Herne. Die Cranger Kirmes 2020 findet nicht statt. Monatelange Planung war umsonst. Was macht nun der Kirmes-Chef und wie sieht es für Crange 2021 aus?
Vor einem Jahr schoben sich bereits die schweren Lastwagen mit Karussell- und Achterbahnteilen über den Cranger Kirmesplatz. Aufbau-Stress und Vorfreude. In diesen Tagen watscheln allein ein paar Kanadagänse schnatternd über das nahezu leere Feld. Die Corona-Pandemie hat eine Cranger Kirmes in diesem Jahr unmöglich gemacht. Kirmes-Planer Tibo Zywietz erzählt, was die Absage für ihn bedeutet und wie er die Chancen für Crange 2021 sieht.
Normalerweise wären Sie wahrscheinlich so kurz vor Beginn der Cranger Kirmes ziemlich im Stress, oder?
Am vergangenen Wochenende wäre die Rheinkirmes in Düsseldorf zu Ende gewesen. Das heißt, dass Anfang der Woche die großen Fahrgeschäfte zu uns gekommen wären.
Und jetzt passiert nichts.
Nichts würde ich nicht sagen. Schließlich bleiben mir ja auch noch einige Aufgaben, die Corona mit sich bringt.
Was machen Sie nun statt Crange?
Wir kontrollieren als Ordnungsbehörde die Einhaltung der Corona-Schutzverordnung. Natürlich wickeln wir gerade auch noch die alte Kirmes ab – und planen den Rummel fürs nächste Jahr. In einer Arbeitsgruppe zwischen Gesundheits- und Wirtschaftsministerium beschäftige ich mich auch noch mit der Wiederaufnahme des Volksfest-Betriebes in NRW. Da geht es darum, wie man Volksfeste wieder durchführen kann. Entweder nach der Coronazeit oder sogar währenddessen.
Was gibt es da für Ideen?
Ein großes Thema ist Rückverfolgbarkeit. Das ginge am besten durch ein Einschreiben, wie es auch in der Gastronomie üblich ist. Aber das würde bei uns so nicht funktionieren. Es würden vor den Eingängen lange Schlangen entstehen. Wir haben sehr viele Eingänge, das Gelände ist nicht eingezäunt. Wir denken über die Nutzung einer App nach. Man scannt dabei einen QR-Code, schreibt sich mit seinen Daten ein und es kann im Zweifel rückverfolgt werden. Aber die Cranger Kirmes 2021 ist ja noch weit weg. Wir wissen nicht, ob das im nächsten Jahr überhaupt noch relevant ist.
Findet die Cranger Kirmes 2021 denn statt?
Das weiß ich nicht. Ich bin weder Mediziner, noch Virologe. Und selbst die wissen es nicht.
Gehen wir zurück in den Februar, zum Beginn der Corona-Pandemie. Wann war für Sie der Punkt, an dem Sie gemerkt haben, dass Corona auch „Ihre“ Kirmes gefährden wird?
Ich habe schon sehr früh realisiert, dass das die Kirmes betrifft. Wir sind ja Ende März in den Lockdown gegangen. Als das das erste Mal durch die Medien ging, haben wir eine Krisensitzung einberufen und überlegt,wie es mit der Cranger Kirmes weitergeht. Das Veranstaltungsverbot bis damals noch zum 31. August kam ja recht schnell, da wussten wir dann, dass das nichts wird. Danach mussten wir ja nur noch reagieren.
Wie war die Stimmung unter den Kollegen?
Niedergeschlagen. An einem Freitagnachmittag wurde die Coronaschutzverordnung entsprechend geändert. Wir sind dann Montagmorgen im Büro gewesen, da war völlige Leere. Die Cranger Kirmes zeichnet sich durch große Identifikation bei ihren Besuchern, aber auch bei den Mitarbeitern aus. Das Ganze funktioniert nur durch großes persönliches Engagement. Und wenn du dich so sehr mit einer Veranstaltung identifizierst, dann bist du natürlich auch traurig, wenn du realisierst, dass die Kirmes nicht stattfindet.
