Herne. Am Kohlekraftwerk Baukau „Herne 4“ endet eine Ära. Die Landmarke wurde aus dem Regelbetrieb genommen. Betreiber Steag ist nicht begeistert.

Das Steinkohle-Kraftwerk Herne 4 ist als systemrelevante Anlage eingestuft worden. Damit muss Betreiber Steag das weithin sichtbare Wahrzeichen an der A43/A42 bis mindestens März 2027 in Bereitschaft halten. Geld verdienen darf die Steag mit dem Kraftwerk aber nicht mehr.

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Systemrelevant bis März 2027

Steag und die Bundesnetzagentur bestätigen übereinstimmend die Einstufung. „Es ist zutreffend, dass die Amprion GmbH als zuständiger Übertragungsnetzbetreiber das Kraftwerk Herne 4 infolge der durch die Steag Power GmbH angezeigten Stilllegung bis März 2027 als systemrelevant ausgewiesen hat“, sagt Netzagentur-Sprecher Michael Reifenberg. Seine Behörde habe die Ausweisung mit Datum vom 27. September genehmigt.

Amprion sorgt sich um die Netzstabilität an Tagen, an denen wenig Wind weht und wenig Sonne scheint. Dann muss Strom aus anderen Quellen erzeugt werden, damit es nicht zum großen „Blackout“ kommt. Nach Einschätzung von Amprion geht das aktuell nicht ohne das aus dem Jahr 1989 stammende Herner Kraftwerk.

Das Herner Steinkohle-Kraftwerk „Herne 4“ in Baukau. Links der Kühlturm, der Kraftwerksblock und der hohe Schornstein, die zu dem Block gehören.
Das Herner Steinkohle-Kraftwerk „Herne 4“ in Baukau. Links der Kühlturm, der Kraftwerksblock und der hohe Schornstein, die zu dem Block gehören. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Wie oft geht das Kraftwerk überhaupt noch ans Netz?

Zuletzt galt eine Grundregel: Immer wenn über dem riesigen Kühlturm in Herne Wasserdampf zu sehen war, dann lohnte sich die Stromerzeugung aus Steinkohle wirtschaftlich. Wenn nicht, dann nicht. Das ist nun gänzlich anders: „Wir dürfen nur noch Strom produzieren, wenn der Netzbetreiber Amprion das anfordert“, sagt Steag-Sprecher Markus Hennes. „Selbst wenn es sich lohnen würde, Strom zu produzieren, dürfen wir das nicht. Wir sind mit dieser Anlage nicht mehr am Markt.“

Praktisch heißt das, dass jetzt in Herne immer eine Steag-Mannschaft in Bereitschaft sitzt und darauf wartet, dass die erneuerbaren Energien knapp werden. Zeichnet sich eine Knappheit ab, dann kann das Kraftwerk angeheizt werden. Nach etwa zwölf Stunden Vorlauf ist die Anlage zur Stromerzeugung bereit. Ihre Betriebskosten bekommt die Steag nun erstattet, mehr nicht.

Steag: Jetzt sechs von sieben Kraftwerken in der Systemrelevanz

Die Steag hatte die Anlage schon vor der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Gaskrise aus dem Netz nehmen wollen und das dann dieses Jahr auch so angemeldet: Laut Amprion (und das bestätigt auch die Bundesnetzagentur) könnte die „Stilllegung des Kraftwerks hinreichend wahrscheinlich zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führen“.

Was die Steag wurmt: Die Systemrelevanz bremst den eigentlich geplanten Konzernumbau mit der Abkehr von Steinkohlekraftwerken aus. Mit der Entscheidung der Bundesnetzagentur sind jetzt sechs der insgesamt sieben Steinkohleblöcke von Steag Power in Deutschland zur systemrelevanten Anlage erklärt worden. Für die vier Kraftwerke im Saarland gilt die Frist sogar bis Frühjahr 2031.

Geschäftsmodell durch Einstufung zusammengebrochen?

„Für unsere Einsätze zur Netzstabilisierung erhalten wir lediglich einen Kostenersatz, sodass der Betrieb der Anlagen kein rentables Geschäftsmodell darstellt“, sagt der Steag-Power-Sprecher. „Wir haben auf dieses Problem wiederholt hingewiesen, weil die bestehende Vergütungsregelung uns auf Jahre hinaus Zeit daran hindert, mit unseren Anlagen das Geld zu verdienen, das wir für Investitionen in die Transformation der Steag-Iqony-Gruppe und damit in eine gelingende Energiewende in Deutschland benötigen.“

Die Steag hatte beantragt, das Herner Kraftwerk spätestens bis zum Frühjahr 2025 stillzulegen und die Ära der Kohleverstromung enden zu lassen. Die Steag begründete das damit, dass der Betrieb in der Regel nicht wirtschaftlich sei. Grundsätzlich stand im Raum, die Flächen auch dauerhaft für moderne Arten der Energieerzeugung einzusetzen. Die neuerliche Entscheidung hat keine Auswirkungen auf das direkt benachbarte neue Gas- und Dampfkraftwerk. Dort wird seit Herbst 2022 aus Gas auch Fernwärme produziert.