Herne. Der Dezember ist die Hauptarbeitszeit für Einbrecher. Kriminalkommissar Hagen Grüneich erklärt die Gründe und wie Herner sich schützen können.
Der Dezember ist nicht nur Adventszeit, sondern auch Hochsaison für Wohnungseinbrecher. Kriminalhauptkommissar Hagen Grüneich erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann die Gründe.
Herr Grüneich, wir haben den zweiten Corona-Winter, viele Menschen sind wieder in Homeoffice. Können Sie beim Thema Wohnungseinbrüche Entwarnung geben?
Grüneich: Ganz sicher nicht. Wir haben durch Corona deutlich eine gewisse Entspannung gespürt, weil viele Leute zuhause waren und wieder sind. Zuhause zu sein ist nach wie vor der sicherste Schutz gegen Einbrecher. Ein Teil des Rückgangs der Zahlen ist auf eine Gesetzesänderung zurückzuführen, die den Wohnungseinbruchdiebstahl zu einem Verbrechenstatbestand gemacht hat mit einer Strafandrohung von mindestens einem Jahr. Wobei ich das Gefühl habe, dass Einbrecher davon nicht sonderlich beeindruckt waren, aber das Homeoffice hat sich bemerkbar gemacht.
Welche Rolle spielt bei Einbrüchen die dunkle Jahreszeit?
Das ist nach wie vor die „Hauptarbeitszeit“ von Einbrechern. Mit der Umstellung auf die Winterzeit beginnt die Hauptsaison. Das war schon immer so. Man merkt dann einen sprunghaften Anstieg der angezeigten Fälle.
Ist die Urlaubszeit denn nicht die Hauptsaison?
Nein, gerade in den Sommerferien sehen wir weniger Fälle. Über die Gründe können wir nur spekulieren. Die Hochzeit ist tatsächlich November und Dezember.
Aber warum?
Ein Wohnungseinbrecher sucht immer eine leere Wohnung oder ein leeres Haus, dabei wollen sie natürlich ungesehen bleiben. In der dunklen Jahreszeit kann man relativ leicht erkennen, ob jemand zu Hause ist oder nicht. Gegen 16.30 Uhr, wenn es dunkel wird, sind viele Leute ja noch unterwegs. Man kann im Vorbeigehen relativ leicht erkennen, ob jemand zu Hause ist. Wenn nicht, kann man dort mal „schauen“.
Werden Häuser denn gezielt ausspioniert?
Nein, eigentlich nicht. Natürlich haben die Einbrecher den festen Plan, irgendwo einzubrechen, sie betrachten das ja als ihren Beruf, aber die Objekte werden nach unserer Erkenntnis zufällig ausgewählt. Man schaut sich nach einer günstigen Gelegenheit um. Seien es die baulichen Gegebenheiten oder der Betrieb um das Objekt herum. Die klassischen Einbrecher gehen nach dem Zufallsprinzip vor.
Trotz des Zufallsprinzips: Gibt es Rahmenbedingungen für Einbrecher? Mögliche Fluchtwege, Einsehbarkeit?
Ja. Beim Zugang wird geschaut, dass man keine „Zuschauer“ hat, oder man nutzt bauliche Gegebenheiten und geht hinten herum, um so ungesehen zu bleiben. Die Lage nach vorne zur Straße bietet allerdings keine Gewähr, dass nichts passiert.
Gibt es Unterschiede zwischen Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern?
Genommen wird grundsätzlich gerne alles. Mehrfamilienhäuser sind stärker betroffen, das liegt aber auch daran, dass es mehr davon gibt. Bei Einfamilienhäusern versuchen Einbrecher, sich von der Rückseite Zutritt zu verschaffen. In Mehrfamilienhäusern verschaffen sie sich irgendwie Zugang zum Treppenhaus oder sie nutzen Fenster und Balkontüren im Erdgeschoss.
Es gibt Leute, die sagen, dass es bei ihnen sowieso nichts zu holen gibt...
...dieses Argument hören wir immer wieder. Das Problem ist: Der Einbrecher weiß das erst, wenn er nachgeschaut hat. Einbrecher legen eher das Augenmerk darauf, wo sie leicht reinkommen als darauf, wo sie Beute erwarten können. Deren Devise lautet: Erstmal schauen.
Was kommt denn als Beute in Frage?
Geld und Schmuck, also Dinge, die klein sind, aber wertvoll. Auch eine geringe Beute ist lohnend, für Einbrecher gilt auch die Devise: Kleinvieh macht auch Mist. Aber es kann eben auch sein, dass die Kriminellen, gerade bei älteren Menschen, größere Mengen an Bargeld finden. Speziell in der Vorweihnachtszeit legen viele Menschen schon die Umschläge mit Bargeldgeschenken oder Schmuck zurecht, solche Sachen werden gezielt im Dezember geklaut.
Wenn man auf die Vorbeugung schaut: Ist der Schutz der Haustür wichtiger oder der der Wohnungstür?
Einbrecher sind im speziellen Sinn bequem und gehen da rein, wo es am einfachsten ist. Im Einfamilienhaus ist das in der Regel die Balkon- oder Terrassentür, die Haustür ist in der Regel die stabilste Tür. Im Mehrfamilienhaus ist die Wohnungstür sehr gefährdet. Dort wäre unsere häufigste Empfehlung, einen Querriegel zu installieren. Das sieht man zudem von außen und hat eine psychologische Wirkung auf den Einbrecher. Der wird sich eine Tür ohne so einen Querriegel suchen. Bei Erdgeschosswohnungen in Mehrfamilienhäusern sind neben der Wohnungstür die Fenster gefährdet.
Experten sagen ja, dass die Internetkriminalität immer größere Bedeutung bekommt. Rücken Wohnungseinbrüche in den Hintergrund?
Ganz und gar nicht. Wohnungsbrüche sind und bleiben ein Klassiker. Man muss das getrennt voneinander betrachten. Der Wohnungseinbrecher wird nicht zum Internetkriminellen. Wir müssen den Wohnungseinbruch voll im Blick behalten. Man muss sich auch völlig anders schützen. Man muss es dem Einbrecher immer möglichst schwer machen, in die Wohnung zu kommen.
>>> POLIZEI BIETET BERATUNG ZUM EINBRUCHSSCHUTZ
■ Das Polizeipräsidium Bochum (zu dem Herne zählt) hat ein kostenloses Beratungsangebot zum Thema Einbruchschutz. Es ist erreichbar beim Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz unter 0234 909-4040.
■ Generell hat das Kommissariat folgende Ratschläge: Es sei davon abzuraten, Informationen (zum Beispiel Fotos) über eine längere Abwesenheit in den sozialen Medien oder den Statusbildern zu verbreiten. Und beim Verlassen der Wohnung sollten immer die Fenster geschlossen die Tür abgeschlossen werden.