Herne. Eine Handwerksfirma bietet im Internet verschiedene Dienstleistungen an. Doch unter der Adresse in Herne gibt es nur einen Briefkasten.
Der junge Mann war unsicher. Die Therme im Badezimmer streikte, er konnte nicht duschen. Doch wie sollte er abends einen Handwerker erreichen? Er schaute ins Internet und fand einen Betrieb in Horsthausen. Um Mitternacht rückten die Installateure an - und verlangten nach getaner Arbeit satte 348,90 Euro. Dafür hatten sie kaum mehr gemacht, als Wasser abzulassen. Eine echte Rechnung bekam der junge und unerfahrene Kunde auch nicht. Aber den Betrag musste er sofort vor Ort in bar zahlen. Bei näherer Betrachtung wirft nicht nur die Arbeit des Betriebs Fragen auf...
Internetauftritt vermittelt einen seriösen Eindruck
...dabei macht der Internetauftritt dieses Unternehmens einen seriösen Eindruck. „Vertrauen Sie auf unsere langjährige Erfahrung und unsere zukunftsorientierten Lösungen für ein smartes und reibungsloses Gebäudemanagement“, heißt es da unter anderem. Auch auf einen 24-Stunden-Notdienst wird hingewiesen: „Egal ob Heizungsausfall, Wasserschaden oder Stromausfall – unser schnelles und kompetentes Team ist in Notfällen für Sie da.“ Kontaktaufnahme per Handynummer.
Unter der Adresse im Internet-Impressum gibt es keine Handwerks-Firma
Was eigentlich ein Indiz für Seriosität ist: Die Homepage verfügt über ein Impressum. Das deutet darauf hin, dass es sich um ein Herner Unternehmen handelt, denn es soll sich an der Lützowstraße 48 im Horsthauser Feldherrenviertel befinden. Die WAZ hat an dieser Adresse vorbeigeschaut - allerdings keinerlei Hinweis auf das fragliche Unternehmen gefunden. Vielmehr handelt es sich um ein normales Wohnhaus, auch im Hof keine Spur von Handwerk. Auch die drei Briefkästen am Eingang liefern keinen Hinweis auf den Betrieb. Nachbarn wollen zudem beobachtet haben, dass manchmal Autos aus anderen Städten vorfahren, um dann lediglich den Briefkasten zu leeren.
Die Herner WAZ-Redaktion wollte mit dem Unternehmen sprechen, doch unter der im Internet angegebenen Mobilnummer lief nur ein Anrufbeantworter, die Bitte um Rückruf blieb bislang ohne Reaktion.
Kreishandwerkerschaft kennt das Vorgehen
André Reimann, bei der Kreishandwerkerschaft Beauftragter für Schwarzarbeit, kennt diese Firma nur zu gut. „Das ist nur eine von zahlreichen Firmen, die so am Markt agieren.“ In Herne gebe es einen weiteren Fall. Auch diese Firma bediene mehrere Gewerke, gerade jene, bei denen Notdienste in Anspruch genommen werden.
Bei diesen Firmen - es handelt sich wohl um ein bundesweites Phänomen - gebe es unter der angegebenen Adresse meist nur einen Briefkasten, aber keine Geschäftsräume. Allerdings bräuchten Unternehmen eine ladungsfähige Anschrift für Behörden, damit sie ihr Geschäft ausüben dürfen. Doch in der Realität seien die Verwaltungen an einem anderen Ort, teilweise sogar im Ausland. Der echte Standort solle auch verborgen bleiben, so Reimann. Dafür gebe es verschiedene Gründe, zum Beispiel das Umgehen von Haftungsansprüchen.
Betriebe müssen in der Handwerksrolle eingetragen sein
Gesetzlich vorgeschrieben ist: Unternehmen müssen mit den Gewerken, die sie anbieten, in der Handwerksrolle eingetragen sein. Beim fraglichen Betrieb an der Lützowstraße sei dies nicht der Fall. Weder als Firma, noch unter der Adresse, noch mit dem Namen der Person, die im Impressum angegeben ist. Das sei der Handwerkskammer inzwischen auch bekannt.
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Was nur ganz wenige Kunden wüssten, so Reimann: Als Auftraggeber ist man verpflichtet, sich vor der Vergabe eines Auftrags über die Firma zu erkundigen. „Am besten ruft der Kunde bei der Kreishandwerkerschaft an und fragt, ob diese Firma mit ihrem Gewerk eingetragen ist.“ Tue er das nicht, treffe auf ein schwarzes Schaf, zeige die ausgeführten Arbeiten an und dann werde festgestellt, dass es sich um Schwarzarbeit handelt, mache sich der Auftraggeber mitschuldig und könne für eine Ordnungswidrigkeit belangt werden - mit dem entsprechenden Bußgeld.
Dringender Rat: Googeln Sie kein Handwerksunternehmen
Reimann hat verschiedene Tipps, um sich vor Reinfällen zu schützen. Ganz oben auf der Liste: „Googeln Sie kein Handwerksunternehmen.“ Die schwarzen Schafe kauften sich nämlich Googleeinträge ganz weit oben, damit sie als erste gesehen werden. Auch bei positiven Bewertungen müsse man vorsichtig sein, auch die könne man kaufen. Und man sollte es vermeiden, bei Portalen wie Ebay-Kleinanzeigen oder MyHammer.de zu suchen. „Es geht sehr oft um den Preis, aber am Ende zahlt man womöglich drauf oder doppelt.“ Reimann empfiehlt den Blick auf die Internetseite der Kreishandwerkerschaft. Dort seien alle angeschlossenen Handwerksunternehmen gelistet. Und wenn man einen Notfall am Wochenende habe, solle man kurz darüber nachdenken, ob man das Problem nicht doch bis zum nächsten Montag „aussitzen“ kann.