Herne. Julia Derxen absolviert in der Herner EvK-Gruppe ihre Ausbildung zur Köchin. Nun gewann die Spätberufene bei den Bezirksmeisterschaften Silber.

Die Silbermedaille - Julia Derxen hat bei den Bezirksmeisterschaften der Koch-Azubis den zweiten Platz belegt. So überraschend für sie selbst der Erfolg war, so ungewöhnlich ist ihr Werdegang, denn Derxen ist in ihrem Beruf eine Spätstarterin, die dann durchgestartet ist.

Der Grund: Ihre Ausbildung hat sie erst im Alter von 44 Jahren begonnen, nachdem sie 2021 als Küchenhilfe bei der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel angefangen hatte. Zuvor war sie „hauptberuflich“ Mutter, vier Kinder habe sie, erzählt sie im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Und als Mutter habe sie immer gerne gekocht - doch eine Kochausbildung sei überhaupt nicht ihr Plan gewesen. Doch als sie eine Ausschreibung gesehen habe, dass die EvK-Großküche in Castrop-Rauxel ausbilde, habe sie doch Interesse bekommen. Das hatte auch Küchenleiter Sergej Tissen. „Wir haben sie in verschiedenen Bereichen eingesetzt und gesehen, dass sie Talent hat“, erzählt er.

Julia Derxen darf ihre Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzen

Doch Derxen zögerte. Wie sollte sie die Ausbildung inklusive Berufsschule unter einen Hut bringen? Würde das Geld reichen? Und würde sie das Berufskolleg mit ihren Wurzeln in Kasachstan sprachlich schaffen? „Ich hatte große Angst vor der Schule“, gesteht sie. So viel kann man vorwegnehmen: Julia Derxen hat jede Hürde gemeistert, sie ist so gut, dass sie ihre Lehrzeit sogar um ein halbes Jahr verkürzen darf, ihre Leistungen sind überdurchschnittlich.

Julia Derxen war völlig überrascht über ihren zweiten Platz beim Kochwettbewerb.
Julia Derxen war völlig überrascht über ihren zweiten Platz beim Kochwettbewerb. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Das offenbarte sich nicht zuletzt bei der traditionellen Bezirksmeisterschaft, die vor wenigen Wochen am Bochumer Alice-Salomon-Berufskolleg ausgetragen worden ist. Allein die Teilnahme ist ein Erfolg, denn nur die Jahrgangsbesten werden dazu eingeladen, fünf Azubis waren es in diesem Jahr. „Da war erstmal Stress angesagt“, erinnert sich Tissen. Ein Grund: Unter den Zutaten, die die Jury zwei Wochen vor dem Wettbewerb mitgeteilt hatte, waren neben Kaninchen auch Schwarzwurzeln. Die hatte Julia Derxen vorher noch nie gesehen, geschweige denn wusste sie, wie man sie verarbeitet. Außerdem waren sie im Handel kaum zu bekommen, weil ihre Saison noch gar nicht begonnen hatte. Bei der Zubereitung entschied sie sich dafür, einen lauwarmen Salat mit gebratener Forelle zu kreieren, das Ergebnis des Probekochens schmeckte.

Julia Derxen möchte weiter in der EvK-Großküche arbeiten

Auch wenn sie gut vorbereitet gewesen sei, der Wettbewerb war für Julia Derxen purer Stress. Ihr beruflicher Alltag findet in einer Großküche statt, à la carte zu kochen ist eine Ausnahme, auch wenn sie in der Herner „Guten Stube“ ein Praktikum absolviert hatte. „Ich habe immer mal hinübergeschaut, was die andere Teilnehmer kochen, und ich dachte, dass mein Menü so einfach sei“, erzählt Derxen. „Ich habe mit dem letzten Platz gerechnet, nicht mit dem zweiten.“ Doch dieses Einfache und Rustikale war genau das, was die Jury erwartet hatte, „kein Schickimicki“, wie Tissen ergänzt.

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Trotz dieses Erfolgs hat sie keine Ambitionen, in die gehobene Gastronomie - wie in der Guten Stube - zu wechseln. Aus dem dreimonatigen Praktikum dort weiß sie, dass sie den Stress, den sie beim Wettbewerb hatte, jeden Tag hätte. „Dazu bin ich zu alt. Ich fühle mich hier wohl.“ Hinzu komme, dass sie in der EvK-Küche Beruf und Familie gut vereinbaren kann. Derxen hat immer Frühschicht und kommt nach Hause, wenn die Kinder aus der Schule kommen.

Und wer weiß, vielleicht kann sie sich in der EvK-Küche weiterentwickeln. „Alle, die gefördert werden wollen, werden auch gefordert“, so Küchenleiter Sergej Tissen.