Bochum/Herne. Zehn Wochen altes Baby aus Herne-Mitte starb. Notärzte schildern als Zeugen ihren Rettungsversuch. Vater hatte von Unfall gesprochen.

Im Prozess um den mutmaßlichen Gewalttod des nur zehn Wochen alten Säuglings Elias aus Herne hat der wegen Mordes angeklagte Vater (26) sich auch am zweiten Verhandlungstag auf sein Schweigerecht zurückgezogen. Über Zeugenaussagen wurde am Bochumer Schwurgericht allerdings bekannt, wie der Lkw-Fahrer die dramatischen Verletzungen des Babyjungen bislang erklärt hat – nämlich als einen tragischen Unglücksfall.

Angeblich auf den Säugling gesetzt

Bereits dem ersten Notarzt, der am frühen Abend des 19. Juni in der Erdgeschosswohnung in der westlichen Herner Innenstadt eingetroffen war, hatte der Vater damals eine Unfallsituation geschildert: Der 26-Jährige will den hungrigen Elias angeblich auf dem Sofa abgelegt haben und dann kurz rüber in die Küche gelaufen sein, um dem quengelnden Baby ein Milchfläschchen zuzubereiten. Bei der Rückkehr ins Wohnzimmer will er dann durch die laufende Musik der elektrischen Babywippe abgelenkt worden sein und deswegen angenommen haben, der Säugling läge in der Wippe. In diesem Irrglauben will sich der Vater dann angeblich auf die Couch und damit versehentlich auf das Baby gesetzt haben.

„Der Vater war sehr aufgebracht und unruhig“, erinnerte sich der Notarzt am Mittwoch als Zeuge am Bochumer Schwurgericht. Bei seinem Eintreffen habe der kleine Elias (damals zehn Monate) ruhig dem Boden gelegen und sei wach gewesen. Daraufhin habe er das Baby zur Untersuchung auf den Wohnzimmertisch gelegt. Nachdem anfangs beim Abtasten, Abhören und Anschauen „keine groben Auffälligkeiten“ feststellbar gewesen seien, sei dann aber plötzlich die Sauerstoffsättigung rapide abgefallen, so der Arzt. Wegen akuter Lebensgefahr habe er bei Elias dann zunächst einen Beatmungsschlauch angelegt und fast 30 Minuten lang durch Herzdruckmassage mit zwei Fingern reanimiert.

Baby in die Kinderklinik eingewiesen  

Dann habe der inzwischen eingetroffene Kindernotarzt übernommen. Auch der konnte nach eigenen Angaben zunächst äußerlich keine Auffälligkeiten bei dem Baby ausmachen, nahm Elias dann aber aufgrund der „extrem kritischen Kreislaufsituation“ mit in die Kinderklinik nach Datteln. Während der dortigen Weiterbehandlung auf der Intensivstation, so der Kinderarzt als Zeuge, sei dann der Bauch von Elias „immer praller und härter“ geworden. Kurz danach war der Säugling an schweren inneren Verletzungen im Rumpfbereich (unter anderem mehrere gebrochene Rippen sowie Risse im Verdauungstrakt) verstorben.

Aufgrund zahlreicher Indizien wertet die Staatsanwaltschaft die Unfallversion des Angeklagten als bloße Schutzbehauptung und geht stattdessen davon aus, dass der Säugling am frühen Abend des 19. Juni von seinem Vater nicht zum ersten Mal brutal misshandelt worden ist. Entweder durch einen Faustschlag oder einen wuchtigen Hieb mit einem stumpfen Gegenstand in den Magen. Als Motiv für den väterlichen Entschluss, seinen eigenen Jungen zu töten, nennt die Anklageschrift das „weinerliche Wesen“ des Kindes, mit dem der Lkw-Fahrer nicht mehr zurechtgekommen sein soll. Bei der Haftbefehlsverkündung war seinerzeit zudem davon die Rede gewesen, dass das Baby für den Vater außerdem aufgrund von akuten Geldproblemen „ein nicht mehr hinnehmbarer Kostenfaktor“ geworden ist.

Angeklagter hatte den Notruf gewählt

Wie im Prozess vor dem Schwurgericht bekannt wurde, hatte der Vater seinerzeit selbst den Notruf gewählt. Weil das Baby nach seiner Version bewusstlos gewesen sei, will er dem Kind Wasser über den Kopf gegossen haben. Der Notarzt erinnerte sich am Mittwoch allerdings als Zeuge, dass er Elias beim Entkleiden einen „trockenen Body“ ausgezogen habe. Außerdem gibt es offenbar Hinweise, dass der 26-Jährige noch während des Notrufs unter Anweisung der Notfall-Leitstelle selbst mit zwei Fingern eine Herzmassage begonnen, dann aber auf das Weinen des Kindes abgebrochen haben.

Schon vorher misshandelt

Laut Anklage soll der Lkw-Fahrer dem kleinen Elias bereits drei Wochen zuvor am 31. Mai bei einem vorherigen Gewaltausbruch mehrere Rippen gebrochen haben. Aufgrund der Knochenbrüche soll der Säugling anschließend so gut wie nicht mehr geschlafen und häufig geweint haben. An dieser Stelle sollen die Eltern bei einer Kinderärztin bereits schon einmal darauf verwiesen haben, dass sich angeblich ein vierjähriges Kind aus der Familie aus Versehen auf das in dem Autositz liegende Baby gesetzt hat. Mehrere Arzttermine ließen der mordverdächtige Vater und die wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen mitangeklagte Mutter (27) dann aber laut Staatsanwaltschaft aber dann nachweislich verstreichen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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