Mülheim..

Die Begriffskombination ist in aller Munde, die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ erklärtes Ziel vieler. Doch teils setzen die Maßnahmen zu spät an, scheitern doch einige Frauen bereits daran, Familie und Berufseinstieg miteinander zu vereinbaren.

Das belegt ein Blick in die Landesstatistik: Jüngere Frauen (15 bis 30 Jahre) sind viel häufiger ohne abgeschlossene Lehre als gleichaltrige Frauen ohne Kinder. 1997 waren 44,3 % der Mütter in dieser Altersgruppe ohne Abschluss, 2005 waren es schon fast 53 % der jungen Mütter. 2005 war auch das Jahr, als Marion Steinhoff als Beauftragte für Chancengleichheit bei der für Mülheim und Oberhausen zuständigen Agentur für Arbeit begann. „Seitdem bin ich an dem Thema dran“, sagt sie und hat inzwischen ein Umdenken ausgemacht. Ein Ergebnis dessen ist die „Teilzeitausbildung“.

2010 wagte das Mülheimer Unternehmen „Döbbe“ den Versuch und stellte zwei Teilzeit-Auszubildende ein. Bei einer Infoveranstaltung hatte man sich über das da noch relativ neue Modell informiert und war, sagt Döbbe-Verkaufsleiter Dieter Schwabl, „sofort begeistert“. Die Motivation und die Einsatzbereitschaft der beiden ersten Auszubildenden überzeugte das Team dann restlos.

Warenannahme und Kassenschluss

Heute sind von 34 Azubis neun in Teilzeit beschäftigt. Sie alle, die zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk mit der Fachrichtung Bäckerei ausgebildet werden, sind junge Mütter, ein Großteil von ihnen ist alleinerziehend. Gerade 16 Jahre ist die jüngste, die älteste ist 32. Sie gehen an zwei Tagen in der Woche in die Berufsschule und an drei in den Betrieb, arbeiten 30 Wochenstunden. Die Kernarbeitszeit liegt zwischen 8 und 16 Uhr – eben dann, sagt Dieter Schwabl, „wenn die Kinderbetreuung gewährleistet ist“.

Eine „Zwischenschicht“ wurde in einigen Döbbe-Filialen eingeführt. Allerdings, räumt Schwabl ein, „müssen die Auszubildenden auch mal morgens oder abends kommen“. Denn auch Warenannahme und Kassenabschluss gehörten zur Ausbildung. Die absolvieren die Frauen zwar mit weniger Stunden, aber im normalen Umfang – inhaltlich wie zeitlich. „Wir verlängern nicht“, sagt der Verkaufsleiter, der weiß, dass man es anders handhaben kann: Um bis zu ein Jahr kann die Ausbildungszeit verlängert werden. „Das war aber bisher nie nötig. Die Frauen sind so motiviert.“

Mehr Bewerbungen als Stellen

Als Grund dafür nennt Marion Steinhoff von der Agentur für Arbeit das Coaching, das in der Meo-Region vorgeschaltet ist. „Einmalig“ sei das, habe sich aber bewährt. In Mülheim kooperiert man mit „bbwe“, der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Beratung, Begleitung und Weiterbildung“. Zehn junge Frauen werden dort auf ihre künftige Ausbildung vorbereitet, auch ein Praktikum ist Teil der Maßnahme.

„Eigentlich ist das ein Stresstest“, sagt Marion Steinhoff. Die Frauen könnten testen, ob die Kinderbetreuung klappe und ob der gewählte Beruf etwas für sie ist. „Handverlesen“ seien die Frauen, immerhin dürfe man die Doppelbelastung Mutter und Auszubildende zugleich zu sein, nicht unterschätzen. Letztlich seien diese Frauen, die oft „etwas lebensälter und reifer“ seien, „wertvolle Mitarbeiterinnen“. Das erkennen auch immer mehr Betriebe. Vor allem der Fachkräftemangel sorgt laut Marion Steinhoffs Einschätzung dafür, dass Unternehmer dieses Potenzial nutzen wollen.

Und auch immer mehr Frauen wollen diese Chance nutzen. Die Nachfrage bei Döbbe ist groß. „Wir haben mehr Bewerbungen als Stellen.“ Dieter Schwabl spricht von einem Verhältnis von sieben zu eins. Deshalb sei man „bemüht, neue Teilzeitstellen zu schaffen“. Das Bäckereiunternehmen mit rund 500 Mitarbeitern übernimmt alle Azubis und blickt dabei auf die Zukunft, denn die Kinder der Frauen werden auch älter. Und aus der Teilzeit wird ganz schnell Vollzeit.