Herne. Die Herner Wirtschaftsförderung nimmt eine neue Gruppe in den Fokus: Unternehmen mit Einwanderungsgeschichte. Deshalb ist das Potenzial groß.
„Genial! Wenn ich das gewusst hätte“, sagt Onur Karakas. Der Herner hat 2022 seine eigene Spedition gegründet und setzt dabei ausschließlich auf Elektro-Lkw, vier Stück rollen inzwischen über die Straßen im Ruhrgebiet. Es läuft also bei Karakas, obwohl er auf eine mögliche Starthilfe verzichtet hat: die Wirtschaftsförderung Herne. Er habe schlicht nicht gewusst, dass sie ihn bei verschiedenen Dingen hätte unterstützen können. Der 34-Jährige ist das Paradebeispiel für folgendes Vakuum:
Viele zugewanderte Unternehmer wissen nicht von der Existenz der Wirtschaftsförderung
Einerseits wissen viele Unternehmen mit Migrationshintergrund gar nicht vor der Existenz der Wirtschaftsförderung, geschweige denn von deren Dienstleistungen. Auf der anderen Seite kann die Wirtschaftsförderung nicht aktiv auf diese Firmen zugehen, weil viele von ihnen unbekannt sind. Dieses Vakuum will man in Herne nun Stück für Stück füllen, denn: Sei es das Handwerksunternehmen, das Start-up, das Restaurant oder das mittelständische Handelsunternehmen, das seine Produkte europaweit vertreibt: Zugewanderte spielen eine wichtige Rolle im Wirtschaftsgeschehen.
Am Montagabend knüpften beide Seiten bei einem Treffen im Veranstaltungszentrum Gysenberg die ersten Maschen eines Netzwerks. Die Veranstaltung offenbarte zweierlei: Es wird ein längerfristiger Prozess, denn die Zahl der beim Meeting vertretenen Unternehmen war durchaus übersichtlich. Auf der anderen Seite sorgte die Wirtschaftsförderung schon für Aha-Effekte bei den Firmen - siehe Onur Karakas.
Anhand von drei Beispielen machte die Wirtschaftsförderung deutlich, wie sie Hilfestellung leisten kann - etwa die Vermittlung von Immobilien und Flächen. So war das Unternehmen Herneland auf der Suche nach einem größeren Standort. Als Restpostenhändler gestartet, hat sich Herneland inzwischen zum Anbieter von passgenauen Automatten entwickelt, Kunden aus ganz Europa bestellen inzwischen in Herne. Und da auch die Zahl der Mitarbeiter inzwischen auf 35 gestiegen ist, war Junior-Chef Enes Elmas dringend auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie. Die Wirtschaftsförderung sei schließlich fündig geworden und habe auch in der Zeit davor immer den Kontakt gehalten, erzählte Elmas. „Es tat gut zu wissen, dass die Wirtschaftsförderung an uns gedacht hat.“
„Wenn man an sich glaubt, kann man Berge versetzen.“ Das ist das Motto von Vedat Ergün. Er hat sich - trotz zahlreicher Widerstände - mit seinem Unternehmen „Fresh Cars“ selbstständig gemacht und ist mittlerweile sehr erfolgreich am Markt. Auf Vermittlung der Wirtschaftsförderung ist Ergün regelmäßig auf Ausbildungsmessen und konnte Nachwuchs gewinnen.
Junge Anwältin holt sich Gründungsberatung bei der Wirtschaftsförderung
Ganz gezielt auf die Wirtschaftsförderung zugegangen ist Narin Baklan-Özkutlu. Als sie sich mit ihrer eigenen Anwaltskanzlei selbstständig machen wollte, holte sie sich Gründungsberatung. Obwohl sie also den Wert der Beratung zu schätzen weiß, wurde sie am Montagabend überrascht. Sie habe gedacht, dass mit der erfolgreichen Gründung die Betreuung der Wirtschaftsförderung ende, doch es gebe noch andere Angebote, die sie in Anspruch nehmen könne.
Oberbürgermeister Frank Dudda betonte, dass die Unternehmen mit ausländischen Wurzeln Leistungsträger seien, die Menschen Arbeit geben. „Sie sind Teil unserer Gemeinschaft und aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.“
Hernes Wirtschaftsförderungs-Chef Dirk Drenk hat das Thema auch an anderer Stelle platziert. „Die Frage, wie man migrantische Unternehmen unterstützen kann, treibt uns um“, so Benjamin Legrand, Sprecher der Business-Metropole Ruhrgebiet. Genau dazu werde es am 24. Oktober einen Workshop mit zahlreichen Wirtschaftsförderungsgesellschaften aus dem Ruhrgebiet geben. Dabei sollen die Gründe analysiert werden, warum beide Seiten bislang kaum Berührungspunkte haben: Gibt es Hemmschwellen? Passt das Angebot nicht? Vielleicht werde Hilfestellung „vom Staat“ gar nicht erwartet. Ein anderes Problem: Es gebe ganz verschiedene „Communitys“, die man erreichen müsse, mal die türkische, mal die asiatische, mal die syrische. Es gebe reichlich zu besprechen.