Herne. Wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit, Herr Krüger? Der führende Umweltpolitiker der Herner Grünen steht im WAZ-Interview Rede und Antwort.
Wie nachhaltig lebt der Herner Umweltausschussvorsitzende Pascal Krüger? Wie bewertet er die klimapolitischen Anstrengungen der Stadt? Was erwartet er von einer Ampel in Bund? Die WAZ sprach mit dem 36-jährigen Stadtverordneten der Grünen.
Wie sind Sie heute zur WAZ-Redaktion in Herne-Mitte gekommen?
Pascal Krüger: Ich bin zu Fuß gekommen. Ich wohne keine zwei Kilometer entfernt.
Besitzen Sie ein Auto?
Nein. Ich wohne direkt an der U35 und bin dadurch gut angebunden.
Politikerinnen und Politiker Ihrer Partei müssen sich häufiger die Frage gefallen lassen, wie nachhaltig sie leben. Zurecht?
Grüne wollen die Gesellschaft verändern. Ich finde es deshalb gut, wenn man erst einmal vor der eigenen Tür kehrt, bevor man das von Anderen fordert. Bei Anderen muss man aber genauso darauf achten.
Dann kehren wir doch mal vor Ihrer Tür: Versuchen Sie nachhaltig zu leben?
Ja, ich versuche in allen Lebensbereichen meine Emissionen zu reduzieren. Ich kann sie selbst berechnen, weil ich mich beruflich damit befasse. Zu 100 Prozent kann ich aber auch ich nicht alles erfüllen.
Auf einer Nachhaltigkeitsskala von 1 bis 10 – wo stehen Sie?
Ich würde sagen: Ich bin bei einer 8, es gibt aber noch Luft nach oben.
Wo konkret?
Ich habe zwar einen stark unterdurchschnittlichen CO2-Fußabdruck und muss mich nicht verstecken, sehe aber Optimierungspotenzial. Zum Beispiel bei der Ernährung: Ich bin Flexitarier, esse also ab und zu Fleisch, das aber sehr bewusst. Ich versuche beispielsweise Rindfleisch zu vermeiden, weil das sehr klimaschädlich ist.
Was noch?
Ich habe leider nicht alle Stellschrauben in der Hand, ich wohne zum Beispiel zur Miete in einer Wohnung mit Gasheizung. Einen Teil meines Stroms produziere ich dafür selbst auf dem Balkon mit einem Stecker-Solargerät.
Fliegen Sie?
Ich versuche es zu vermeiden. Ich bin auch mal bewusst mit dem Zug verreist und habe mehrere Zwischenstopps gemacht, damit ich nicht länger als sechs Stunden unterwegs bin.
Seit wann machen Sie sich Gedanken über Nachhaltigkeit?
Ich kann mich gut erinnern: Ich hatte in der achten Klasse eine Erdkundelehrerin, die uns etwas von globaler Erderwärmung erzählt hat. Zunächst habe ich mich darüber lustig gemacht. Als ich später im Physikunterricht mehr über die Zusammenhänge erfahren habe, habe ich mich ernsthafter damit befasst.
War das Thema Ökologie der Hauptgrund für Ihren Parteieintritt bei den Grünen?
Auf jeden Fall. Als ich bei der Europawahl 2004 das erste Mal wählen durfte, habe ich den Wahl-O-Mat bedient und mich mehr mit Politik befasst. Ich kann mich noch gut erinnern: Damals gab es eine Diskussion darüber, ob wir auf erneuerbare Energien umstellen. Schon damals wusste ich: Auf lange Sicht ist das notwendig, weil die fossilen Brennstoffe endlich sind. Viele Parteien haben bestritten, dass das Netz mehr als fünf Prozent Erneuerbare aushält. Die Grünen haben glaubwürdige und zukunftsorientierte Positionen vertreten – auch in anderen Themenfeldern. Da wollte ich mitwirken.
Der Klimaschutz ist derzeit im Bund Thema bei den Koalitionsverhandlungen der Ampel. Befürchten Sie, dass Forderungen Ihrer Partei geschliffen werden und die FDP sich durchsetzt – so wie im Sondierungspapier?
