Mülheim. Horst Heckmann (86) erlebte die Angriffe auf Mülheim hautnah mit. Er half, die Patienten aus dem Krankenhaus zu evakuieren. 1944 wurde er noch eingezogen.

Horst Heckmann, Jahrgang 1928, war ein aufgeweckter Mölmscher Jung’. Er wuchs in Heißen an der Heinrichstraße auf, und er sagt, er könne sich sogar noch an die Machtergreifung erinnern. Damals, 1933, habe es Fackelzüge der SA gegeben in der Stadt. Später sah er die Synagoge brennen. Elf war er bei Kriegsbeginn, als sein Vater eingezogen wurde, und mobil gemacht wurde in der Kaserne an der Kaiserstraße. „Man hatte das Gefühl“, sagt der heute 86-Jährige, „dass es nicht gutgehen könnte.“ Er sah Züge, beladen mit Kriegsgerät und Panzern. In der Schule machten sie Luftschutzübungen.

Später, 1941/’42, wurden die zwölf-, 13-Jährigen Jungs der „Mittelschule für Knaben“ an der Kaiserstraße herangezogen für die Brandwachen in der Schule. „Meine Mutter war darüber, wie andere Eltern auch, sehr aufgebracht“, erinnert sich Herr Heckmann. „Aber wir Kinder haben das damals erst als großes Abenteuer aufgefasst.“

Fliegeralarm kannten die Kinder 1942, doch die Bomben fielen noch eher auf Essen oder Duisburg, so Heckmann. Der Krieg kam erstmals nah an das Wohnhaus der Familie, als die Flak einen englischen Kampfbomber abschoss, der direkt hinter dem Garten auf einem Feld an der Heinrichstraße abstürzte. „Vier der Männer retteten sich mit Fallschirmen. Auf unserem Hof wurden sie festgenommen.“ Horst Heckmann besaß damals schon einen Fotoapparat und knipste den abgestürzten Flieger. Einzelne Flugzeugteile nahmen die Kinder „zum Protzen“ mit in ihre Schule. Krieg war ja auch Alltag für sie. Doch dann kam die Bombennacht im Juni 1943.

Dann kamen die „Christbäume“

Horst Heckmann war 15. Von Heißen aus hatte er vom Balkon der elterlichen Wohnung einen guten Blick auf die tiefer liegende Innenstadt: „Die Pfadfinder flogen voraus, markierten mit Leuchtkugeln die Angriffsziele“, weiß er noch. „Dann kamen die Flieger mit den ,Christbäumen’. Taghell erleuchteten sie die Stadt. Da wussten wir: Gleich sind wir dran.“

Also schnell in den hauseigenen Luftschutzkeller, bevor die Bomber kamen. Es kamen Hunderte. „Der Lärm, das Dröhnen der Motoren, es war ohrenbetäubend.“ Am Ende ging es noch glimpflich aus für das Heim der Heckmanns: Eine Brandbombe hatte den Dachstuhl abgefackelt, doch der Phosphor hatte sich nicht entzündet, zum Glück. „Aber alle Scheiben waren kaputt.“ Auch die Schule war ausgebombt. „Die Englischarbeit fiel ins Wasser.“

Die Nazis hatten mit den Jugendorganisationen dafür gesorgt, dass Kinder eingebunden wurden ins Kriegswerk. „Nach der Bombenacht mussten wir erst in der Augenklinik helfen und dann unten im Katholischen Krankenhaus. Was für ein Chaos! Alle Kranken mussten rausgebracht werden. Wir legten sie auf die Wiese.“ Das war das Ende einer Kindheit in Mülheim.

Nur wenige hat er später wiedergesehen

Kein Unterricht mehr, viele Kinder kamen in die Kinderlandverschickung. „Ich bin mit der Mutter privat zu Verwandten nach Thüringen gegangen“, erzählt Horst Heckmann. Bei Langensalza ging er weiter zur Schule. Zukunftspläne wurden gemacht: „Ich wollte zur Handelsmarine, hatte 1944 sogar schon eine Anheuerung auf der ,Padua’“, berichtet der 86-Jährige.

Doch es sollte anders kommen: Arbeitsdienst und dann haben sie ihn doch noch eingezogen bei den Panzergrenadieren. Als letztes Aufgebot gegen die Russen im Winter 44/45 am Stettiner Brückenkopf. Viele Jungen starben, nur wenige hat er später wiedergesehen. Horst Heckmann war im Lazarett, er konnte noch in Richtung Westen flüchten, es war knapp. Bis er in Gefangenschaft geriet in Mecklenburg, bei den Amerikanern, bei den Briten. Der Krieg war vorbei.

Der Sommer 1945 im Lager Eutin war entbehrungsreich, es gab fast nichts zu essen. Da suchten die Alliierten Bergleute für das Ruhrgebiet, und so kam Horst Heckmann zurück nach Mülheim. „Mein Vater kam zur gleichen Zeit heim.“ Und 1946 konnten sie die Mutter aus Thüringen nachholen.

Bombenhagel auf Mülheim

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