Herne. In den nächsten Monaten kommen mehr als 200 Wohnungen in Herne auf den Markt: So läuft die Sanierung der berüchtigten Siedlung Emscherstraße.
Eine Wohnruine erwacht zu neuem Leben: Vor einigen Monaten ist die Sanierung der berüchtigten Siedlung an der Emscherstraße in Wanne gestartet, nun ist die Renovierung des ersten Gebäudes abgeschlossen, am Samstag öffneten sich die Türen für erste Mietinteressenten.
Um die Tragweite der Sanierung zu verstehen, muss man in die traurige Vergangenheit dieses Wohnblocks schauen. Diese Vergangenheit war seit Jahren von einer Abwärtsspirale gekennzeichnet, irgendwann war die Siedlung an der Emscherstraße ein Synonym für Wohnraum, der von seinen Eigentümern völlig heruntergewirtschaftet wird. Dieses verantwortungslose Handeln (bzw. Nichtstun) war in Herne, aber auch in anderen Städten mit drei Namen verbunden: DEGAG, Altro Mondo und Belvona. Von Vandalismus bis zu kalten Heizungen oder Schimmel: Die Zustände waren teilweise lebensgefährlich. Der Eigentümer? Nicht erreichbar. Trotz Geldbußen und Zwangsgeldern, die gegen den Eigentümer verhängt wurden, gab es maximal vorübergehend Besserung. Das Problem nahm in mehreren Städten solche Ausmaße an, dass selbst das NRW-Bauministerium einschritt.
Eskalation Ende 2022: Zwei Häuser für unbewohnbar erklärt
In Herne eskalierte die Situation Ende 2022: Wegen massiver Wassereinbrüche und ungesicherter Stromquellen erklärte die Stadt zwei Gebäude für unbewohnbar. Im Laufe der folgenden Monate leerte sich der Wohnkomplex zusehends. Die Wende zum Guten wurde eingeleitet, als der Immobilienfonds Brookfield rund 6000 Wohnungen von der Belvona übernahm.
Die Siedlung in Wanne gehört zu den ersten, die saniert werden. Am und im Gebäude Emscherstraße 82 kann man das Ergebnis bereits sehen, die ersten 24 Wohnungen sind fertiggestellt, der Einzug kann ab August starten. Von außen fallen sofort die blau gestrichenen Balkonbrüstungen auf, doch die Farbe ist quasi nur die Zugabe. Die Böden der Balkone haben eine dringend notwendige neue Deckschicht erhalten. An einer anderen Stelle waren größere Maßnahmen erforderlich. Sämtliche Fenster wurden ein Stück nach hinten versetzt. Durch die vorherige Lage war eine sogenannte Kältebrücke entstanden. Mit der Versetzung soll das Schimmelproblem behoben sein. Außerdem wurden die Dächer ertüchtigt.
Neue Installation, neuer Laminatfußboden
Im Gebäude-Inneren wurden - nach vorheriger Entrümpelung - sämtliche Elektrik- und Wasserinstallationen auf Vordermann gebracht, auch die Heizungsanlage wurde ertüchtigt. In den Wohnungen wurde neuer Laminatfußboden verlegt, die Wände erhielten weiße Raufasertapeten. „Die Grundrisse haben wir allerdings nicht verändert“, so Andreas Flechtner, Geschäftsführungsmitglied bei MVGM. Das Unternehmen verwaltet die Siedlung.
Am Samstag hatte MVGM zum Tag der offenen Tür geladen - die Resonanz lebhaft. Bereits eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn hätten die ersten Interessenten vor der Tür gestanden, so Anika Jakobs, die bei MVCM für die Vermietung verantwortlich ist. Einige hätten wissen wollen, was aus den alten Wohnungen geworden ist, andere seien bereits sehr interessiert an einem Einzug gewesen, nachdem sie die Musterwohnung gesehen hatten. Zu den Besuchern gehörten auch Daniela und Sascha Teufert mit ihren beiden Töchtern. Sie suchen seit geraumer Zeit nach einer Wohnung mit viereinhalb Zimmern, „aber es ist sehr schwer“, so Daniela Teufert. Den Ruf der Siedlung kannten sie, dennoch wollten sie sich das Angebot anschauen. Eine Entscheidung haben sie am Samstag noch nicht gefällt.
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Man spüre, dass die Menschen immer noch die Vergangenheit der Siedlung im Kopf haben, sagt auch Maren Puppe von MVGM. Mit dem Tag der offenen Tür solle ihnen gezeigt werden, dass die Siedlung nun nach vorne gebracht wird. „Die Kernsanierung war der richtige Weg.“ Dafür, dass die Siedlung nicht wieder abrutscht, soll unter anderem auch der Mietpreis sorgen. Bei 8,40 Euro für den Quadratmeter (kalt) geht es los, damit soll eine andere Klientel angesprochen werden als in der Vergangenheit.
Die 24 Wohnungen in Hausnummer 82 sind nur der Anfang. Haus für Haus sollen in den kommenden Monaten weitere 200 Wohnungen renoviert und vermietet werden. Der Abschluss der kompletten Maßnahme, die mit einem zweistelligen Millionenbetrag zu Buche schlagen dürfte, ist für Mitte 2025 angepeilt.