. Man habe die Ecken, die bei Rasern beliebt seien, im Blick. Was einen Besucher der Diskussionsrunde auf die Idee bringt: „Die ganze Heimaterde sollte komplett verkehrsberuhigt werden.“ Zustimmung kommt von den Heimaterdlern im WAZ-Lesercafé, nicht aber von Verkehrsplaner Jansen, nach dessen Aussage es diese Lösung nicht geben wird.
Bauprojekt zwischen Max-Halbach-, Felacker- und Schwarzenbergstraße
Über die geplante Bebauung des grünen Dreiecks zwischen Max-Halbach-, Felacker- und Schwarzenbergstraße wurde schon viel diskutiert und gestritten (wir berichteten). Beim WAZ-Lesercafé taten einige Heimaterdler noch einmal deutlich ihren Unmut über das Neubauprojekt (57 Eigentumswohnungen in drei zweigeschossigen Gebäuden) kund. Es fügt sich ihrer Meinung nach „überhaupt nicht in die denkmalgeschützte Gartenstadt ein“.
Fakt ist: Die Baugenehmigung für das Vorhaben ist von der Stadt im Februar erteilt worden. Tatsache ist auch: Zwei Klagen von Anwohnern sind beim Verwaltungsgericht noch anhängig. „Ob das, was dort nun gebaut werden soll, dem ursprünglichen Zweck entspricht, muss gerichtlich geklärt werden. Dort sollten Altenwohnungen entstehen, keine teuren Eigentumswohnungen“, sagt Frank Elberzhagen. Indes, so wussten die WAZ-Leser zu berichten, sollen die Bauarbeiten bereits im September starten. „Die Klage ist noch nicht ausgefochten, ob die Investorin dennoch auf eigene Verantwortung schon jetzt startet, wissen wir nicht“, erklärt Planungsamtsleiter Jürgen Liebich. Die Unternehmensberatung Christine Radtke, die das Projekt für die Wittener Investorin entwickelt, gibt dazu keine Auskunft. Beim Immobilienmakler Engel & Völkers, der die Wohnungen vermarktet, ist man sicher, dass es in Kürze losgeht mit den ersten Erdarbeiten. Was einige Anwohner schwer ärgert: „Dann werden erstmal 50 bis 60 Bäume abgeholzt, da werden einfach Fakten geschaffen, bevor man weiß, ob alles rechtens ist“, so Elberzhagen und Edeltraud Nörenberg.
Wie viele Wohnungen bereits verkauft sind, kann der Makler nicht sagen. Eine Lesercafé-Besucherin hatte erklärt, es seien „erst sieben“. Die Stadt ist über die Zahlen nicht informiert. „Man hat uns nur versichert, dass es viele Interessenten, besonders auch von der Heimaterde, gibt“, so Liebich.