Und dann?
Ich habe im März meinen Urlaub gecancelt, um Krisenmanagement im Fachbereich öffentliche Ordnung zu betreiben. Wir haben mehr als 80 Mitarbeiter gehabt, die ihren normalen Job nicht mehr getan haben, sondern für uns mit gelber Weste im Stadtgebiet unterwegs waren und die Einhaltung der Coronaschutzverordnung kontrolliert haben. Es war mein Job gemeinsam mit meinem Team das zu organisieren.
Sicher eine anstrengende Aufgabe.
Das war gigantisch. Alles was wir gemacht haben, musste innerhalb von wenigen Tagen aus der Taufe gehoben werden. Du bist morgens ins Büro gekommen, hattest eine neue Coronaschutzverordnung vom Ministerium im Postfach und musstest die innerhalb von Sekunden umsetzen.
Nachdem klar war, dass die Cranger Kirmes in diesem Jahr ausfällt, musste die komplette Maschinerie gestoppt werden. Was war denn alles schon geplant?
Das Ausschreibungsverfahren war komplett abgeschlossen. Der Kirmesplan, der verrät welches Geschäft wo steht, war komplett fertig. Die Verträge waren abgeschlossen. Von April bis Ende Juli wäre es nur noch um Detail-Fragen gegangen. Wir haben monatelang auch viel Arbeit umsonst investiert.
Konnten die Verträge mit den Schaustellern einfach gekündigt werden?
Die Verträge sind unwirksam, wenn ein gesetzliches Verbot ausgesprochen wird. Das war ja recht schnell der Fall. Wir stoßen bei den Schaustellern aber auch auf großes Verständnis.
In Dortmund haben Schausteller einen mobilen Freizeitpark organisiert. Warum gibt es so etwas nicht auf dem Kirmesplatz?
Wir haben keinen Antragsteller dafür gehabt. Deshalb haben wir uns auf andere Projekte fokussiert, um Schausteller zu unterstützen. In der Fußgängerzone in Herne haben wir zum Beispiel Schausteller-Betriebe zugelassen. Auf dem Kirmesplatz steht Gastronomie und wir haben Schausteller beraten, andere Projekte zu finden.
Und wie geht’s jetzt weiter – was ist mit Crange 2021?
Die Planung geht jetzt aktuell wieder los. Wir müssen im August ausschreiben. Das ist organisatorisch nicht anders möglich, wir können das nicht nach hinten schieben. Wir hoffen nicht, dass wir nächstes Jahr noch so eine ernste Situation haben, aber das kann natürlich sein.
Wird die Cranger Kirmes 2021 auf jeden Fall anders?
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie insofern anders wird, weil wir solche Dinge wie Hygienekonzepte haben werden. Wir haben uns sonst immer intensive Gedanken über Sicherheitskonzepte gemacht – was wir natürlich auch weiterhin machen. Jetzt reden wir auch verstärkt über Hygiene. Ob die Kirmes anders aussehen wird, ob es zum Beispiel größere Abstände zwischen Geschäften geben wird, kann ich nicht sagen. Aber zumindest in den Fahrgeschäften wird sich was tun. Und wer weiß, wie es nächstes Jahr ist? Vielleicht laufen wir mit Mundschutz über die Kirmes.
Das kann ich mir nicht vorstellen.
Das ist jetzt natürlich Spekulation. Aber wir haben jetzt knapp drei Monate die Mundschutzpflicht. Und langsam wird’s s doch zur Routine. Für die Kirmes-Fans wünsche ich mir, dass wir möglichst bald auf Abstandsregelungen und Mund-Nase-Bedeckungen verzichten können, sodass wir eine unbeschwerte Cranger Kirmes 2021 feiern können.