Herne. Blinkende Schilder, wie sie auch an einem Karussell hängen könnten: Gegen Wildwuchs bei Werbung in den Innenstädten könnte es neue Regeln geben.
Unsere Stadt soll schöner werden - oder zumindest nicht hässlicher. Auf diesen griffigen Nenner lässt sich das Ziel der Gestaltungssatzungen bringen, die die Stadt für die Innenstädte Herne und Wanne vor einigen Jahren verabschiedet hat. Doch werden die Vorgaben überhaupt überprüft? Und müssten sie nicht überarbeitet werden, wie es gerade in Bochum geschehen ist? Das ist der Stand der Dinge.
Mehrere Schaufenster sind komplett abgeklebt
Der Kugelbrunnen auf der Bahnhofstraße gehört in der Herner City sicher zur 1A-Lage. Dort hat vor einiger Zeit das Fitness-Studio „Basic Fit“ eröffnet. Doch einladend wirken die ehemaligen Räume von H&M nicht, denn ein Großteil der Schaufenster ist blickdicht abgeklebt - und das ist mutmaßlich ein Verstoß gegen die Gestaltungssatzung. In Paragraf 10 „Beklebungen“ heißt es nämlich: „Die undurchsichtige Gestaltung von baulichen Fassadenöffnungen (zum Beispiel Bemalen, Streichen, Bekleben, Verhängen, Verspiegeln), insbesondere der Glasflächen von Schaufenstern ist unzulässig, mit Ausnahme von Schriftzügen oder die Nutzung kennzeichnenden Symbolen beziehungsweise Logos. Schriftzüge oder die Nutzung kennzeichnende Symbole beziehungsweise Logos dürfen nicht flächig wirken und maximal einen Umfang von 25 Prozent der Schaufensterflächen je Ladenlokal umfassen.“ Es ist unschwer zu erkennen, dass mehr als ein Viertel der Schaufensterfläche beklebt ist.
Auch in der Wanner Innenstadt gibt es ein Beispiel für den Verstoß gegen die Beklebungsregeln. Das Schaufenster der ehemaligen Räume des „Café Klatsch“ ist komplett abgeklebt. In Wanne ist dies kein Einzelfall, die Zahl hat inzwischen fast ein halbes Dutzend erreicht.
Manche Ansiedlungswillige werden abgeschreckt
Diese Beklebungen, aber auch andere Dinge würden auf Ansiedlungsinteressenten „absolut abschreckend“ wirken, so Randolph Calderoni. Der Immobilienmakler hat Jahrzehnte Erfahrung mit der Vermittlung von Handelsflächen - weit über Herne hinaus. Er habe selbst erlebt, dass ein Interessent wieder abgesprungen sei. Seine Forderung: Die Stadt müsse deutlich stärker kontrollieren und bei Verstößen einschreiten.
Doch das ist offensichtlich nicht der Fall. Auf Nachfrage der Herner WAZ-Redaktion teilt die Verwaltung mit, dass neue Ladenlokal-Mieter im Vorfeld nicht auf die umfangreichen Vorgaben der Gestaltungssatzung hingewiesen würden. Kontrollen würden unregelmäßig stattfinden, ob es sich bei „Basic Fit“ und beim ehemaligen Café Klatsch um Verstöße handelt, müsste geprüft werden. Eine Verschärfung der Vorgaben vonseiten der Stadt sei zurzeit nicht geplant.
Aktive Gestaltung der Innenstadt gewinnt immer mehr an Bedeutung
Dabei gewinnt die aktive Gestaltung einer Innenstadt - zum Beispiel mit einer entsprechenden Satzung - immer mehr an Bedeutung. Der Einzelhandel als Hauptakteur in den Innenstädten ist generell auf dem Rückzug. Stattdessen gibt es immer mehr Mischnutzungen mit Büros - siehe Neue Höfe - und anderen Dingen.
Für Randolph Calderoni gehört zu einer aktiven Gestaltung einer Innenstadt auch das Stadtmobiliar. Er macht unter anderem auf das Telekomstäbchen und die verwitterte Bank gegenüber der Eismanufaktur „Bellissima“ aufmerksam, die um die Jahreswende eröffnen will. „Wir brauchen ein Facelifting. Diese Fußgängerzone ist nicht mehr zeitgemäß und heruntergekommen.“ Es müsse Platz gemacht werden für Bestuhlung von Gastronomien, denn die trügen zur Belebung der Innenstadt bei. Calderoni denkt noch weiter: Auch die Beschallung durch mehr oder weniger talentierte Straßenmusiker müsse eingeschränkt werden.
Herner Wirtschaftsförderung will Regel anpassen
Tatsächlich scheint etwas in Bewegung zu kommen. Denn während die Stadt selbst offenbar keinen Handlungsbedarf sieht, strebt die Herner Wirtschaftsförderung eine „moderate Anpassung der Gestaltungssatzungen“ an die neuen Zeiten an, so Geschäftsführer Dirk Drenk.
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Ein ansprechendes städtebauliches Umfeld mit Aufenthaltsqualität sei neben weiteren Faktoren ein wichtiges Kriterium für die Ansiedlung von Händlern und Gastronomen in der Innenstadt, so Drenk. Vor diesem Hintergrund prüfe man derzeit die Inhalte des Gestaltungshandbuches für die Innenstadt von Herne-Mitte auf mögliche Anpassungsbedarfe, die sich aus den veränderten Rahmenbedingungen wie die Corona-Pandemie oder der Strukturwandel im Einzelhandel seit der Veröffentlichung im Jahr 2018 ergeben haben. Im direkten Austausch mit den verantwortlichen Fachabteilungen der Stadt Herne sollen erforderliche Anpassungsbedarfe definiert und Lösungsvorschläge für die Gestaltung von ansprechenden Aufenthalts- und Ansiedlungsqualitäten erarbeitet werden.