Mülheim.. Manche gehen auf Distanz, andere staunen über Mechanik und Fortschritt, dritte werden ironisch. Wie Künstler Technik sehen und produktiv auf sie reagieren, erzählt jetzt eine Ausstellung im Mülheimer Kunstmuseum. Sie zeigt mit „Käfer, Crash und Capri-Batterie“ die einzigarte Sammlung Schiffer, erstmals in NRW.

Jahrhunderte war in der Kunst Technik bloß eine Frage der Kunst: Öl oder Fresco, Pastell oder Pointillismus. Bis jene Technik kam aus erzenen Schwungrädern, laut seufzenden Pumpen und hämmernden Motoren. Was nicht zu übersehen war, wurde Motiv. Eine ungewöhnliche Schau im Kunstmuseum Mülheim erzählt davon.

Ihre Schlagzeile umreißt die Bandbreite des Themas („Käfer, Crash und Capri-Batterie), ihr Un­tertitel sagt bescheiden, worum es geht: Wie Künstler Technik sehen. Und wir begegnen wieder einmal den Fotos von Bernd und Hilla Becher. Bewährte Größen: ihre schwarzweißen Silos und Wassertürme. Da wird heiliger Ernst gemacht aus der Welt industriellen Alltags. Ein paar Schritte weiter schaut es aus, als hätte jemand Caspar David Friedrich anlässlich seines 175. Geburtstages eine Kamera in die Hand gedrückt. Vollmond über einer „Zeche im Ruhrgebiet“. Der Münchner Ludwig Windstoßer trat um 1950 Friedrichs Erbe an, romantisch durchaus.

Beuys: Zitrone trifft Glühlampe

Bedrohung oder schöner Fortschritt, Skepsis und Nutz-Ideal ge­gen menschliche Ausbeutung. „Käfer, Crash und Capri-Batterie“ zeigt Glanz und Elend der Technik nicht anders, als unsere Gesellschaft sie bis heute diskutiert. Da antwortete Joseph Beuys (Capri-Batterie) mit einer Versuchsanordnung auf die Atomgläubigkeit seiner Zeitgenossen und erkennt die Zitrone als Zwillingsschwester einer sonnengelben Glühlampe.

Der Franzose Fernandez Arman taucht Schraubenschlüssel in Farbe und schenkt in blau-gelben Tönen handwerklicher Banalität eine Schönheit, die fast ans Rad stolzer Pfauen denken lässt.

Günther Uecker treibt den Nagel ins Telefonkabel

Andere brauchen Ironie, um dem Schrecken die Spitze zu nehmen. Günther Uecker jagt seinen Nagel (was sonst?) durch ein fettes Telefonkabel, um der Welt zu sagen, wohin ein „Kurzer Weg“ führen kann. Etwas feineres Florett lässt Konrad Klapheck im Duell mit der Technik walten. Er unterstellt, nicht ohne animistischen Witz, Maschinen ein Wesen. Angenehme Gesellen sind es dadurch noch lange nicht. „Der potente Großvater“ ist eine furchterregende Schreibmaschine, die dazu noch „King“ heißt. Ein Dampfbügeleisen, aus allen Löchern fauchend, tauft Klapheck „Die Schwiegermutter.“

Wir sehen furchtlose Blicke auf Fabriken aus den 1920ern, verspielt motorische Kinetik der 60er, bis am Schlusspunkt der Fotograf Thomas Struth in aller Stille die Solarworld AG dokumentiert, als Obduktion seelenloser Zukunft.

Sammlung Schiffer erstmals in NRW

Es ist dies in 80 Stücken die „Sammlung Schiffer“, die Mülheim drei Monate zu Gast hat. Dr. Hans-Peter Schiffer ist Ingenieur mit Kunstsinn, aber Technik sollte es schon sein. So kam es zu einer kenntnisreich komponierten Kollektion, die eigens zusammenzustellen heute für ein Museum von Mülheims Größe schon in Sachen Budget die schiere Unmöglichkeit wäre. Heidenheim, Heimat der Sammlung, wird im Gegenzug Mülheims Zille-Schatz zeigen. Man rückt zusammen, Profil verliert man dabei keineswegs.

„Käfer, Crash und Capri-Batterie“, 17. Mai bis 17. August im Kunstmuseum Mülheim, Synagogenplatz 1, 45468 Mülheim, Katalog: 18 €

Öffnungszeiten: Di bis So, 11 bis 18 Uhr. Eintritt 4 €, erm. 2 €. Zahlreiche Führungen zur Schau, dazu Sonderaktionen wie „Kunst und Kaffee“. Weitere Info unter Tel. 0208-4554138.