Moers. Bei einer Kundgebung in einem Moerser Seniorenheim stellten sich Bundestagsabgeordnete den Geldsorgen der Bewohner. So reagieren die Politiker.
Für Pflegebedürftige wird es immer schwieriger, einen Heimplatz aus eigener Tasche zu zahlen. Erst kürzlich legte eine Recherche unserer Redaktion offen, dass die monatlichen Eigenanteile in den Moerser Einrichtungen mittlerweile bei bis zu 4400 Euro gipfeln. Und weitere Kostensteigerungen sind angesichts der bevorstehenden Tariferhöhungen für Pflegebeschäftigte in Sichtweite. Ein Zustand, den Hajo Schneider nicht akzeptieren möchte. Der Vorsitzende des Moerser Awo-Ortsvereines in Moers hat am Dienstagnachmittag gemeinsam mit Bewohnerbeirat, Betriebsrat und Verdi eine Kundgebung im Seniorenzentrum Schwafheim organisiert und hochrangige Politikerinnen und Politiker eingeladen. Während sich die CDU-Abgeordnete Kerstin Radomski entschuldigen ließ, folgten die Bundestagsmitglieder Jan Dieren (SPD) und Ulle Schauws (Grüne) dem Ruf aus dem Moerser Südosten.
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Schneider appelliert, dass eine angemessene Bezahlung für Pflegekräfte nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen gehen dürfte: „Menschen, die dieses Land mit aufgebaut haben, haben das Recht in Würde zu altern. Heute sind viele von ihnen Taschengeldempfänger.“ Rund 30 Prozent aller Bewohnerinnen und Bewohner einer stationären Einrichtung würden Sozialhilfe beziehen, schildert der hiesige Awo-Vorsitzende und fordert einen grundlegenden Systemwechsel. Sein Wunsch: Eine solidarische Pflegegarantie, durch welche die Pflegeversicherung durch alle Einkommensarten finanziert wird, Kapitalerträge eingeschlossen. Diese Garantie solle alle pflegebedingten Kosten übernehmen, sowohl bei stationärer als auch bei ambulanter Versorgung, und den Mix aus privater und gesetzlicher Versicherung beenden.
Dieren (SPD) über hohe Kosten im Pflegeheim: „Altersarmut ist vorprogrammiert“
Der Vorstoß stößt bei den anwesenden Bundestagsmitgliedern auf offene Ohren. Jan Dieren etwa sieht in der Neuaufstellung der Pflegeversicherung eine Zukunftsfrage für die gesamte Gesellschaft. Dem Sozialdemokraten ist klar: So wie es ist, könne es nicht bleiben. „Bei Kosten, die das was man zur Verfügung hat, deutlich übersteigen, ist vorprogrammiert, dass es auf Altersarmut hinausläuft“, sagt Dieren vor der versammelten Runde aus Beschäftigten, Bewohnerinnen und Angehörigen im Schwafheimer Seniorenzentrum. Am Lebensende in finanzielle Abhängigkeit zu geraten, sei falsch, meint der Moerser SPD-Abgeordnete. Schon jetzt herrsche in der Bundesregierung Streit darum, ob der Staat Reiche stärker besteuern und versicherungsfremde Leistungen künftig mit diesen Mehreinnahmen bezahlen könne. Als Hindernis bei dieser Forderung erweise sich laut Dieren die FDP: „Das werden wir in dieser Legislatur und mit diesem Koalitionspartner nicht mehr schaffen.“
Den Streit in der Regierung thematisiert ebenfalls Ulle Schauws - wenngleich sich die Grünen-Politikerin wünscht, dass weniger der internen Querelen nach außen dringen würden. Ihr sei „vollkommen klar“, dass das Problem der Pflegefinanzierung nicht erst unter der Ampel-Regierung aufgekommen sei. Und doch wolle sie in Berlin „den Finger in die Wunde legen, dass uns das, was in den drei Jahren passiert ist, nicht ausreicht“. Schauws betont, dass man im Bundestag ob der Größe der Reform in Zukunft weiter heftig streiten dürfte.
Moers: Bundestagsabgeordnete stellen sich Sorgen der Pflegeheimbewohner
Im Anschluss an die Kundgebung stellen sich die beiden Bundespolitiker den Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheims. Die Betroffenen berichten von hohen Kosten, durch die von der lange erarbeiteten Rente nichts mehr übrig bleibt. Auf der anderen Seite stimme das Preis-Leistungsverhältnis nicht. Einer der Pflegebedürftigen beklagt, es würde schon zu lange ohne Ergebnis über eine Pflegereform diskutiert: „Nach 20 Jahren Reden hat man die Schnauze voll.“ Eine andere Bewohnerin berichtet von häufigen Personalwechseln und Arztbesuchen während des Toilettengangs. „Wenn die Würde wirklich unantastbar ist, dann dürfen Sie nicht ins Seniorenheim gehen“, lautet ihr Ratschlag in Richtung der Abgeordneten.