Herne. Gerüchte um Asbest in Klassenräumen einer Herner Schule beunruhigen die Eltern. Tatsächlich handelt es sich laut Stadt um einen anderen Giftstoff.
Aus gesundheitlichen Gründen sollen Kinder ihren Klassenraum nicht fegen. Diese Information sollen Eltern einer fünften Klasse der Mont-Cenis-Gesamtschule in Sodingen beim ersten Elternabend von der Lehrerin erhalten haben. Von Asbest sei die Rede gewesen, von einem Fege-Verbot, damit die Kinder keine Staubkörner einatmeten, erzählen mehrere Eltern. „Wir waren alle total schockiert, als wir das gehört haben“, sagt Mutter Jennifer Zinke.
Betroffen sei, so habe es die Lehrerin gesagt, der gesamte Trakt, in dem die Fünft- und Sechstklässler ihre Klassenräume haben. „Unsere Kinder werden sich zwei Jahre dort befinden. In den zwei Jahren kann gesundheitlich viel passieren“, mahnt Jennifer Zinke und bringt die Sorge der Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder zum Ausdruck. Sie fordert wie einige andere Eltern: „Der Trakt muss geschlossen werden.“
Schwangere und Stillende sollen Raum nicht mehr nutzen
Schwangere und stillende Mütter sollten die Räume aufgrund der hohen Schadstoffbelastung auch offiziell nicht mehr betreten. „Aber dann kann man doch nicht jeden Tag Kinder in diesen Raum setzen, wenn er belastet ist“, regt sich Yvonne Seidel auf und hat Sorgen vor Langzeitfolgen für ihren Sohn. Auch die Vorhänge sollten von den Kindern wegen der Schadstoffbelastung besser nicht angefasst werden, sei beim Elternabend gesagt worden.
„Es gibt kein Asbest an dieser Schule – um Gottes Willen, nein“, betont Schulleiterin Sylke Reinmann-Pérez auf Anfrage und verweist für weitere Informationen an die Stadt. Diese stellt klar, dass im betreffenden Schultrakt sehr wohl seit einigen Monaten Raumluftmessungen auf Schadstoffe durchgeführt werden. Es handele sich jedoch nicht um Asbest, sondern um PCB. Grund für die erhöhten Werte sei, dass „in außenliegenden Gebäudefugen beim Bau des betreffenden Gebäudes PCB als Weichmacher im Fugenmaterial verwendet wurde - was damals ebenso zulässig wie üblich war“, sagt Stadtsprecher Tobias Kindel.
„Die PCB-Werte werden auch weiterhin regelmäßig gemessen, sie liegen in einem Bereich, für den vorgesehen ist, dass mittelfristig für Abhilfe gesorgt werden soll“, so Kindel weiter. Dies erfolge durch die Fertigstellung des Neubaus und den Umzug Mitte 2026. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Schulleiterin Sylke Reimann-Pérez, Eltern und Schülerschaft seit vielen Jahren (vergeblich) auf den Neubau warten, der sich immer wieder verschoben hat.
Als reine Vorsorgemaßnahme würden die Räume bis dahin täglich nass gereinigt. Der Stadtsprecher betont, dass die Stadt vor einigen Monaten „mit größter Transparenz“ über die Raumluftmessungen informiert habe. Diese seien bereits seit 2022 von einem Fachinstitut durchgeführt worden. Auch die Schulpflegschaft sei im April dieses Jahres in einer außerordentlichen Sitzung darüber informiert worden. Zudem ist auf den Seiten der Stadt eine Webseite zu dem Thema eingerichtet.
Dort kommt sie bei der Einordnung der Messergebnisse, die nicht näher beziffert werden, zu dem Schluss: „Für die Schüler*innen und Mitarbeitenden besteht demnach keine unmittelbare Gesundheitsgefahr, in den Räumen der Mont-Cenis Gesamtschule kann weiterhin unterrichtet werden.“ Aus Vorsorgegründen und zur Minimierung der Belastung werde durch verstärktes Lüften und Reinigen die PCB-Belastung in den Aufenthaltsräumen gesenkt. Und weiter: „Schwangere und stillende Mütter sollten sich aber aus besonderen Vorsorgegründen nicht in höher belasteten Räumen aufhalten.“ Zu den Risikogruppen für eine PCB-Belastung zählten Schwangere, Embryos und Kleinkinder.
Schule in Herne - Lesen Sie auch:
- Schulleiterin reicht’s: Mont-Cenis-Schule wartet auf Neubau
- Erstklässler in Herne 2024: Alle Fotos der i-Dötzchen
- Neue Leiterin will mit langem Atem Gesamtschule verbessern
PCB statt Asbest: Diese für die Eltern neue Information beruhigt diese nicht wirklich. „Die Gefährdung ist nicht weniger klein, nur weil aus Asbest PCB wurde“, sagt der Klassenpflegschaftsvorsitzende David Müller. Die möglichen Langzeitfolgen seien nicht sehr viel geringer. „Dort muss etwas passieren“, betont er deshalb noch einmal. Mehrere Räume müssten gesperrt werden oder auch der ganze Trakt. Zudem wünschen sich die Eltern, deren Kinder erst seit Sommer die Schule besuchen, mehr Informationen und Transparenz.
Mutter Sara Müller sagt, sie habe in ihrer Verzweiflung schon verschiedene Politiker der Stadt angeschrieben – jedoch ohne Reaktion. Diese fehlenden Informationen würden besonders belasten. Zudem ärgert sie sich darüber, dass das Otto-Hahn-Gymnasium für mehrere Millionen Euro Container bekomme, ihren Kindern diese Möglichkeit aber nicht gegeben werde, um in einem gesünderen Umfeld lernen zu können. Die Eltern möchten die genauen Messwerte erhalten, um sich selbst ein Bild der möglichen Gefahr für die Kinder zu machen – oder ob die Sorgen in der Form gar nicht nötig sind.
>>> Weitere Informationen: Was und wie gefährlich ist PCB?
- Die Stadt Herne gibt folgende Informationen zu PCB (zusammengefasst): PCB ist die Abkürzung für Polychlorierte Biphenyle. Bis in die Siebzigerjahre wurden PCB in unterschiedlichen Baustoffen eingesetzt. Seit 1978 ist die Verwendung in offenen Systemen mit Kontakt zur umgebenden Luft untersagt; seit 1989 besteht ein vollständiges Verwendungsverbot.
- PCB gasen aus den Baumaterialien aus und belasten die Raumluft. Aufgrund der weiten Verbreitung von PCB sei der Mensch im Alltag einer permanenten PCB-Hintergrundbelastung ausgesetzt. Grundsätzlich könne PCB auf drei verschiedene Arten aufgenommen werden: über die Nahrung, Atemorgane und die Haut.
- Wie gefährlich PCB im Einzelnen sind, hänge von der Struktur jeder einzelnen PCB-Verbindung ab. Die Auf- oder Einnahme geringer Mengen von PCB-Gemischen über einen längeren Zeitraum hinweg führe gegebenenfalls erst nach einigen Jahren/Jahrzehnten zu gesundheitlichen Problemen. PCB könnten langfristig Leber- und Nervenschäden und Störungen des Hormonhaushaltes und Immunsystems auslösen. Eine krebserregende Wirkung werde erst bei hoher Belastung beschrieben, so die Stadt auf ihrer Homepage weiter.