Mülheim. Täglich versuchen Täter, Senioren zu betrügen, weiß die Polizei. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.

Die Kriminalität, die ihre Opfer vor allem im Bereich der älteren Mitbürger sucht, geschieht im Verborgenen. Aber sie geschieht täglich, auch in Mülheim. Der Betrug am Telefon oder an der Haustür, falsche Enkel, falsche Bekannte oder falsche Handwerker sind gewissermaßen das tägliche Brot für die Polizei, ein Massendelikt.

„Es vergeht kein Tag, an dem nicht versucht wird, alte Leute zu betrügen oder zu bestehlen“, weiß Polizeisprecher Peter Elke. Vermögens- und Fälschungsdelikte, zu denen auch viele der Fälle, bei denen vor allem Ältere Opfer sind, gezählt werden, haben im vergangenen Jahr insgesamt zugenommen: um 158 Fälle auf 3834 (+4,3%). Dabei können natürlich nur jene Fälle, von denen die Kripo auch Kenntnis bekommt, in die Kriminalitätsstatistik eingehen.

Ein Massendelikt

Die Polizei geht von einer hohen Dunkelziffer aus, weil viele Betrugsfälle von betroffenen Senioren aus Scham gar nicht erst angezeigt werden.

Betrugsfälle wie „Enkeltricks“, aber auch Veruntreuung, Unterschlagung, Urkundenfälschung, Geld- oder Scheckfälschung sowie Insolvenzstraftaten gehören in den Bereich der Vermögensdelikte, bei denen den Mülheimer Bürgern allein im vergangenen Jahr ein Schaden von knapp drei Millionen (2,927 Mio. Euro) entstanden ist. Laut den aktuellen Zahlen der Polizei ist das ein höherer wirtschaftlicher Schaden als bei Kfz-Delikten (Diebstahl von und aus Autos: 2,468 Mio. Euro) oder auch bei Wohnungseinbruchsdiebstählen (2,089 Millionen Euro). Im Jahr 2012 lag die Zahl der insgesamt angezeigten Fälle im Bereich Vermögens- und Fälschungsdelikte mit 4345 noch besonders hoch, es war die höchste Fallzahl seit 2007.

Ein erheblicher Anteil an den knapp drei Millionen Euro Schaden aus Betrugsdelikten dürfte – im Wortsinn – auf das Konto jener Täter gegangen sein, die mit dem Enkeltrick erfolgreich waren. Die Polizei verschweigt diese Summen zumeist aus Sicherheitsgründen. Exemplarisch wurde vor einiger Zeit von der Essener Behörde ein Fall genannt, bei dem Täter einer 80-Jährigen 50 000 € abluchsen konnten. Nicht selten wird das Opfer erst zur Bank geschickt, wenn nicht genug Bares im Haus ist.

„Richtiges Verhalten beim Verdacht auf Enkeltrick“

Geldinstitute haben darauf längst reagiert. So werden die Mülheimer Sparkassenangestellten in Zusammenarbeit mit dem Kriminalkommissariat Vorbeugung auch in Sachen „Richtiges Verhalten beim Verdacht auf Enkeltrick“ geschult. Wie man also regiert, wenn die in der Filiale gut bekannte 85-jährige Kundin nicht nur ihre Rente abholt, sondern auf einmal ihr ganzes Konto leer räumen möchte.

„Für neue Mitarbeiter, Auszubildende und vor allem Kassierer ist diese Schulung ein Muss“, betont Sparkassensprecher Frank Hötzel. Kassierer könnten ihre Kenntnisse in Schulungen stets auffrischen. „Es wäre wünschenswert, wenn mehr Kreditinstitute die Anstrengungen der Polizei unterstützen würden, die Täter auszubremsen und die Senioren besser zu schützen“, sagt Polizeisprecher Elke.

Auch die Senioren werden misstrauischer, sind besser aufgeklärt, reagieren selbstbewusster und vertrauen zunehmend nicht mehr so schnell der vermeintlich bekannten Stimme am Telefon, so dass es immer öfter beim Betrugsversuch bleibt, lobt die Polizei.

79-jährige Mülheimerin trickste die Trickbetrüger aus

Manchmal drehen pfiffige Senioren den Spieß sogar um. So blockte eine 79-jährige Mülheimerin im Mai 2014 einen Anrufer ab, der es dann im Dezember noch mal bei ihr probierte: 50 000 € sollten an einen Abholer übergeben werden. Die Seniorin ließ sich zum Schein darauf ein, und der Polizei gelang die Festnahme eines „Abholers“ (14) aus Mönchengladbach. Bildmaterial aus Überwachungskameras führt oft zur Festnahmen und Identifizierung von Enkeltrickbetrügern, die manchmal auch aus anderen Bundesländern anreisen.

An die Drahtzieher beim „Enkeltrick“, die „Keiler“, die die Anbahnung am Telefon organisieren, kommt die Polizei schlechter heran: Zumeist sind geschulte und erfahrene Täter am Werk, die die Kontaktaufnahme per Telefon aus Polen, Litauen oder der Türkei herstellen, so die Polizei. Inzwischen sei auch die kriminelle Gegenseite zu Observationen übergegangen, sie beobachten also ihre Opfer.