Herne. In der Teutoburgia-Siedlung ist das Halloween-Fieber ausgebrochen. Viele Besucher werden erwartet. Sogar Busse werden deshalb umgeleitet.
So manche Menschen schmücken ihre Häuser zu Halloween mit geschnitzten Kürbissen, andere hängen künstliche Spinnenweben an Buchsbäumchen oder Eingangstüren. Doch so einfache machen es sich die Bewohner und Bewohnerinnen der Teutoburgia-Siedlung in Herne-Börnig nicht. Hier werden ganz andere Geschütze aufgefahren.
Deshalb kommen zu Hallowee, am letzten Oktober-Tag, auch viele Besucherinnen und Besucher von Nah und Fern nach Börnig. Die Vorgärten der Teutoburgia gleichen einem Horrorfilm. Literweise Kunstblut, meterlange Absperrbänder, aufwendige Halloween-Szenarien mit Figuren im Wert von hunderten von Euro und kiloweise künstliche Spinnenweben. In der Teutoburgia-Siedlung ist das Halloween-Fieber ausgebrochen. „Hier sind alle verrückt“, beschreibt es ein Anwohner. Wir haben mit den Halloween-Fans gesprochen.
Eine ganz besondere Grusel-Thematisierung hat der Horror-Vorgarten von Familie Lange. „Wir haben uns auf Filmklassiker festgelegt. ‚Es‘, ‚Stranger Things‘, ‚Freitag der 13.‘ und mehr. Wir wollten auch Filme thematisieren, die aus den Erinnerungen schon ein wenig verschwunden sind“, erzählt Tino Lange. Erst seit diesem Herbst hat es das Ehepaar mit den Halloween-Vorbereitungen so richtig gepackt. Die vorherigen Jahre kamen Urlaubspläne oder andere Dinge dazwischen. In diesem Jahr dachte sich Tino Lange aber: „Man könnte den Vorgarten auch mal anders gestalten.“ Mit viel Hingabe und Liebe zum Detail ist aus dem Gartenstück auf der Teutoburgiastraße 37 ein echtes Grusel-Wimmelbild geworden. Ein zwei-Meter-großer Sensenmann überblickt die Szenerie.
„Jenseits der 600 Euro haben wir an Geld ausgegeben“
Im Kellerfenster kann man das Gesicht vom Clown „Pennywise“ aus Stephen Kings „Es“ erkennen, inklusive dem Jungen mit typischen gelbem Regenmantel und rotem Luftballon. Auch eine Puppe von Jason Voorhees aus „Freitag der 13.“ klammert sich erschreckend echt am Regenrohr fest. Das Highlight des Gartens: ein kotzendes Skelett. Mithilfe einer Wasserpumpe und grün-fluoreszierendem Wasser sieht es besonders im Dunkeln so aus, als wenn sich das Skelett in ein chemisches Fass übergibt. „Mir macht besonders die Herstellung der Figuren Spaß. Und die Resonanz der Leute ist fantastisch“, sagt Tino Lange. Die Puppen gestaltet er mit Heizungsisolierung und HT-Rohren. Dafür brauche er meistens einen Nachmittag, manchmal aber auch zwei bis drei Tage. „Kaufen kann ja jeder“, fügt er zwinkernd hinzu. Er ist sich dennoch bewusst, dass sich kleinere Kinder vor seinem Vorgarten fürchten könnten. Er sagt aber auch: „Halloween ist kein Karneval, Halloween ist gruselig.“
Doch das schaurige Vergnügen hat seinen Preis. „Jenseits der 600 Euro haben wir an Geld ausgegeben“, erzählt er. Dennoch schmücke er sein Halloween-Haus besonders aus einem Grund: „Es macht Spaß!“ Einzelne Nachbarn in der Teutoburgia-Siedlung würden ernsthaft in Konkurrenz stehen und versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Die Konkurrenz komme jedoch auch aus den Nachbarstädten. In jedem Jahr würde sich die Siedlung ein Kopf-An-Kopf-Rennen mit einer Siedlung zwischen Bottrop und Essen liefern. „Wir liegen aber immer knapp vorne“, sagt Lange stolz. Auch weit über die Stadtgrenze hinaus sei die Teutoburgia-Siedlung für ihre aufwendigen Halloween-Häuser bekannt. Sogar Reisebusse aus Köln und Düsseldorf habe er in den letzten Jahren gesehen, so Lange.
