Neukirchen-Vluyn/Rheurdt. Die Camper am Hoschenhof in Neukirchen-Vluyn machen sich große Sorgen. Die Stadt hat deutliche bauliche Mängel festgestellt. Was dahinter steckt.

Tatjana Lennartz wohnt auf dem Campingplatz am Hoschenhof eigentlich im Idyll; direkt am Großen Parsick, einem Altarm des Rheins, hat sie ihr Mobilheim gepachtet. Viel bekannter ist den Neukirchen-Vluynern und Rheurdtern dieses schöne Fleckchen Erde unter dem Namen Schultes Kull. „Hier habe ich damals schwimmen gelernt, hier bin ich schon als kleines Kind mit meinen Eltern zum Zelten hergekommen, das ist für mich Heimat“, erzählt Lennartz, die seit 16 Jahren mit ihrem Partner ihren festen Wohnsitz auf dem Campingplatz in Neufeld hat.

Doch jetzt ist sie besorgt und verunsichert – und viele andere Camper am Hoschenhof sind es auch. Im Rahmen einer Überprüfung, erklärt Lennartz, habe die Bauaufsichtsbehörde festgestellt, dass viele der feststehenden Wohnwagen und Bauten auf dem Gelände, das teils zur Gemeinde Rheurdt, teils zur Stadt Neukirchen-Vluyn gehört, möglicherweise gegen geltende baurechtliche Vorschriften verstoßen. Seitdem, erklärt die 61-Jährige, sind die Bewohnerinnen und Bewohner in Aufruhr, weil sie fürchten, dass Teile ihrer Bauten abgerissen werden müssen oder sie womöglich sogar ihr Heim verlieren.

Campingplatz gibt es seit über 60 Jahren

Einer der Wege zwischen den Campingplatz-Parzellen am Campingplatz Am Hoschenhof. Die Wege für die Rettungsdienste sind hier sehr eng.
Einer der Wege zwischen den Campingplatz-Parzellen am Campingplatz Am Hoschenhof. Die Wege für die Rettungsdienste sind hier sehr eng. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

„Der Campingplatz wurde Anfang der 1960er-Jahre gegründet und hat sich seitdem zu einem beliebten Ort für Familien, Naturliebhaber und Dauercamper entwickelt“, schildert Lennartz. Im Laufe der Jahre hätten sich allerdings die baulichen Gegebenheiten weiterentwickelt, was zu einer intensiveren Nutzung der Grundstücke führte. „Viele der Parzellen sind fest verpachtet und werden nicht nur in den Sommermonaten, sondern ganzjährig genutzt“, so die Dauercamperin.

Das habe nun die Bauaufsicht auf den Plan gerufen, die vor allem die Anlagen im Fokus habe, die ursprünglich nicht genehmigt wurden. Zudem gebe es Pläne, neue Zufahrtswege für die Rettungsdienste zu bauen. Probleme rund um den Brandschutz sind am Hoschenhof schon seit Jahrzehnten bekannt, zuletzt war das Thema wieder Gegenstand einer Fraktionssitzung in der Gemeinde Rheurdt. „Aber diese Brandschutzbegehungen finden ja jährlich hier statt und in den vergangenen Jahren hatten sie keine Konsequenzen, obwohl die baulichen Gegebenheiten die gleichen wie jetzt sind“, wundert sich die 61-Jährige.

Nun solle nämlich die Auflage kommen, dass zwischen den bestehenden Gebäuden ein Abstand von umlaufend fünf Metern zu schaffen ist“, so Lennartz. Damit solle die Feuerwehr im Notfall besser herankommen. „Doch dies kommt in vielen Fällen einer Nutzungsuntersagung gleich“, argumentiert Lennartz. „Es bedeutet nämlich, dass ein Großteil der Parzellen nicht mehr nutzbar sein würde oder man sich mit dem Nachbar einigen muss, ob er seine neu eingerichtete Küche, oder der andere sein umgebautes behindertengerechtes Bad verkleinert.“ Einige Nachbarn hätten, so Lennartz, jetzt schon begonnen, beispielsweise ihre Dächer zu verkleinern.

Viele Camper haben schlaflose Nächte

Wenn keine Einigung erzielt werde, bestimme nämlich der Betreiber, welche Rückbauten vorgenommen werden müssen oder welche Parzelle geräumt werden muss. Die Betreiber des Campingplatzes seien zwar bereits im Gespräch mit der Bauaufsichtsbehörde, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, dennoch hätten viele Camper jetzt schlaflose Nächte. „Eine Untersagung hätte wirklich weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen“, erklärt Lennartz. Von rund 180 Plätzen seien etwa 100 von Dauercampern belegt. „Viele von ihnen haben erhebliche Investitionen in ihre Parzellen und Heime getätigt.“ Eine Untersagung könnte nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch den Verlust ihres Zuhauses bedeuten. „Das ist eine harte Belastung“, macht die 61-Jährige klar.

Blick von der Terrasse eines Mobilheims auf den Altrheinarm.
Blick von der Terrasse eines Mobilheims auf den Altrheinarm. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Der Wohnungsmarkt gebe zudem einfach nicht genug „bezahlbare“ Wohnungen her. „Hier wohnen nicht nur junge Familien, die ihre Kinder unbekümmert draußen spielen lassen können, da auch die Nachbarn immer ein Auge auf die Kinder werfen, sondern auch alte Menschen, um die wir uns hier alle mit kümmern“, betont Lennartz. Das sei etwas ganz Besonderes. Viele hätten ihre Nachbarn als Erstkontakt bei Notrufdiensten angegeben, weil die schneller da sein könnten als weiter entfernt lebende Familienmitglieder. „Wir sind hier eine gut funktionierende Gemeinschaft und haben Angst, dass das jetzt zerstört wird.“

Mehrere Behörden arbeiten zusammen an Lösung

​​​​​​Die Stadt Neukirchen-Vluyn bestätigte auf Anfrage, dass bei einer im Frühjahr diesen Jahres durchgeführten Brandschau zum Teil erhebliche Mängel festgestellt worden seien. In diesem Zusammenhang prüfe nun der Kreis Kleve, der etwa 7/8 des Campingplatzes zu überwachen hat, zusammen mit der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Neukirchen-Vluyn, wie der präventive und bauliche Brandschutz für das Gelände künftig sichergestellt werden könne. Anders als viele Camper vermuten, sei aber noch unklar, welche Konsequenzen aus dieser Prüfung für den einzelnen Pächter hervorgehen würden. Hierzu, teilt die Stadt mit, haben die Betreiber des Campingplatzes einen Brandschutzingenieur beauftragt, der eine Gesamtlösung erarbeiten soll.

Zudem wurde nach Angaben der Stadt in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Rheurdt ein Bauleitplanverfahren eingeleitet. Ziel dieser Verfahren ist es, den bestehenden Campingplatz an die Vorgaben der Camping- und Wochenendhausverordnung anzupassen, um somit zukünftig die Sicherheit für die Nutzer gewährleisten zu können.

„Wir wissen einfach nicht genau, wie es weitergeht“

Als langjährige Dauercamperin hofft Lennartz, dass eine Lösung gefunden wird, die den Interessen der Bewohnern gerecht wird und die bestehende Nutzung in Einklang mit den baurechtlichen Anforderungen bringt. Das Schlimmste seien derzeit die fehlenden Infos: „Wir wissen einfach nicht genau, wie es weitergeht.“