Nein, das glaube ich nicht. Im Sondierungspapier stehen nur die Punkte, auf die sich die drei Parteien bereits verständigen konnten. Die Grünen treten klar dafür ein, Maßnahmen gegen die Klimakrise umzusetzen. Ich gehe schwer davon aus, dass es beispielsweise so etwas wie eine CO2-Bepreisung geben wird. Der Klimaschutz ist unser wichtigstes Thema. Und ein Grünen-Parteitag muss am Ende dem Koalitionsvertrag ja noch zustimmen.
Im Sondierungspapier wurde von SPD, Grünen und FDP bereits festgelegt: Auf Autobahnen wird es kein Tempolimit geben. Können Sie damit leben?
Tempo 130 wäre sicherlich für die Verkehrssicherheit gut gewesen. Ich könnte damit leben.
… wie jeder vernünftige Mensch.
Bei den Sondierungen hieß es aber: Wenn bei der Mobilität im Koalitionsvertrag am Ende genug für den Klimaschutz herauskommt, wäre das unterm Strich eine Verbesserung, auch ohne ein Tempolimit. Man kann C02 auch auf andere Weise einsparen.
Sie haben auch beruflich mit Nachhaltigkeit und Ökologie zu tun. War ihnen das besonders wichtig oder hatte sich das nach Ihrem Studium so ergeben?
Mir war das sehr wichtig. Ich hatte mich schon in der Oberstufe dafür entschieden, Umwelttechnik und Ressourcentechnik zu studieren – mit dem klaren Ziel, etwas für den Klimaschutz zu tun. Das wollte ich nach dem Studium natürlich umsetzen und nicht – sagen wir mal – in einem Chemiepark arbeiten.
Ihre Meinung als Grüner: Wie nachhaltig ist Herne?
Es gibt einige Anstrengungen, aber der große Wurf ist noch nicht gelungen. Es liegt natürlich auch an den Stadtfinanzen, dass wir kein zweites Freiburg werden können. Es könnten aber mehr Hebel in Bewegung gesetzt werden.
Nennen Sie doch mal einen Hebel.
Eine so kompakte, kleine Stadt wie Herne kann viel mehr für nachhaltige Mobilität tun. Aber auch in Bereichen wie Wohnen und Industrie müssen wir uns ja langfristig auf Klimaneutralität einstellen. Das sehe ich noch nicht, auch nicht bei Unternehmen der Stadt wie beispielsweise der HGW, der Herner Gesellschaft für Wohnungsbau. Bisher fehlt eine Strategie, man kommt nur in Trippelschritten voran.
Schlussrunde: Für Hafermilch und ein eigenständiges Umweltamt
Vollmilch oder Hafermilch?
Ich habe zuhause Hafermilch bzw. Haferdrink. Das ist ökologischer und gesünder.
Im Bund: Finanzministerium oder Klimaministerium für die Grünen?
Bei einem Entweder/oder bin ich fürs Klimaministerium. Für die politische Gestaltung wäre es aber wichtig, beide Ministerien zu haben.
Ist das denn realistisch?
Ja, das glaube ich durchaus.
Wahr oder falsch? Die Auflösung des städtischen Herner Umweltamtes im Jahr 2015 war ein großer Fehler.
Absolut! Eine Eigenständigkeit wäre wichtig.
Eine globale Klimawende ist zum Scheitern verurteilt.
Ich wünsche mir, dass man die 1,5 Grad schafft. Das ist aber keine leichte Aufgabe. Es gibt Länder wie Russland oder Saudi-Arabien, die das sehr erschweren werden. Und ich sehe auf der internationalen Bühne derzeit niemanden, der das vehement einfordert. Selbst US-Präsident Joe Biden kriegt ja von seinen Demokraten Fußfesseln angelegt. Deutschland muss daher mit vielen anderen Ländern eine starke Rolle für Klimaschutz einnehmen.
>> ZUR PERSON
Pascal Krüger hat 2005 in Herne die Grüne Jugend mitgegründet. Seit 2008 ist er Mitglied im Umweltausschuss, seit 2012 gehört er dem Rat der Stadt an.
Von 2017 bis 2020 führte er den Grünen-Kreisverband. Im vergangenen Jahr trat er in Herne bei der Kommunalwahl als OB-Kandidat seiner Partei an.
Pascal Krüger arbeitet unter dem Dach der Stadtverwaltung Bottrop beim Umweltprojekt Innovation City.