Die HCR, der örtliche Verkehrsunternehmen nennt das Spektakel in Teutoburgia „Veranstaltung“ und hat deshalb vorsorglich eine Umleitung eingerichtet. Ab 16 Uhr (und bis Betriebsende) gilt für die Linien 311 und 351 zwischen (H) Herne, Schadeburgstr./Börnig Bf und (H) Herne, Baarestraße: Die Haltestelle Teutoburgia entfällt ersatzlos, die Haltestelle Baarestraße entfällt ebenso, ersatzweise werde die Haltestelle Von-Bodelschwingh-Straße der Linie 311 bedient. Und: Die Haltestelle Schadeburgstraße/Börnig Bf werde auf die Sodinger Straße verlegt.
Zwölf Kilogramm Süßes für Halloween
Nikolai Zysk sagt, dass auch aus anderen Städten, etwa Bochum und Witten, Leute anreisten, um die Grusel-Siedlung zu bestaunen. Seit drei Jahren zaubert er mit seiner Ehefrau aus ihrem Vorgarten an der Baarestraße 41 ein Grusel-Diorama. „In der Siedlung ist das einfach gang und gäbe. Hier sind einfach alle verrückt“, sagt er. Bei der Gestaltung lassen sich die beiden viele kreative Ideen einfallen.
Wo Nikolai Zysk diese hernimmt? „Aus meinem Kopf. Man muss schon ein wenig kreativ sein“, sagt er. Eine beeindruckende Sensenmann-Skulptur aus Bettlaken und Beton habe er „komplett frei-schnauze“ innerhalb einer Stunde selbst erschaffen. Er bedauere, dass im Moment auch viel an Halloween-Dekoration in der Siedlung geklaut werde. „Manchmal findet es sich bei den anderen Nachbarn im Garten wieder...“, fügt er schulterzuckend hinzu. Dass sich die Kinder an Halloween an seinem geschmückten Garten erfreuen können, findet er besonders klasse. Ein wenig Bedenken, was die Süßigkeiten-Menge angeht, habe er allerdings schon. Im vergangenen Jahr waren acht Kilogramm Süßigkeiten noch vor sieben Uhr abends aus. Daher hat er in diesem Jahr auf stolze zwölf Kilo aufgestockt.
Warum Jennifer Puschs Familie ihren Garten jetzt schon im zweiten Jahr schmückt? „Weil die Siedlung verrückt ist. Es ist Gruppenzwang“, sagt sie lachend. Im letzten Sommer sei die Familie auf die Schreberstraße 10 gezogen und habe sich sofort anstecken lassen, so Pusch. Jedoch sei sie in der Teutoburgia-Siedlung groß geworden und kenne daher die Halloween-Eigenheiten der Teutoburgia-Bevölkerung. So sei die junge Familie direkt mitgezogen. Ein vom Rasenmäher überfahrener Mensch und eine von der Decke hängende blutverschmierte Puppe zieren den Vorgarten der Familie Pusch. Klar hätten kleinere Kinder auch mal Angst vor den schaurigen Gestalten, „da kommt man dann aber mit einem Bonbon entgegen und schon strahlen sie wieder“, sagt Jennifer Pusch.
An die 100 Euro habe sie zusammen mit ihren direkten Nachbarn für die Gestaltung ausgegeben. Das sei noch gar nichts, sagt sie. Manche Teutoburgier würde 400 bis 600 Euro pro Figur ausgeben. Da ist der Garten der Puschs noch ein Schnäppchen.
Am glücklichsten machen die strahlenden Kindergesichter
Eine grüne Hexe rührt im Garten von Silke Wache auf dem Bogenweg 67 in einem Hexenkessel. Neben Holzkreuzen und jeder Menge künstliche Spinnenweben thront ein schwebender Sensenmann, der vermutlich auf sein nächstes Opfer wartet ... .„Die Halloween-Deko hat sich im Laufe der Jahre gesteigert. Die Kinder stehen an Halloween meist bis zur Straße Schlange, um Süßigkeiten zu bekommen“, erzählt Silke Wache. Wie sie auf die Ideen für schaurige Dekoration kommt? „Ich bin ja so eine Deko-Queen“, sagt sie, „ich mache das mit meinem Ehemann alles selbst und wir recyceln viel.“ Für die aufwendigen Dekorationsarbeiten werde das Ehepaar aber jedes Jahr entlohnt. Denn am glücklichsten machen sie die strahlenden Kindergesichter an Halloween.