Herne. Der WDR lädt zu den Tagen Alter Musik nach Herne ein. Der künstlerische Leiter Richard Lorber sagt, warum der WDR in eine Nische investiert.

Die Tage Alter Musik in Herne stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Tragisch-komisch“. Konstanze Führlbeck hat sich mit Richard Lorber vom WDR unterhalten, dem künstlerischen Leiter des Festivals.

Herr Lorber, warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?

Wir suchen jedes Jahr nach einem sprechenden Thema, das sich nicht nur auf eine bestimmte Epoche oder einen bestimmten Musikstil begrenzen lässt, sondern es muss ein allgemeines Thema sein, das einen Assoziationsraum eröffnet. Und tragisch-komisch bietet vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert viele Anknüpfungspunkte, die in ganz unterschiedliche Richtungen gehen. Es geht dabei auch um musiksoziologische Fragestellungen, etwa wie die Lebensgeschichten von Musikern im 18. Jahrhundert, deren Musik beeinflussen oder nicht.

Tage Alter Musik in Herne: Was in diesem Jahr aufgeführt wird

Welche Stücke haben Sie für dieses sehr weitgespannte Motto ausgewählt und warum?

In der Arbeit an der Dramaturgie dieses Festivals hat sich in diesem Jahr ein musiktheatralischer Schwerpunkt ergeben. Es fängt am Donnerstag mit dem „Roman de Fauvel“ an, einem sarkastisch-satirischen Stück über Machtmissbrauch im französischen Mittelalter. Es gab eine szenische Premiere im März in Paris am Théâtre Chatelet mit dem Ensemble Sequentia und dem Regisseur Peter Sellars. Die haben wir jetzt in Coproduktion hierher geholt. Am nächsten Tag geht’s vom Mittelalter in den Barock, mit Theatermusik von Johann Caspar Kerll. Das Stück ist ein Märtyrerstück. Das können wir nicht in lateinischer Sprache und über drei Stunden bieten. Bert Heider hat hier eine Aufführungsfassung in deutscher Sprache verfasst. Da werden wir eine Idee von barockem geistlichem Theater bekommen.

Die Tage Alter Musik im vergangenen Jahr: Ansicht auf „Spiel der Elemente“ im Kulturzentrum in Herne.
Die Tage Alter Musik im vergangenen Jahr: Ansicht auf „Spiel der Elemente“ im Kulturzentrum in Herne. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Das war eine der intellektuellen Waffen der Gegenreformation?

Genau. Aber hier wird nicht nur ein theologischer Sachverhalt verhandelt, sondern es geht auch schaurig, komisch und sarkastisch zu. Und drastisch. Das ist die Mischung zwischen tragisch und komisch. Die komischen Stoffe sind leichte Sujets, in denen niedere Menschen agieren. Wir wollen auch reflektieren, was die Gattungen bedeuten. Interessant ist auch das Konzert mit Concerto Romano, in dem Kurzoratorien aus dem Rom des 17. Jahrhunderts geboten werden. Concerto Romano unter Leitung von Alessandro Quarta hatte 2009 sein fulminantes Debüt in Herne, der erste internationale Auftritt dieses Ensembles. Es hat inzwischen eine internationale Karriere hingelegt, die in Herne begonnen hat. Darauf sind wir stolz.

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Wie viel kostet das ganze Festival?

Das ist schwierig zu beziffern. Es ist eine Koproduktion zwischen dem WDR und der Stadt. Die Stadt bringt alle logistischen Leistungen ein, sie stellt die Säle, das Einlasspersonal, macht den Kartenvorverkauf, macht die Druckunterlagen. Der WDR trägt alle Kosten für die Künstler und die Sendungen. Die direkten Kosten wären zum Beispiel Honorare. Die indirekten Kosten sind Fixkosten für die Festivalleitung, die Sachbearbeiter beim Kulturamt der Stadt, den Übertragungswagen des WDR. Der künstlerische Etat ist ein kleiner sechsstelliger Betrag. Im Vergleich mit ähnlichen Festivals bewegen wir uns im Mittelfeld. Wir sind kein kleines Festival, aber wir sind auch nicht die Salzburger Festspiele. Wir erwerben aber auch Senderechte, die Rechte, die Konzerte, die wir aufzeichnen, auch in unserem Programm nutzen zu können. Wir haben da eine große Reichweite – bei den Radioübertragungen hören pro Sendung so viele Zuhörer zu wie in ein mittleres Fußballstadion wie das Bochumer Ruhrstadion passen.

Was hat Corona aus den Tagen Alter Musik in Herne gemacht?

Hat Corona viel verändert?

Letztes Jahr war kein nennenswerter Unterschied festzustellen zu Vor-Corona-Zeiten. Die Menschen sind gekommen. Das ist eines der ältesten und renommiertesten Alte-Musik-Festivals auf der Welt. Wir haben auch internationales Publikum. Und Herne hat Kultur in alten Industriedenkmälern erfunden, mit der Künstlerzeche Alter Fritz als Spielstätte, nicht die Ruhrtriennale.