Mülheim.
Den Zivi gibt’s nicht mehr. Nach Ende von Wehr- und Ersatzdienstpflicht sollen Träger gemeinnütziger Einrichtungen aber nicht ohne Hilfskräfte dastehen: Dafür gibt es seit dem 1. Juli den Bundesfreiwilligendienst. Die ersten Freiwilligen haben bereits bei Mülheimer Trägern angeheuert. Grundsätzlich ist geregelt, dass all die Tätigkeiten, für die eine Zivildienststelle bewilligt war, auch vom neuen Bundesfreiwilligendienst (BFD) bedient werden können. Möglich ist die Beschäftigung von Menschen in sozialen, kulturellen, ökologischen und anderen gemeinwohlorientierten Bereichen. Dabei gilt (wie bei den Ein-Euro-Jobs unter Hartz IV): Es dürfen dadurch keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden. Üblich ist ein Bundesfreiwilligendienst von einem Jahr Dauer, möglich ist aber alles in der Spanne von sechs bis 24 Monaten.
Sozialversicherungsbeiträge übernimmt der Träger
Ein Freiwilliger wird mit bis zu 330 Euro Taschengeld, so wird die Aufwandsentschädigung genannt, entlohnt. Hinzu können Leistungen für Bekleidung, Unterkunft und Verpflegung kommen. Die Träger zahlen Sozialversicherungsbeiträge. Wesentliche Unterschiede zum Zivildienst: a) die durchschnittlich längere Verweildauer der Freiwilligen in den Einrichtungen und b) die Möglichkeit, dass sich Menschen jeden Alters für den BFD melden können (nicht nur bis 27 Jahre). Indes ist die entsprechende Nachfrage gering bis gar nicht vorhanden.
Die Theodor-Fliedner-Stiftung bietet derzeit 21 Stellen in ihren Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe an. Gesucht würden Helfer zumeist für Pflege und Betreuung, so Koordinatorin Karolina Lin, aber auch für Hausmeisterjobs, in der Hauswirtschaft und für den Fahrdienst.
Nachfrage nach den Stellen ist groß
Der erste Mitarbeiter der jungen BFD-Generation habe am Montag dieser Woche seinen Dienst angetreten, am 1. September kämen sieben weitere junge Menschen im Alter von bis zu 24 Jahren dazu. Die Nachfrage nach den Stellen sei „schon groß“, so Lin. Man werde aber abwarten müssen, ob so viele Freiwillige zu rekrutieren seien, dass man den Ausfall der Zivis kompensieren könne. Im Moment gebe es zweifelsohne eine Lücke; sie sei aber nicht so groß, wie die Zahl von 21 freien Stellen vermuten lasse. Die Stiftung habe bewusst mehr Stellen ausgeschrieben als nötig. Eine Vorsichtsmaßnahme: Denn ein Freiwilliger kann jederzeit abrupt seinen Dienst beenden, wenn er etwa eine Ausbildungsstelle oder einen Studienplatz gefunden hat.
Dies sind Einstiegsmotivationen für junge Menschen: dass sie Leerlauf vermeiden wollen in ihrem Werdegang. Für manche kann das Freiwilligen-Jahr auch Orientierungsphase sein; auch in der Fliedner-Stiftung bestehe die Chance einer Übernahme in eine Ausbildung, so Lin. Das Gute am Bundesfreiwilligendienstsei ja, dass man potenzielle Kandidaten für die Ausbildung kennen lerne.
Frage nach dem Kindergeld noch ungeklärt
Bei der Johanniter-Unfall-Hilfe, so stellt Jens Ohligschläger als Leiter der Rettungswache an den Denkhauser Höfen in Dümpten fest, kann die Motivation auch sein, in dem einen Jahr eine Ausbildung zum Rettungshelfer zu machen. Das sei sehr attraktiv für junge Leute, die später Medizin studieren, in die Krankenpflege oder die Rettungsassistenz gehen wollten. Zwei Stellen für Freiwillige haben die Johanniter derzeit frei. Eine BFD-Kraft ist bislang nicht eingestellt worden. Noch müsse der Bundesgesetzgeber klären, dass das Kindergeld weitergezahlt werde, so Ohligschläger.
Ende Juli hat der letzte Zivi die Johanniter verlassen, der Dienststellenleiter sieht keinen personellen Engpass auf seinen Rettungsdienst zukommen, da mit Freiwilligem Sozialen Jahr und Freiwilligendienst bei attraktiven Ausbildungschancen gute Alternativen gegeben seien. Nicht ganz versteht er, warum der Bundesfreiwilligendienst überhaupt eingeführt worden ist. Für Ohligschläger hätte es gereicht, auf das Freiwillige Soziale Jahr zu setzen.