Mülheim.. Die Internationale Förderklasse des Berufskollegs Stadtmitte bereitet junge Zuwanderer auf den Besuch der Regelklassen vor. Großes Engagement bei den Pädagogen und Schülern.

Im Deutschunterricht sind heute Fragewörter dran und die acht Schüler der Internationalen Förderklasse (IFK) des Berufskollegs Stadtmitte machen konzentriert mit. Sie kommen aus Nigeria, Guinea, Ghana, Pakistan, Bangladesch und Marokko und sprechen neben ihren ethnischen Sprachen mehr oder weniger gut Französisch, Englisch oder Arabisch. Richtig gut Deutsch sprechen lernen möchten sie rasch, das wird schon nach einigen Minuten Unterrichtsbesuch klar.

Lehrerin und Bildungsgang-Koordinatorin Helga Frohn-Heinl redet langsam und deutlich, unterstützt neue Begriffe manchmal mit englischen Vokabeln. Reowanul, Azad, Abdul-Rahman, Prince, Arsalan, Tayeb und Aissata, zwischen 17 und 23 Jahre alt, sitzen in Zweier- oder Dreiergruppen an den Tischen und reagieren auf Fragen diszipliniert und klug. Wer eine Aufgabe nicht sofort versteht, bekommt Hilfe vom Banknachbarn. Dembo sitzt noch für sich, denn der junge Mann aus Guinea ist erst seit kurzem in Deutschland und muss noch die lateinische Schrift lernen. Um mit ihm im laufenden Unterricht einige Zeit lesen üben zu können, verteilt Frohn-Heinl zwischendurch Arbeitsblätter an die anderen.

System ist momentan stark belastet

„Diese Heterogenität macht den Unterricht schwierig“, sagt die Lehrerin. Früher seien Schüler in separaten Alphabetisierungskursen konzentriert worden, erst danach seien sie zu anderen Schülern gekommen. Das finde jetzt nicht mehr statt, so Helga Frohn-Heinl und führt das darauf zurück, dass das System momentan stark belastet sei. „Ich versuche das jetzt im normalen Deutsch-Unterricht zu leisten.“

In ihrer Klasse, die seit dem Frühjahr besteht, lernen aktuell 13 Schüler, von denen heute acht anwesend sind. Es werden sicher noch etliche hinzukommen, so die Pädagogin, die viel Wert darauf legt, dass ihre Schüler pünktlich sind und im Unterricht nicht essen oder Kaugummi kauen. „Auch das ist Teil meiner Aufgabe“, so Frohn-Heinl. „Ich versuche, für einen strukturierten Unterrichtsablauf zu sorgen.“

Die Flüchtlinge sind erst einige Monate in Deutschland und bemühen sich intensiv um Integration, um ihren Träumen und beruflichen Zielen näher zu kommen. „Sie glauben gar nicht, wie gerne die Schüler zum Unterricht kommen, denn hier entfliehen sie dem für sie oft bedrückenden und engen Alltag in den Unterkünften“, sagt Frohn-Heinl. In der Schule bilde sich eine erste neue Gemeinschaft. Die jungen Menschen kämen nach Deutschland und fänden ihre Lebensmitte häufig nicht mehr wieder, so die Pädagogin verständnisvoll. „Sie wollen lernen, haben aber den Kopf nicht frei.“ Deswegen benötigten etliche auch psychosoziale Betreuung, die zum Teil von der schulischen Sozialarbeiterin geleistet werde. Traumatische Erfahrungen und große Erwartungen ihrer Angehörigen aus den Heimatländern machten ihnen sehr zu schaffen.

Rund 40 Schüler in drei Klassen

„Ich rate ihnen, dass sie in Sportvereine gehen, denn Deutsch sprechen sie oft nur in der Schule“, so Frohn-Heinl. Den Afrikanern Prince, Abdul-Rahman und Dembo ist das bereits geglückt. Sie spielen in unterschiedlichen Mannschaften und träumen davon, Profifußballer zu werden. Auch die anderen haben Zukunftspläne: Aissata aus Guinea möchte nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung als Krankenschwester machen. Der Marokkaner Tayeb spricht bereits mehrere Sprachen und möchte Dolmetscher werden, Arsalan aus Pakistan denkt an eine Fotografenlaufbahn.

Rund 40 Schüler sind aktuell auf drei Internationale Förderklassen am Berufskolleg Stadtmitte aufgeteilt und es werden bald mehr, ist Frohn-Heinl sicher. In den Klassen, die auf in Deutschland gültige Schulabschlüsse vorbereiten sollen, finden sich gut ausgebildete ebenso wie analphabetische Flüchtlinge oder junge Menschen, die nur die arabische, aber nicht die lateinische Schrift beherrschen. Vorrangig aufgenommen werden schulpflichtige junge Menschen, unterrichtet wird neben Deutsch Mathematik, Informationstechnische Grundbildung, Politik, Landeskunde, Religion und Sport. Auch Theaterspielen ist Teil des Unterrichts. Im berufsspezifischen Lernbereich werden Textilverarbeitung und Holztechnik in Theorie und Praxis unterrichtet. „Sobald sie gut genug Deutsch können, werden Schüler in Regelklassen integriert, um ihren Schulabschluss zu machen“, erklärt Judith Dimke-Schrader, Abteilungsleiterin der Ausbildungsvorbereitung. „Wir sehen uns die Schüler genau an und gliedern sie entsprechend ein“, so die Lehrerin. Manche wechselten in Rekordzeit in Regelkassen.

Lösungen mit Herz und Verstand für Zuwander

Das Kommunale Integrationszentrum (KI) an der Heinrich-Melzer-Straße ist Kooperationspartner der Schulen und regelt in Mülheim die Verteilung der rund 600 Zuwandererkinder und -jugendlichen auf Regel- und Internationale Förderklassen. Laut Andrea Eikmeyer-Kitschenberg, der stellvertretenden Leiterin des Hauses, ist das KI in der glücklichen Lage, in vielen Sprachen kommunizieren zu können. Bei Bedarf helfen Dolmetscher. „Wir haben auch keine Hemmungen mehr, mit Händen und Füßen zu reden“, sagt Eikmeyer-Kitschenberg. „Wir finden hier Lösungen mit Herz und Verstand und sind keine Paragrafenreiter.“

Die Zusammenarbeit mit Schulen klappe sehr gut. Sie platzten zwar aus allen Nähten, aber es sei eine unglaubliche Bereitschaft vorhanden, alle Zuwanderer aufzunehmen. An Grundschulen nehme man die Kinder für zehn bis zwölf Stunden in der Woche aus den Regelklassen, um ihnen Deutsch beizubringen. Von den weiterführenden Schulen gebe es welche, die das ebenso handhabten, und andere, die Förderklassen einrichteten.

Über das DILIM-Projekt, „Deutsch und interkulturelles Lernen in Mülheim an der Ruhr“, erhalten weiterführende Schulen Unterstützung für Seiteneinsteiger-Schüler im Deutschunterricht durch 27 eigens engagierte Lehramts-Studenten. Es sei phänomenal von beiden Berufskollegs, dass sie mit so großer Bereitschaft auch nicht mehr schulpflichtige Jugendliche aufnähmen, die einen Abschluss anstrebten, lobt Eikmeyer-Kitschenberg.