Herne. Fan-Lobby fordert nach Urteil auch die Umlegung von Polizeikosten auf Volksfeste. Schausteller-Präsident Albert Ritter hat eine klare Antwort.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Polizeikosten im Fußball bewegt jetzt auch die Schausteller. Liest man die Begründung des Urteils, das es nun den Bundesländern ermöglicht, Fußballvereinen aufwändige Polizeieinsätze in Rechnung zu stellen, dann lässt sich das Urteil möglicherweise auch auf Volksfeste wie die Cranger Kirmes in Herne übertragen. Aber wird das Land jetzt demnächst der Stadt Herne die Sicherheit in Rechnung stellen? Von der Idee hält Schausteller-Präsident Albert Ritter überhaupt nichts.
Fans fordern: Rechnungen auch für große Volksfeste
Das Urteil war wenige Stunden alt, da meldete sich Thomas Kessen, Sprecher der Fanvereinigung Unsere Kurve zu Wort: „Das heutige Urteil muss fair und gleich auf alle öffentlichen Großveranstaltungen angewendet werden. Wir erwartet nun vom Freistaat Bremen jährliche Rechnungen an die Veranstalter des Bremer Freimarkts. Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden“, teilte Kessen mit. Gleichwohl schränkte er ein: „Ob wir als Gesellschaft das allerdings wollen, darf bezweifelt werden – und ebenso zweifelhaft ist das heutige Urteil.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte es im Grundsatz für rechtmäßig erklärt, dass Bremen der Fußballliga DFL die Einsätze für die Risikospiele berechnet. Es ist das erste Mal, dass der Staat Kosten für die behördliche Sicherheit auf die Verursacher umlegen darf. In der grundsätzlichen Bewertung stimmt Schaustellerpräsident Albert Ritter dem Fanvertreter zu: „Muss man dann demnächst auch eine Münze einwerfen, wenn man die 110 wählt?“, fragt der 71-Jährige rhetorisch. Er halte es für äußerst fragwürdig, Polizeieinsätze in Rechnung zu stellen, sagt Ritter. „Bis jetzt war Polizei immer eine hoheitliche Aufgabe.“
Albert Ritter: Kirmes ist keine Gewaltveranstaltung
Eine Kirmes sei allerdings aus verschiedenen Gründen auch nicht mit einem Hochrisiko-Fußballspiel vergleichbar: „Wir haben ja keine Massenbesäufnisse auf der Cranger Kirmes. Das Rote Kreuz hat jedes Jahr mehr Wespenstiche zu behandeln als Gewalt-Opfer.“ Und auch die Leitlinie, die Kosten immer dem Profiteur in Rechnung zu stellen, greife bei der Kirmes nicht: „Auf der Kirmes sind 500 Kleinbetriebe und nicht ein großer Fußballkonzern.“ Letztlich müsse man die Kosten auf die Gäste umlegen: „Wir wollen auf Volksfesten bezahlbar bleiben.“ Eine Kirmes solle Familienunterhaltung bleiben und kein exklusives Vergnügen. Ritter kündigt an, dass sich die Schaustellerinnen und Schausteller beim am Wochenende anstehenden Delegiertentag in Hamburg intensiv mit dem Thema befassen werden. Ritter verweist darauf, dass die meisten Volksfeste auch von Städten und Gemeinden veranstaltet werden.
„Die Stadt verdient an der Kirmes nichts. Die entstandenen Kosten werden umgelegt“, sagt auch Kirmessprecher Alexander Christian. Bislang sei es noch überhaupt kein Thema, dass die Polizei die Kosten für die polizeiliche Sicherheit (neben viel Personal eine eigene Kirmeswache und ein Einsatzzentrum) in Rechnung stellen werde. Auch Innenminister Herbert Reul (CDU) als oberster Polizei-Chef in NRW hatte sich zunächst sehr zurückhaltend zu dem Urteil geäußert und gesagt, dass Polizeieinsätze „kein Preisschild“ haben dürften . Christian betont das „gute Miteinander“ der Behörden bei der Kirmes. „Wir beobachten natürlich, wie sich die Debatte entwickelt.“
Richter sehen „Veranlasserprinzip“ bei Gebühren
Die Karlsruher Richter hatten die Rechtmäßigkeit der Gebührenberechnung mit dem „Veranlasserprinzip“ begründet. Sprich: ohne Fußballspiel kein erhöhtes Sicherheitsrisiko und kein Polizeieinsatz. In der Urteilsbegründung heißt es: „Die Nähe zum gebührenpflichtigen Mehraufwand wird im vorliegenden Fall auch durch den besonderen Umfang des Aufwands begründet, der in abgrenzbarer Weise durch die Veranstaltung und gerade nicht durch die Allgemeinheit verursacht wird.“
Allerdings unterscheiden die Richter zwischen normalen Fußballspielen und Hochrisikospielen, um die es im letztlich verhandelten Bremer Fall ging: „So wurde bei dem Hochrisikospiel, das dem vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrunde liegt, ein Vielfaches an Polizeikräften im Vergleich zu Nicht-Hochrisikospielen eingesetzt“, heißt es weiter. Überträgt man das, wäre dann die Cranger Kirmes eine „Hochrisiko-Kirmes“ beispielsweise im Vergleich zur Innenstadt-Kirmes? Oder gerade nicht, weil es gemessen an der Zahl der Menschen eher friedlich bleibt?